Erdsystem-Klimawissenschaften

Das Klima auf dem Planet Erde ist ein komplexes System. So interagieren zum Beispiel (natürliche und menschgemachte) Strahlungsantriebe mit dem globalen Kohlenstoffkreislauf und dem Wärmehaushalt des Planeten.

Wie fragil die Dynamik im Erdsystem ist, wird besonders deutlich, seitdem die Menschheit massiv in das Gefüge der Erde eingreift und zu einer entscheidenden Kraft geworden ist, deren Einfluss drastisch spürbar ist. Um die Erde als Ganzes zu begreifen und effektiv zur Lösung der globalen Herausforderungen Klimawandel beizutragen, benötigt man einen ganzheitlichen Forschungsansatz. Mit einem Fokus auf ambitionierte Klima-Mitigation-Szenarien befasst sich die Forschungsgruppe mit der Frage, wie reagiert das Erdsystem darauf, wenn wir unsere Klimaziele erreichen?

Forschungsthemen

Zero Emissions Commitment
Welches sind die wichtigsten Prozesse im Erdsystem, um seine Reaktion auf das Stoppen der CO2-Emissionen zu bestimmen?

Das "Zero Emissions Commitment" (ZEC) bezeichnet die erwartete Temperaturänderung, nachdem anthropogene Emissionen gestoppt wurden. Dieses Phänomen ist eine intrinsische Eigenschaft des Erdsystems, die durch langsame und schnelle Ausgleichsprozesse geprägt ist. Das ZEC hängt von der bis zum Zeitpunkt des Emissionsstopps ausgestoßenen Menge von CO2 (dem Kohlenstoffemissionsbudget) sowie vom Zustand des Erdsystems zu diesem Zeitpunkt ab. Diese „Zustandsabhängigkeit“ spiegelt das Gleichgewicht zwischen den biogeochemischen und thermischen Prozessen des Erdsystems wider.

Im Vergleich verschiedener Klimamodelle lassen sich erhebliche Unterschiede in der vorhergesagten Temperaturänderung nach Stopp der CO2-Emissions feststellen, was sich in der Unsicherheit des Schätzwertes für ZEC niederschlägt. In einer Modellvergleichsstudie lag die Spannbreite des ZEC fünfzig Jahre nach dem Stopp der Emissionen (ZEC50) für ein Szenario mit einem kumulierten Kohlenstoffbudget von 1000 PgC zwischen -0,36°C und +0,29°C, mit einem Ensemble-Mittelwert von -0,06°C. Die Größe der Unsicherheit deutet darauf hin, dass das ZEC möglicherweise der größte Unsicherheitsfaktor bei der Berechnung des verbleibenden Emissionsbudgets für das 1,5°C-Ziel ist.

Wenn das ZEC positiv wäre, könnte das verbleibende Kohlenstoffbudget um mehr als ein Drittel kleiner sein, was auch bedeuten könnte, dass negative Nettoemissionen erforderlich wären, um die Temperatur zu stabilisieren. Falls das ZEC hingegen negativ wäre, könnte das sogar bedeuten, dass weitere dauerhafte CO2-Emissionen für das Ziel der Temperaturstabilisierung zulässig wären.

Ambitionierte Klimaschutzszenarien

Ambitionierte Klimaschutzszenarien stellen die aktuellen Erdsystemmodelle (ESMs) vor neue Herausforderungen. In solchen Szenarien, in denen die anthropogenen CO2-Emissionen reduziert werden, gewinnen kleinere Klimasignale zuvor sekundärer Prozesse an Bedeutung, da jedes Zehntel Grad Erwärmung zählt. Dies erfordert eine prozesstreue Darstellung der Wechselwirkungen zwischen Klima- und Kohlenstoffkreisläufen, der Unsicherheiten bei Rückkopplungsprozessen und expliziter Maßnahmen zur Kohlenstoffentnahme (Carbon Dioxide Removal, CDR). ESMs in einer emissionsgesteuerten Konfiguration müssen in der Lage sein, anthropogene Kohlenstoffemissionen aus fossilen Brennstoffen sowie Landnutzungsänderungen und ‑management im Kontext eines geschlossenen und stabilen Kohlenstoffkreislaufs darzustellen, mit genauem Abbilden natürlicher und anthropogener Kohlenstoffsenken.

