Tauchgang zu den Erzfabriken der Tiefsee
SONNE-Expedition mit ROV KIEL 6000 untersucht die Erzbildung in Papua-Neuguinea
Die Kontroverse um den Tiefseebergbau wird durch die aktuellen Verhandlungen der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) über den Rechtsrahmen für eine mögliche künftige Ausbeutung deutlich. Eine wachsende Zahl von Ländern, darunter auch Deutschland, fordern eine vorsorgliche Pause. Abgesehen von den potenziellen kommerziellen Aktivitäten besteht jedoch ein großes wissenschaftliches Interesse an mineralischen Systemen am Meeresboden: Nur hier können Meeresgeolog:innen die aktiven tektonischen, magmatischen und hydrothermalen Prozesse direkt untersuchen, die für die Bildung vieler heute vorhandener Metalllagerstätten von Bedeutung sind. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden zur Verfeinerung von Lagerstätten-Modellen und zur Bewertung von Möglichkeiten für eine verbesserte Gewinnung von energie-kritischen Metallen und Metalloiden aus bestehenden Minen an Land genutzt.
Die Expedition SO299 DYNAMET mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE führt zum Bismarck-Archipel im Nordosten Papua-Neuguineas, um erstmals einen umfassenden Überblick über eines der geologisch komplexesten und mineralstoffreichsten Gebiete der Welt zu gewinnen und zu versuchen, eine wichtige ungelöste Frage über diese Region zu beantworten: Warum hat sich an dieser Stelle so viel Metall in der Kruste angesammelt? Die Fahrt steht unter der Leitung von Dr. Philipp A. Brandl, Meeresgeologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Deutschland. Professor Dr. Christoph Beier von der Universität Helsinki ist Co-Fahrtleiter. Unter den 37 Teilnehmenden sind außerdem auch Forschende des GeoZentrums Nordbayern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Außerdem sind Forschende der Universitäten Ottawa und Toronto in Kanada im Rahmen eines gemeinsamen Forschungs- und Ausbildungsprojekts für marine Geodynamik und Georessourcen (iMAGE-CREATE) sowie der Universität Papua-Neuguineas beteiligt.
Probenentnahme mit hochmoderner Unterwasserrobotertechnik
Nach zwei Jahren pandemie-bedingter Verspätung werden auf dieser Expedition Forschungsarbeiten fortgesetzt, die auf drei früheren SONNE-Fahrten in den Jahren 1994 (SO94), 1998 (SO133) und 2002 (SO166) begannen. Allerdings werden nur während der Expedition SO299 modernste geophysikalische Instrumente am Meeresboden eingesetzt, um die Bewegung von Magma und Fluiden in der Kruste abzubilden, aktive Störungszonen zu verfolgen und die thermische Struktur der Kruste zu modellieren. Das zentrale Gerät ist der ferngesteuerte Tauchroboter (remotely operated vehicle, ROV) ROV KIEL 6000 des GEOMAR. Der Tauchroboter kann 6000 Meter tief tauchen und ist mit hochauflösenden Kameras, Sonar und einer Vielzahl von Probenahmegeräten und In-situ-Sensoren ausgestattet. Das hochmoderne System wird von acht Personen bedient und ermöglicht die gezielte und visuell kontrollierte Beprobung einzelner Gesteine sowie von Flüssigkeits- und Gasaustrittsstellen.
Metallvorkommen und hydrothermale Schlote
„Das Hauptziel unserer Forschung ist, zu verstehen, wie plattentektonische Prozesse die Bildung von Erzlagerstätten in der Nähe von Subduktionszonen beeinflussen können. Die Region ist von besonderer Bedeutung, weil sich dort einige der größten Kupfer- und Goldlagerstätten der Welt gebildet haben und auch heute noch bilden“, erklärt Dr. Brandl. „Wir sind daran interessiert zu verstehen, wie die tektonischen Prozesse die Lage und Größe von Mineralvorkommen beeinflussen. Die Wechselwirkung des Meerwassers mit der heißen Umgebung des vulkanisch aktiven Meeresbodens ist interessant, weil dabei Elemente, darunter auch Metalle, aus dem darunter liegenden Gestein ins Meerwasser übergehen und umgekehrt.“ Diese Regionen werden als hydrothermale Systeme bezeichnet und sind nicht nur Schauplatz aktiver erzbildender Prozesse, sondern auch Hotspots einer hochspezialisierten Artenvielfalt in der Tiefsee. „Zu unserer wissenschaftlichen Verantwortung gehört es daher, möglichst wenig invasiv zu forschen“, ergänzt Dr. Brandl.
Metalle für grüne Technologien
Es wird erwartet, dass die Nachfrage nach kritischen und speziellen Metallen und Metalloiden als Reaktion auf die weitere Entwicklung und den verstärkten Einsatz grüner Technologien kontinuierlich steigen wird. „Um die Bedingungen für diese steigende Nachfrage zu erfüllen und gleichzeitig die erforderliche Rohstoffversorgung verantwortungsvoller zu gestalten, müssen die am besten geeigneten Ressourcen an Land gefunden und die Effizienz ihrer Nutzung erhöht werden“, sagt Professor Dr. Beier von der Universität Helsinki. „Für uns Forschende aus Finnland ist die Untersuchung von Erzbildungsprozessen in geologisch jungen Krustenblöcken und in aktiven Systemen wichtig um daraus Rückschlüsse zur Entstehung der geologisch alten Lagerstätten an Land abzuleiten. Viele der mineralischen Rohstoffe, die uns in Finnland zur Verfügung stehen, könnten sich in Umgebungen gebildet haben, die mit denen im westlichen Pazifik vergleichbar sind, und so kann die Gegenwart der Schlüssel zur Vergangenheit sein.“
Expedition SONNE SO299 DYNAMET
06.06.2023 - 29.07.2023
Townsville (Australien) – Singapur