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Semester: SS 2024 

Integration des Transtheoretischen Modells zur Evaluation eines kommerziellen Online-Gewichtsreduktionsprogramms

Projektleitung:Prof. Dr. Martin Schellhorn
Laufzeit:1.1.2010 - 30.4.2015
Inhalt und Ziele:Angesichts der hohen Prävalenz von Übergewicht und Adipositas und der daraus resultierenden beachtlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wird ein interdisziplinärer Ansatz zur Behandlung von Gewichtsreduktion immer wichtiger. Bei der Behandlung von Übergewicht und Adipositas erzielen Ernährungsumstellung und Bewegungsaktivierung in Kombination mit verhaltenstherapeutischen und kognitiv-verhaltensorientierten Maßnahmen die größten Erfolge hinsichtlich einer langfristigen Gewichtsreduktion. Heutzutage bieten Online-Gewichtsreduktionsprogramme eine vielversprechende Möglichkeit, um viele Menschen kostengünstig zu erreichen. Für die Sicherstellung einer nachhaltigen und effektiven Behandlungsmaßnahme müssen Online-Programme wissenschaftlich evaluiert werden. Davon ausgehend war das erste Ziel der Arbeit die Untersuchung der Wirksamkeit des seit 2005 bestehenden kommerziellen Online-Gewichtsreduktionsprogramms KiloCoach™ im Hinblick auf die nach sechs Monaten erreichten Veränderungen beim Gewicht, im Ernährungs- und Bewegungsverhalten sowie in der Körperwahrnehmung. Für eine umfassende Programmevaluation wurde zudem das TTM, ein Modell aus der Gesundheitspsychologie mit einer kognitiv-behavioralen Ausrichtung, herangezogen. Die einzelnen Konstrukte des TTM wurden in diesem Zusammenhang gemäß den Modellannahmen hin überprüft. Auf einer dritten Evaluationsebene wurde die Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Online-Programm bewertet. Eine Möglichkeit, die Effektivität von Online-Gewichtsreduktionsprogrammen zu erhöhen, ist die Identifikation von Faktoren, die einen Einfluss auf den Gewichtsabnahmeerfolg ausüben. Daher war das zweite Ziel der Arbeit die Bestimmung von Prädiktoren für die Vorhersage einer erfolgreichen Gewichtsreduktion. Die Konstrukte des TTM fanden dabei besondere Berücksichtigung. Die der Arbeit zugrundeliegenden empirischen Analysen bezogen sich auf die im Jahr 2012 erhobenen Daten. In einer im Längsschnitt angelegten Online-Befragung wurden 165 Teilnehmer des Online-Gewichtsreduktionsprogramms KiloCoach™ in einem Zeitabstand von sechs Monaten befragt (73,3 % Frauen, Ø Alter 48,3 ± 11,6 Jahre, Ø BMI 28,9 ± 5,7 kg/m²). Die Untersuchung der Wirksamkeit des kommerziellen Online-Programms KiloCoach™ zeigte, dass die Nutzung des Programms für Teilnehmer mit Adipositas einen klinisch relevanten Gewichtsverlust erwirkte und sich somit als effektiv erwies. Die Evaluation der Ernährungsqualität brachte hervor, dass die Ernährungsqualität von präadipösen Frauen mit einer Mitgliedschaft von länger als sechs Monaten im Laufe der Programmnutzung abnahm. Jedoch lagen diese Frauen nach sechs Monaten weiterhin unter dem empfohlenen Richtwert, was für eine positive Ernährung spricht. Zudem wurden geschlechtsspezifische Unterschiede in der Ernährungsqualität festgestellt. Im Rahmen des KiloCoach™-Programms ernährten sich Frauen während der Gewichtsreduktion gesünder als Männer. Bei Männern deutete sich eine ungünstige Ernährungsqualität an. Weiterhin wurde nachgewiesen, dass adipöse Frauen es mithilfe des Online-Programms schafften, ihre Essgewohnheiten zu verbessern. Im Hinblick auf die körperliche Aktivität wurden keine Veränderungen festgestellt. Jedoch war auffällig, dass KiloCoach™-Teilnehmer bereits ein aktives Bewegungsverhalten aufwiesen, wobei Frauen günstigere Werte erreichten. Sowohl bei der Bewertung der ablehnenden als auch bei der