Eisschmelze im Polarmeer
Biologische Ozeanographin Prof. Dr. Dr. hc Karin Lochte hält die 21. Marie-Tharp Lecture am GEOMAR
15.11.2017/Kiel. Langzeitbeobachtungen aus der Arktis geben ein klares Signal. Sowohl das mehrjährige Meereis in der Arktis als auch die Eismassen der Gletscher schmelzen rasant, schneller sogar als Vorhersagemodelle des IPCC erwarten ließen. So ist die sommerliche Meereisbedeckung in der Arktis von ca. sieben Millionen Quadratkilometern in den 1980er Jahren auf etwa 4,2 Millionen Quadratkilometern im Jahre 2016 geschrumpft. Welche Prozesse an dem Verlust der Eismassen beteiligt sind, und welche Konsequenzen sich für die Ökosysteme der polaren Meeresgebiete ergeben, ist noch nicht vollständig verstanden. Die Erforschung der Polar-Regionen wird so zum Wettlauf mit der Zeit. Veränderungen in den Polargebieten können einen Anstieg des Meeresspiegels bewirken und so weitentfernte Regionen, wie die Inseln der Südsee betreffen. Bereits heute sind die Auswirkungen des Klimawandels auf den Fidschi-Inseln, die gerade den Vorsitz bei der UN-Klimakonferenz COP23 in Bonn inne haben, spürbar. Weitere Konsequenzen werden für die Temperatur der Ozeane, die atmosphärische Zirkulation und den globalen Wasserkreislauf erwartet, Änderungen die auch das globale Klima beeinflussen. Andererseits bieten eisfreie Gebiete in der Arktis neue Wege für die kommerzielle Schifffahrt und für den Abbau von mineralischen Ressourcen. Möglichen ökonomischen Gewinnen stehen jedoch erhebliche ökologische Risiken gegenüber.
Mit diesem Themengebiet beschäftigte sich die Biologische Ozeanographin und ehemalige Direktorin des Alfred-Wegener-Institutes Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Prof. Dr. Dr. hc Karin Lochte, gestern im Rahmen der Marie-Tharp Lecture Serie for Ocean Research am GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung. Das Thema stieß auf großes Interesse, der Hörsaal war bis auf den letzten Platz besetzt. In ihrem Vortrag gab Professorin Lochte nicht nur einen aktuellen und umfangreichen Überblick über die klimatischen Änderungen in den Polargebieten. Sie zeigte auch in mit welchen Methoden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des AWI die Polarregionen erforschen und sich sowohl vor Ort als auch mit Hilfe von Computersimulationen ein Bild von der Variabilität und den Trends in der Eisbedeckung machen. Besonders interessiert sind die Polarforscher an ganzjährigen Beobachtungsdaten, die für viele Gebiete wie für die zentrale Arktis jedoch fehlen. Diese Daten-Lücke soll ein neues internationales Forschungsprojekt füllen, das erstmals eine ganzjährige Beobachtung der zentralen Arktis ermöglichen wird. Für das Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate (MOSAiC) soll die Polarstern ab 2019 für ein Jahr als Drifter durch die Arktis eingesetzt werden.
Professorin Lochte hat nach ihrem Staatsexamen an der Technischen Universität Hannover ein Masterstudium der Meereswissenschaften an dem University College von North Wales absolviert. Nach ihrer Promotion im Jahre 1984 kehrte sie nach Deutschland zurück, um am Institut für Meeresforschung in Kiel und dem AWI Untersuchungen zur Mikrobiologie der Tiefsee durchzuführen. Nach ihrer Habilitation an der Universität Bremen im Jahre 1994 nahm sie eine Professur an der Universität Rostock an und leitete für fünf Jahre die Sektion Biologische Meereskunde des Institutes für Ostseeforschung (IOW). Zwischen 2000 und 2007 übernahm Karin Lochte als Professorin für Biologische Ozeanographie, die Leitung der gleichnamigen Forschungseinheit am IFM-GEOMAR. Seit 2007 war sie die Direktorin des Alfred-Wegener Institutes, ein Amt, das sie am 1.11.2017 an ihre Nachfolgerin Prof. Dr. Antje Boetius übergab. Prof. Lochte hat in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien die deutsche Meeresforschung mitgestaltet. Für ihre Leistungen erhielt sie in diesem Jahr das Bundesverdienstkreuz erster Ordnung.
Die Marie-Tharp Lecture Series wird vom Women's Executive Board (WEB) des GEOMAR veranstaltet. Dazu lädt das WEB international renommierte Wissenschaftlerinnen ein, die einerseits ihre wissenschaftlichen Arbeiten in Kiel präsentieren, gleichzeitig aber auch als Vorbild für Nachwuchswissenschaftlerinnen dienen. Wie auch bei den vergangenen Vorträgen fand im Anschluss an den öffentlichen Fachvortrag ein Get-Together nur für Wissenschaftlerinnen statt. Dort können sich junge Forscherinnen mit den erfahreneren Kolleginnen austauschen und mögliche Karrierepfade diskutieren.