Foraminiferen – Mikrofossilien als Umwelt­­archive aus dem Meer

Als Foraminiferen bezeichnet man eine Gruppe winzig kleiner Einzeller, von denen viele Kalkschalen bilden. Die ältesten bekannten Fossilien von Foraminiferen stammen aus dem Kambrium, sind also rund 560 Millionen Jahre alt. Bis heute kommen die Einzeller in nahezu allen marinen Lebensräumen vor, in Tiefseegräben genauso wie in den Salzwiesen. Sogar in den Poren von antarktischem Meereis sind sie schon gefunden worden. Weil viele Arten empfindlich auf bestimmte Umwelt­bedingungen reagieren, können an ihren Schalen kleinste Veränderungen dieser Bedingungen abgelesen werden. Auf diese Weise kann die Klima- und Meeresforschung weit in die Erdgeschichte zurückblicken und Aufschluss über den Zustand und die Dynamik des ­Ozeans in der Vergangenheit erhalten, aber auch aktuelle Veränderungen dokumentieren.

Im Deutschen werden die Foraminiferen auch als Kammerlinge bezeichnet, weil ihre Gehäuse häufig aus mehreren, verschieden großen Kammern aufgebaut sind. Aufgrund ihrer einzigartigen Anpassung an zum Teil extreme Umweltbedingungen sind Foraminiferen nahezu überall im Ozean zu finden. Generell unterscheidet man zwischen planktischen Arten, die im Wasser treiben, und benthischen Arten, die auf oder im Meeresboden beheimatet sind. Die planktischen Arten sind zwar mengenmäßig bedeutender, aber die benthischen Foraminiferen haben eine erheblich größere Artenvielfalt. Die meisten Foraminiferen haben eine Größe von weniger als einem Millimeter. Allerdings gab und gibt es auch Arten, die deutlich größer werden. Ein Beispiel sind die bis zu faustgroßen Nummuliten. Weil Foraminiferen auch als Fossilien gut erhalten sind, werden sie für einige Erdzeitalter als so genannte Leitfossilien verwendet.

 

Stellvertretend für die große Vielfalt dieser Organismen finden Sie hier vier ausgewählte Steckbriefe von häufig in der Wissenschaft genutzten Foraminiferen.

Globigerina bulloides
Größe: 200 bis 400 Mikrometer
Form: Große Gehäuseöffnung, umgeben von vier kugelförmigen Kammern mit rauer Oberfläche, die mit Poren überzogen ist
Vorkommen: Eine der am häufigsten auftretenden Foraminiferenarten in mittleren bis hohen Breitengraden sowie in nährstoffreichen Auftriebsgebieten
Forschungsbeispiele: Rekonstruktionen der Auftriebsintensität, Indikatoren für Umweltveränderungen im Oberflächenwasser, Rekonstruktion saisonaler Temperaturschwankungen und der Karbonatchemie im Oberflächenwasser
3D-Modell von M. Kucera, MARUM
Globigerina bulloides
Globorotalia menardii
Größe: um 1000 Mikrometer
Form: Fünf bis sechs abgeflachte, im Spiralmuster angeordnete Kammern mit glatter Oberfläche, schlitzförmige Öffnung mit breiter Lippe
Vorkommen: Verbreitet in tropischen Meeren, besonders im östlichen Südatlantik, im westlichen Südatlantik seltener zu finden
Forschungsbeispiele: Schwankungen in Anzahl und Größe in verschiedenen Zeitaltern deuten auf Klimaveränderungen hin, Paläozeanographische Isotopen-Analyse
3D-Modell von M. Kucera, MARUM
Globorotalia menardii
Globigerinoides ruber
Größe: 200 bis 400 Mikrometer
Form: Große Gehäuseöffnung, umgeben von drei kugelförmigen Kammern mit rauer Oberfläche, die mit Poren überzogen ist
Vorkommen: Weltweit verbreitet in Tiefen bis 50 Meter, bevorzugt im tropischen und subtropischen ­Ozean, dort oft in Auftriebsgebieten und Meereswirbeln
Forschungsbeispiele: Rekonstruktion von Oberflächenwasser-Bedingungen wie Temperatur und Salzgehalt.
3D-Modell von M. Kucera, MARUM
Globigerinoides ruber
Uvigerina peregrina
Größe: 150-440 Mikrometer
Form: Mehrere Kammern mit ausgeprägten Graten, die in langer Form gebündelt sind
Vorkommen: Weit verbreitet, bevorzugt im südlichen Pazifik, im östlichen und ­südlichen Atlantik und im Mittelmeer in relativ flachen Meeresböden
Forschungsbeispiele: Rekonstruktion der Eigenschaften von mittlerem und Bodenwasser, Kartierung groß­räumiger Bewegungen von Wassermassen während Eis- und Warmzeiten
Foto: Nicolaas Glock / GEOMAR
Globigerinoides ruber