Carbon Dioxide Removal / Kohlendioxid‑Entnahmemaßnahmen

Selbst wenn ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen, die auf ein Netto-Null-Treibhausgas (THG) Ziel hinarbeiten, umgesetzt werden, ist davon auszugehen, dass die Menschheit auch in Zukunft eine Restmenge an Kohlendioxid und anderen THG-Emissionen freisetzen und damit die globale Erwärmung weiter vorantreiben würde. 
Optionen zur Entnahme von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR) - wie z. B. Bioenergie in Verbindung mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung in geologischen Formationen, Erhöhung der Alkalinität der Ozeane oder Management und Ausbau von Ökosystemen - bieten die Möglichkeit, die Bemühungen zur Emissionsreduzierung zu unterstützen und die verbleibenden THG-Emissionen auszugleichen, was wiederum Netto-Null-Ziele überhaupt erst ermöglicht. Darüber hinaus ist CDR der entscheidende Faktor für die Bereitstellung von Netto-Negativ-Emissionen zur Verringerung der atmosphärischen CO2-Konzentration, um eine Überschreitung des Kohlenstoff-Emissions-Budgets oder der globalen Temperatur zu neutralisieren (overshoot).

Methoden

Das Ziel unserer Gruppe ist es, unser Wissen über die Reaktion des Erdsystems auf Netto-Null- und Overshoot-Szenarien, sowie auf menschlichen Aktivitäten wie CDR, zu vertiefen. Dafür verwenden wir  Erdsystem-Modelle unterschiedlicher Komplexität (FOCIUVic ESCM 2.9 & 2.10), sowie Multi-Modell-Ensembles von CMIP (CDRMIPZECMIP). Darüber hinaus tragen wir in interdisziplinärer Zusammenarbeit zu umfassenden Bewertungen von CDR-Optionen bei.

Zu den Forschungsschwerpunkten gehören: 

  • Bewertung der Unsicherheiten und des Prozess-Verständnisses von Netto-Null- und Overshoot-Szenarien in Bezug auf den Kohlenstoffkreislauf und die Klimadynamik (FOOTPRINTSRESCUE)
  • Modellstudien zum Verständnis des Potenzials und der Risiken (mariner) CDR-Optionen, einschließlich der Erhöhung des Alkalinität-Gehalts der Ozeane, des Managements und der Expansion von Ökosystemen mit blauem Kohlenstoff (RESCUE)
  • Umfassende, transdisziplinäre Bewertung von (marinen) CDR-Optionen (CDRmare-Konsortium ASMASYSGESAMP WG41)

Team

  • Nadine Mengis: Arbeitet zu umfassenden Bewertungsrahmen für CO2-Entnahme-Maßnahmen im deutschen Kontext mit einem Schwerpunkt auf Netto-Null-Optionen für Deutschland; Quantifizierung der Unsicherheit bezüglich der Temperaturreaktion auf Netto-Null- und Overshoot-Szenarien einschließlich sozioökonomischer und erdsystemdynamischer Unsicherheiten (FOOTPRINTS [Projektleitung], ASMASYS [Projektleitung], RESCUE, GESAMP WG41, Co-Vorsitzende CDRmare)
  • David Hohn: Auswertung von Multimodell-Ensembles von Null-Emissionsszenarien zur Bestimmung des Umfangs und der Unsicherheit des ‘Zero Emission Commitment’ (ZEC) (FOOTPRINTS)
  • Giang Tran: arbeitet an der Bewertung der Wirksamkeit, parametrischen Unsicherheiten und der potenziellen Nebenwirkungen von CO2-Entnahme-Massnahmen (CDR) bei der Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels auf marine Ökosysteme (RESCUE)
  • Estela Monteiro: Untersuchung von Klima- und Temperatur-Stabilisierungsszenarien mit Schwerpunkt auf dem Beitrag von Nicht-CO2 Emissionen (FOOTPRINTS)
  • Makcim De Sisto
  • Judith Matz
  • Sabine Bischof
  • Tabea Rahm
     
  • Judith Ziegler
  • Ulrike Bernitt
  • Michael Sswat