dynamischen Körperwahrnehmung konnten keine Verbesserungen aufgezeigt werden. Hierbei wurden gewichts- und geschlechtsspezifische Unterschiede aufgedeckt. Adipöse Teilnehmer lehnten ihren Körper ab und schätzten ihn weniger vital ein. Frauen bewerteten ihre Körperdynamik vitaler als Männer. Die auf den Querschnittdaten basierende Überprüfung der TTM-Annahmen ergab, dass der Verlauf der Änderungsstrategien vom ursprünglichen Schema aus der Rauchentwöhnung abweicht, was in der praktischen Anwendung berücksichtigt werden sollte. Die Ergebnisse identifizierten bestimmte Strategien, die für die Fortführung des Online-Programms bzw. des Gewichtsreduktionsprozesses bedeutend zu sein schienen. Die Relevanz der kognitiv-emotionalen und verhaltensorientierten Strategien stieg nicht nacheinander an, sondern war gleichzeitig von Bedeutung ist. Besonders für Teilnehmer der Aufrechterhaltungsstufe spielten die kognitiv-affektiven und verhaltensbezogenen Strategien eine beachtliche Rolle, um den Prozess der Gewichtsreduktion weiterzuführen. Die Evaluationsergebnisse hinsichtlich der TTM-Konstrukte brachten hervor, dass nach sechs Monaten Veränderungen in der Anwendung der verhaltensorientierten Strategien Selbstverpflichtung und Zwischenmenschliche Kontrolle auftraten. Während sich die Strategie Selbstverpflichtung für alle Teilnehmer reduzierte, wendeten normalgewichtige und adipöse Teilnehmer der Handlungsstufe die Strategie Zwischenmenschliche Kontrolle vermehrt an. Bei den wahrgenommenen Vorteilen im Faktor Gesundheit zeigte sich, dass Männer, die sich zu Beginn der Befragung in die Vorbereitungsstufe einordnen ließen, im Laufe der Zeit den gesundheitlichen Aspekten einer Gewichtsreduktion eine höhere Wichtigkeit zusprachen. Bei den wahrgenommenen Vorteilen im Faktor Anerkennung und Selbstbild sowie bei der Bedeutung der Nachteile wurden keine Veränderungen festgestellt. Die Selbstwirksamkeit und die situative Versuchung veränderten sich in sechs Monaten nicht. Jedoch war zu erkennen, dass die Teilnehmer bereits insgesamt eine hohe Selbstwirksamkeit und eine geringe situative Versuchung zeigten. Bei der Untersuchung der Selbstwirksamkeit traten geschlechts- und stufenspezifische Unterschiede auf. Frauen und Männer in der Vorbereitungs- und Handlungsstufe unterscheiden sich in ihrer Selbstwirksamkeit. Während Männer in der Vorbereitungsstufe ein höheres Selbstvertrauen aufwiesen, hatten Frauen in der Stufe der Handlung eine größere Selbstwirksamkeit. Bei der Zufriedenheitsanalyse stellte sich heraus, dass 81,2 % der Teilnehmer das Online-Programm insgesamt positiv bewerteten. Die Bestimmung von zufriedenheitsstiftenden Programmfunktionen zeigte, dass die Bausteine Newsletter und Beratung für die Teilnehmer von Bedeutung sind und zur allgemeinen Programmzufriedenheit beitragen. Als ein weiterer Prädiktor für die Zufriedenheit wurde auch die Motivation der Teilnehmer identifiziert. Motivierte KiloCoach™-Teilnehmer waren mit dem Online-Programm eher zufrieden als unmotivierte Mitglieder. Der Motivation konnte auch bei der Untersuchung der Prädiktoren für eine mindestens fünfprozentige Gewichtsreduktion ein prädiktiver Wert nachgewiesen werden. Weiterhin stellten ein hoher BMI, ein jüngeres Alter sowie ein nach sechs Monaten verbessertes Essverhalten wichtige Größen für die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Gewichtsreduktion dar. Die Berücksichtigung der TTM-Konstrukte bei der Bestimmung von Prädiktoren zeigte, dass eine gesteigerte Wahrnehmung der Gesundheitsaspekte und der Nachteile, eine geringere Bedeutung der Anerkennung sowie eine geminderte, empfundene situative Versuchung im Faktor sozialer Druck einen prädiktiven Einfluss auf die Vorhersage