Ein Surfbrett für die Wissenschaft
Neuartige Meerestechnik besteht erste Feldtests vor Schweden
Unbekanntes Seeobjekt in Sicht! Ein Surfbrett? Fast richtig. Per Computer steuerte ein Team um die Meereschemiker Prof. Dr. Arne Körtzinger und Dr. Björn Fiedler vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel in den ersten beiden Septemberwochen zum ersten Mal ihren sogenannten Wave-Glider, zu Deutsch „Wellen-Gleiter“, vor der schwedischen Küste von Tjärnö. In einem ersten Feldtest sollte die neue Technik des Teams ausgiebig geprüft werden, bevor das teure Gerät im offenen Atlantik eingesetzt wird. Es handelt sich dabei tatsächlich um eine Art „High-Tech-Surfbrett“, das mit Solarzellen, Wetterstation, Kompass, chemischen Sensoren und allerlei Technik ausgestattet auf der Meeresoberfläche fährt. Sieben Meter tiefer hängt, durch ein Spezialkabel mit dem Schwimmkörper verbunden, eine Unterwassereinheit mit mehreren beweglichen Flügeln, die Wellenenergie für den nötigen Antrieb nutzt. Durch die Wellenbewegungen klappen die Flügel flossenartig hin und her und ziehen den Gleiter voran. Dank dieses Vortriebs lässt sich das Gerät über Satellit von Land aus präzise navigieren.
Die neuartige Technik erlaubt es den Meereschemikern, an der Grenze zwischen Luft und Wasseroberfläche unter anderem den Gasaustausch von Kohlendioxid näher zu untersuchen. „Bisher waren wir für unsere Messungen immer auf die Verfügbarkeit von Forschungsschiffen angewiesen", so Dr. Fiedler. „Mit dem neuen Wave-Glider sind wir nun in der Lage, unsere Messungen weitaus flexibler und kosteneffizienter durchzuführen“. Ein weiterer Vorteil dieser Messplattform ist ihre lange Einsatzdauer, da Wellenenergie permanent für Vortrieb sorgt und die Sonne den Strom für die Messgeräte liefert.
Neben dem Wave-Glider konnte in Tjärnö auch ein am GEOMAR weiterentwickeltes, komplexes Unterwasserwinden-System getestet werden. Dieses wird im Meer auf etwa 120 Metern Tiefe verankert und erlaubt es, profilierende Messungen chemischer, physikalischer und biologischer Parameter bis zur Meeresoberfläche durchzuführen und diese dort per Satellit direkt nach Kiel zu übertragen. Es stellt daher eine ideale Ergänzung zu den Beobachtungen des Wave-Gliders an der Oberfläche dar.
Begleitet wurden die Arbeiten in Tjärnö zusätzlich von Studenten aus Deutschland, Schweden, Norwegen und den Kapverden, welche im Rahmen eines vom GEOMAR organisierten internationalen Sommerkurses anhand von Vorlesungen und Seminaren und durch vielfältige Feldexperimente über aktuelle Entwicklungen in der Meereschemie informiert wurden.
Die Forscher freuen sich besonders über die Förderung durch die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften, die das ambitionierte Feldprojekt erst ermöglichte. „Hier am Sven Lovén Zentrum für Meereswissenschaften in Tjärnö bieten sich hervorragende Bedingungen für die Erprobung von komplizierten Geräten für den Ozeaneinsatz, zum Beispiel 240 Meter Wassertiefe mit marinem Salzgehalt, nur 15 Schiffsminuten von der Station Tjärnö entfernt“, sagt Professor Körtzinger. Das zweiwöchige Projekt wurde mit 27.500 Euro komplett von der Königlich-Schwedischen Akademie für Wissenschaft finanziert.
Die in Schweden getesteten Geräte sind bereits wieder am GEOMAR in Kiel und werden zurzeit für ihren regulären Einsatz bei dem Ozeanobservatorium auf den Kapverden (Cape Verde Ocean Observatory, CVOO) vorbereitet. Professor Körtzinger und Dr. Fiedler zeigten sich am Ende des Versuches sehr zufrieden mit den Test-Ergebnissen und den Bedingungen in Schweden. „Der Standort ist ideal. Wir hoffen, dass wir ihn in Zukunft noch häufiger nutzen können“, sagt Dr. Fiedler. „Tjärnö bietet von Laboren und Konferenzräumen über Büros, Werkstätten, Unterkünfte und Kantine bis hin zu Forschungsschiffen, Booten, Taucherausrüstung und mehreren Tauchrobotern alles, was wir für unsere Forschung brauchen. Ich jedenfalls kann mir keinen besseren Ort vorstellen“, schwärmt Prof. Körtzinger von der schwedischen Forschungsstation.
Bildmaterial:
Der Wave-Glider wird von Bord gelassen. Während die Technik aus einem Schwimmkörper installiert ist und somit an der Wasseroberfläche bleibt, sorgen die Flossen in sieben Metern Tiefe für den Vortrieb. Foto: A. Körtzinger, GEOMAR
Ansprechpartner:
Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811, jsteffen(at)geomar.de