Anwendungen

Die Bedeutung von stabilen Sauerstoff- und Kohlenstoffistopen in der Ozeanographie und Paläoklimatologie

Sedimentablagerungen auf dem Meeresboden bieten ein einzigartiges Archiv, das sowohl die kurz- als auch die langfristigen Veränderungen des Erdklimas aufzeichnet. Sie enthalten nicht nur die Informationen zu vergangen ozeanischen und atmosphärischen Zirkulationsänderungen, sondern auch zur Veränderlichkeit der chemischen Zusammensetzung von Meerwasser. Die bedeutsamsten Informationsträger für die Rekonstruktion vergangener Klimata und Zirkulationsmuster sind die stabilen Sauerstoff- und Kohlenstoffisotope (18O/16O; 13C/12C). Sie werden vornehmlich in den calcitischen Skeletten fossiler Meeresorganismen (z.B. einzelliges Zooplankton) bestimmt, die in den Sedimentablagerungen  über geologische Zeiträume erhalten bleiben. Die gemessenen Isotopenverhältnisse geben Auskunft zu vielfältigen Klima- und Ozeanvariablen, wie z.B. dem globalen Eisvolumen, Wassertemperatur, Salzgehalt, Nährstoffen und dem CO2-Gehalt des Ozeans.

Sauerstoffisotopen-Kurven als Anzeiger des globalen Klimas 

Hinweise auf Ausdehnen und Schrumpfen der polaren Eisschilde und die zeitliche Abfolge von Kalt- und Warmzeiten gibt das Verhältnis der Sauerstoffisotope 18O/16O (δ18O) in den Kalkschalen mariner Organismen. Ihre Informationen verdanken wir physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die eine Fraktionierung beider Isotope beim Durchlaufen des ozeanisch-atmosphärischen Wasserkreislaufs bewirken. Grundsätzlich werden die Isotopenvariationen von Änderungen in der isotopischen Zusammensetzung des Meerwassers und der Temperatur bestimmt. Wassermoleküle mit dem schweren Isotop 18O verdunsten langsamer von der warmen Ozeanoberfläche als Wassermoleküle, die das leichtere Isotop 16O enthalten. Beim polwärts gerichteten Transport des Wasserdampfes durch die Atmosphäre kondensieren die schwereren 18O-Wassermoleküle daher auch schneller und regnen eher ab. Die verbleibenden Wassermoleküle, die schließlich als Schnee auf die Eisschilde fallen, sind also reich an 16O. Beide Prozesse bewirken eine Anreicherung von 18O im Ozean und eine Anreicherung von 16O im Eis der Polargebiete. Mächtige Eisschilde während der Eiszeiten, die mit einer Meeresspiegelabsenkung einhergingen, führten im Ozean also zu höheren δ18O Werten. Während der letzten Eiszeit vor etwa 22.000 Jahren, als große Wassermengen in den Eiskappen gebunden waren, lag der δ18O Wert des Wassers um etwa 1.2 ‰ höher. Das entspräche einer Meeresspiegelabsenkung von ca. 120 m. Darüber hinausgehende Isotopenhübe werden im Wesentlichen auf Temperaturänderungen zurückgeführt, wobei eine Zunahme von 0.2 ‰ einer Temperaturabnahme von etwa 1°C entspricht. Messungen von Sauerstoffisotopen entlang eines Sedimentprofils liefern somit Informationen über die Klimabedingungen (Eiszeit/Warmzeit) zu Lebzeiten der marinen Organismen (siehe Abbildung, rot = Warmzeiten mit geringen Werten, blau = Kaltzeiten mit hohen Werten). 