Warum ist die Forschung an Foraminiferen so spannend?

Foraminiferen sind für die Wissenschaft sehr interessant, weil diese Gruppe von Einzellern ein so breites Spektrum von Lebensräumen bewohnt und als kalkbildende Gruppe auf die Umweltveränderungen besonders sensibel reagiert. Aber wie entlocken Forscherinnen und Forscher den Einzellern oder ihren Kalkschalen die entsprechenden Umwelt-Informationen? Eine Möglichkeit ist es, die Zusammensetzung der einzelnen Arten in einem bestimmten Meeresgebiet genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei  wird untersucht, welche Art wie häufig in einer bestimmten Wassertiefe vorkommt. Dadurch erfährt man, in welcher Wassertiefe sich bestimmte Arten am wohlsten fühlen. Untersucht man im Folgenden Foraminiferen-Proben aus der Vergangenheit dann kann man vergleichen, ob sich die Häufigkeit von Arten verändert hat oder ob es neue gibt oder ältere Arten plötzlich nicht mehr vorkommen. Aus diesen zahlreichen Informationen kann die Forschung Rückschlüsse über die Lebensbedingungen der Foraminiferen ziehen. Das Ganze gibt dann Aufschluss über Umweltveränderungen beispielsweise im Klima oder Meeresspiegelschwankungen. Aber gibt es die Möglichkeit, diese Veränderungen noch genauer zu untersuchen?

Weitere Infos zur Forschung mit Foraminiferen am GEOMAR

 

Proxies als Schlüssel zur Vergangenheit

Die Gehäuse der Foraminiferen bestehen aus Kalziumkarbonat und speichern verschiedene Umweltfaktoren. Weil die Gehäuse abgestorbener Foraminiferen im Meeresboden häufig gut erhalten sind, stellen sie ein großes und vielfältiges Umweltarchiv dar. Um dieses Archiv indirekt über sogenannte Proxies zu entschlüsseln gibt es verschiedene Verfahren. Eine Möglichkeit ist es, stabile Sauerstoffisotope in den Schalen zu messen. Bestimmte Isotopen-Verhältnisse sagen etwas darüber aus, wie die Wassertemperatur zur Lebenszeit der Foraminifere war oder ob eine Eiszeit herrschte. Eine weitere Methode beruht auf der Messung der Elemente Magnesium (Mg) und Kalzium (Ca). Foraminiferen bauen sie in ihre Schalen temperaturabhängig ein. Bei kälteren Temperaturen wird weniger Magnesium eingebaut, bei wärmeren entsprechend mehr. Das Mg/Ca Verhältnis sagt also etwas über die Umgebungstemperaturen zu Lebzeiten der Einzeller aus – und zwar auf etwa zwei Grad genau. Diese Informationen tragen dazu bei, das Klima vergangener Zeiten zu rekonstruieren. Diese und weitere Analysemethoden ermöglichen anhand der Foraminiferen einen Blick zurück in die Geschichte der Ozeane und damit der gesamten Erde. Dieser Blick in die Vergangenheit hilft dabei, zukünftige Entwicklungen besser abzuschätzen.

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