einer erfolgreichen Gewichtsreduktion ausüben. Eine im Verlauf der Programmnutzung häufige Anwendung der Strategien Emotionales Erleben und Zwischenmenschliche Kontrolle sowie eine reduzierte, angewandte Strategie Selbstverstärkung konnten außerdem als Prädiktoren für einen Behandlungserfolg identifiziert werden. Im untersuchten kommerziellen Online-Programm ließen sich im Vergleich zu kontrollierten klinischen Programmen keine Unterschiede in der Höhe der festgelegten Gewichtsziele beobachten. Die Auswertungen zur Bestimmung von Prädiktoren für unrealistische Ziele zeigten insgesamt, dass neben unveränderbaren Faktoren, wie Alter und Geschlecht auch veränderbare Faktoren, wie die wahrgenommenen Nachteile einer Gewichtsreduktion im Zusammenhang mit unrealistischen Erwartungen stehen. Die Ergebnisse der gesundheitspsychologischen Konstrukte sind besonders für die Praxis von Relevanz und erweitern gleichzeitig die wissenschaftliche Literatur im Bereich der Prädiktor- und TTM-Forschung dahingehend, dass sie einen wertvollen Beitrag zu der Frage nach dem prädiktiven Wert bestimmter TTM-Konstrukte leisten. Zudem wird durch die Integration der Konstrukte des TTM bei der Evaluation des Online-Programms und der Bestimmung von Prädiktoren der Gewichtsreduktionsprozess noch genauer beschrieben und erklärt, woraus sich Anhaltspunkte für die Ausrichtung des Online-Programms ergeben. Daraus resultiert, dass für die Weiterentwicklung von KiloCoach™ neben verhaltensbezogenen Parameter, wie Umstellung des Ernährungs- und Bewegungs-verhalten, auch gesundheitspsychologische Inhalte ihren festen Platz im Online-Programm finden sollten. Die sich daraus ergebenden vielfältigen Möglichkeiten zur Optimierung und Weiterentwicklung des Online-Programms können langfristig zur Steigerung der Effektivität von KiloCoach™ beitragen.
Kontakt:

Verständnis, Nutzung und Beurteilung der GDA-Nährwertkennzeichnung bei (Spät )Aussiedlern im Vergleich zu der restlichen deutschen Gesamtbevölkerung

Projektleitung:Prof. Dr. Martin Schellhorn
Beteiligte:Dr. Nelli Betke
Beginn:1.1.2013
Inhalt und Ziele:Nährwertkennzeichnungen haben das Ziel, verbindliche Informationen über den Gesund-heitswert eines Lebensmittels bei einem unüberschaubaren Lebensmittelangebot zu geben, um dem Verbraucher bei seinen Einkäufen eine Entscheidungshilfe darzustellen und somit der prävalenten Übergewichtsproblematik entgegenzuwirken. Die GDA Nährwertkennzeichnung ist eine freiwillige erweiterte Nährwertkennzeichnung, die die Tageszufuhr von Energie und Nährstoffen, die für einen gesunden Erwachsenen im Durch-schnitt pro Tag empfohlen werden, zeigt. Das Ziel, welches mit den GDAs verfolgt wird, ist ein schnelleres und einfacheres Erfassen des relativen Nährstoffgehaltes eines Lebensmit-tels, der den Verbraucher dazu befähigen soll, eine ausgewogene Ernährung selbstständig zusammenzustellen. Das Verständnis, die Nutzung und die subjektive Beurteilung der GDA Kennzeichnung wurden bis jetzt in einigen internationalen Studien untersucht. In Deutschland hingegen liegen nur wenige Untersuchungen dazu vor, aber keine dieser Un-tersuchungen befasst sich mit Personen mit Migrationshintergrund. Im Jahr 2011 hielten sich 16 Millionen Personen mit Migrationshintergrund i. e. S. in Deutschland auf, was 19,5 % der deutschen Gesamtbevölkerung entspricht. Migranten sind jedoch aufgrund ihres kulturellen, sozialen und ethischen Hintergrundes sehr heterogen zu-sammengesetzt, so dass allgemeingültige Aussagen ihnen nicht gerecht werden. Deswegen ist es notwendig, dass differenzierte Studien zu den unterschiedlichen Migrantengruppen durchgeführt werden. Als besonders interessant erweist sich hierbei die Gruppe der (Spät )Aussiedler aufgrund ihres kulturellen und sozialen Hintergrundes und der besonderen Zugehörigkeit zu Deutschland (deutsche Volkszugehörige oder Staatsangehörige im Sinne des Grundgesetzes (Art. 116 Abs. 1)). Mit 1,4 Millionen kommen die meisten (Spät )Aussiedler aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion – primär aus der Russischen Föderation (612.000) und aus Kasachstan (575.000). Polen (579.000) und Ru-mänien (213.000) sind ebenfalls bedeutende Herkunftsländer. Über 4,5 Millionen (Spät )Aussiedler einschließlich Familienangehörigen sind seit Beginn der Aussiedlerauf-nahme (1950) nach Deutschland zugewandert, von denen rund 1,5 Millionen zwischen 1987 und 1992 kamen. Sie stellen somit eine der größten Zuwanderergruppen in der Bundesre-publik dar. An dem Thema „Integration“ und/oder „kriminelles Verhalten“ der (Spät )Aussiedler besteht in der Forschung großes Interesse und wird mit unterschiedlichen Methoden seit Jahren un-tersucht. Ein großer Forschungsbedarf besteht hingegen bei anderen nicht weniger wichtigen Themen. Zum Beispiel existieren wenige wissenschaftliche Arbeiten, die das Gesundheits-, Ernährungs- und/oder Einkaufsverhalten der (Spät )Aussiedler und seine Determinanten analysieren. Insbesondere bezüglich der GDA-Kennzeichnung liegen noch keine umfas-senden Studien vor. Die Wissenschaft ist an den (Spät )Aussiedlern in Bezug auf die oben genannten Themenbereiche noch zu wenig interessiert, obwohl sie zu einer der bedeutenden Zuwandergruppen in Deutschland gehören und aus Ländern stammen, wo andere Le-bensbedingungen (häufig erschwerte) und unterschiedliche Belastungsfaktoren vorherrsch-ten, die sich evtl. negativ auf die Ernährung und Gesundheit niedergeschlagen haben bzw. in der Gegenwart immer noch Auswirkungen zeigen. (Spät-)Aussiedler, aber auch die gesamte deutsche Bevölkerung, werden jeden Tag mit einer großen Vielfalt unterschiedlicher Produkte konfrontiert. Das Lebensmittelangebot in Deutschland ist mannigfaltig. Insgesamt sind mehr als 100.000 Artikel erhältlich, größere Geschäfte haben mehr als 30.000 unterschiedliche Lebensmittel im Sortiment. Diese Vielfalt an Lebensmitteln und Informationsüberflutung (3.000 Markenkontakte täglich) durch die ge-kennzeichneten Angaben erschweren nicht selten die richtigen „gesunden“ Lebensmittel bei den täglichen Einkäufen einzukaufen. Es existiert eine Vielzahl an Informationen über die Beschaffenheit, Eigenschaft, aber auch den Gesundheitswert von Lebensmitteln auf der Produktverpackung, die zu einer Informationsüberlastung führen. Hilfreiche Informationen über den Gesundheitswert können die Nährwertinformationen darstellen. Neben der Nähr-werttabelle, die ab dem 13. Dezember 2016 in der EU verpflichtend wird, kann die GDA Kennzeichnung einen Beitrag dazu leisten. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit (Spät )Aussiedler die GDA-Kennzeichnung im Ver-gleich zu der restlichen deutschen Bevölkerung besser bzw. schlechter verstehen und diese bei ihren Einkäufen nutzen bzw. nicht nutzen, welche Faktoren das Verständnis und die Nut-zung beeinflussen und wie diese miteinander zusammenhängen. Des Weiteren ist von Inte-resse, wie die GDA Kennzeichnung von den (Spät )Aussiedlern und der restlichen deutschen Bevölkerung beurteilt wird und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen (Spät )Aussiedlern und der restlichen deutschen Bevölkerung hinsichtlich dieser Determinan-ten existieren. Es stellt sich auch die Frage, ob (Spät )Aussiedler eine eigenständige Ziel-gruppe für die Ernährungskommunikation darstellen und einen anderen Zugang als die rest-liche deutsche Bevölkerung benötigen.
Kontakt:Betke, Nelli

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