 

 

Altersdatierung mit Sauerstoffisotopenkurven 

Die rhythmischen Schwankungen in den Sauerstoffisotopenkurven (siehe Abbildung) folgen den zyklischen Schwankungen in der Sonneneinstrahlung. Sie werden durch zyklische Veränderungen der Erdumlaufbahnparameter Exzentrizität (100.000 Jahre-Zyklus), Schiefe (41.000 Jahre-Zyklus) und Präzession (23000/19.000 Jahre-Zyklus) gesteuert. In den letzten 20 Jahren gelang es den Astronomen die zyklischen Veränderungen in der Sonneneinstrahlung mit hoher Genauigkeit für die letzten 20 Millionen Jahre zu berechnen. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Großteil der Klimavarianz in den δ18O Kurven auf periodische Schwankungen der Erdumlaufbahnparameter zurückzufuehren ist. Das ermöglichte die zeitliche Zuordnung von 18O Klimakurven zu der astronomischen Zeitskala. Da sich die "astronomische Uhr" durch eine hohe Präzision auszeichnet, wurde damit eine hohe Genauigkeit in der Altersdatierung möglich. 

 

Kohlenstoffisotope als Anzeiger von CO2 und Nährstoffen im Ozean 

Eine bedeutende Rolle in der Erklärung von Klimaschwankungen haben zweifellos die wechselnden CO2 Gehalte in der Atmosphäre durch den sogenannten Treibhauseffekt. Da der CO2 Anteil im Ozean etwa das 60fache der Atmosphäre ausmacht, können bereits kleine Änderungen im ozeanischen Kohlenstoffkreislauf beträchtliche Änderungen im atmosphärischen CO2 Gehalt hervorrufen. Einen Einblick in den Kohlenstoffkreislauf im Ozean geben die 13C/12C-Verhältnisse (δ13C) des Meerwassers. Das δ13C Muster im Weltmeer ist ein Abbild der Ozeanzirkulation, der Durchlüftung und Nährstoffkonzentrationen von Wassermassen und des CO2 Transfers zwischen Ozean und Atmosphäre. Auch hier sind es die kalkschaligen Gehaeuse mariner Organismen, die den δ13C Wert des Meerwassers zu Lebzeiten der marinen Organismen abbilden. 

Neben der Zirkulation und Vermischung von Wassermassen sind es vor allem die globalen, klimabedingten Schwankungen in der terrestrischen Biomasse, sowie in der Produktion von mariner Biomasse und ihrem Transfer in die Tiefsee, die die Variationen im δ13C des Ozeans bestimmen. Terrestrische und marine Biomasse ist mit δ13C -Werten von -18 bis -28 ‰ reich an 12C gegenüber δ13C Meerwasserwerten nahe 1 ‰. Waehrend der Kaltstadien war der Transfer von 12C -reicher Biomasse in den tiefen Ozean höher als in den Warmstadien. Im Tiefenwasser führte dies durch die Oxidation von organischem Kohlenstoff zu einem glazialen Anstieg im CO2 Gehalt, und zu niedrigeren δ13C Werten sowie zu einer atmosphaerischen CO2 Abnahme. 

Da die globalen Schwankungen im δ13C allen δ13C Kurven gleichermaßen (als Minimalausschlag) registriert werden, geben regionale Unterschiede im δ13C Wert des Tiefenwassers darüber hinaus Hinweise auf unterschiedliche Wassermassen und ihre horizontale und vertikale Ausbreitung. So wird einer Wassermasse mit zunehmender Enfernung von ihrem Bildungsort ständig leichtes 12C durch Oxidation von organischem Material zugeführt ("Alterungsprozeß"). Die δ13C Werte ermöglichten damit erstmals einen tiefen Einblick in die Geschichte der primären Wassermassen des Weltozeans, nämlich das Nordatlantische Tiefenwasser (NADW) und das Antarktische Bodenwasser (AABW). Veränderungen in den Produktionsraten dieser Wassermassen und ihrer Vermischung bestimmen letztendlich die Tiefenwasserdurchlüftung (siehe Abbildung) sowie die daran gekoppelte Nährstoffverteilung im Ozean und beeinflussen damit letztendlich den globalen CO2-Haushalt.