Algen-Aquakultur: Chancen für Küsten-Regionen in Europa und Afrika
Workshop in Kiel beschäftigt sich mit den möglichen Vorteilen der Algen-Zucht für die Meeresumwelt
13.12.2019/Kiel. Die Wechselwirkungen von Algenmonokulturen mit ihrer Umwelt und die Verwendung von Algen in der integrierten Meeresaquakultur rücken zunehmend in das Interesse der Wissenschaft, um ihren Einfluss auf die biologische Vielfalt der Meere und ökologische und biogeochemische Kreisläufe zu verstehen. Mehr Informationen über den Einfluss der Algenzucht auf die umliegenden Lebensräume und Organismen, die lokale Meeresbiogeochemie und die atmosphärische Umwelt sind dringend erforderlich.
Weitreichende Analysen über Forschungsdisziplinen hinweg und unter Beteiligung von Interessengruppen sind notwendig, um drängende Forschungsfragen zu formulieren, die die Nachhaltigkeit, das Einsatzdesign und das Erweiterungspotenzial der Makroalgenzucht betreffen. Die Algen-Aquakultur kann nicht nur eine rentable und nachhaltige Einkommensquelle, sondern auch ein Instrument zur Kohlenstofffixierung, zur Nährstoffrückgewinnung aus überdüngten Küstengewässern und zur Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen in gestörten Umgebungen sein. In diesem Zusammenhang müssen die potenziellen sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen berücksichtigt, diskutiert und weiter untersucht werden.
Am 12. und 13. Dezember haben sich zwanzig Expertinnen und Experten aus elf Ländern am GEOMAR in Kiel bei dem Zukunftsworkshop „RECOVER: Seaweed aquaculture: A promising tool for the restoration and sustainable development of coastal environments or a expensive end-of-pipe technology?“ mit diesen Fragen beschäftigt. Der Workshop wurde vom EUROMARINETWORK gefördert und gemeinsam von Dr. Birgit Quack aus der GEOMAR-Forschungseinheit Chemische Ozeanographie und von Dr. Florian Weinberger aus dem GEOMAR-Forschungsbereich „Marine Ökologie“ organisiert.
„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops brachten eine sehr breit gefächerte Expertise aus den Bereichen Meeresbiogeochemie, Makroalgenökologie und -physiologie, Plankton-, Fisch- und Küstenökologie, Ozeanographie, biogeochemische Modellierung mit. Wir hatten außerdem, Ingenieure und Algenfarmer sowie regionale Experten dabei, so dass wir das Thema wirklich von allen Seiten betrachten konnten“, betont Dr. Quack.
Die lebhafte Diskussion drehte sich um das Potenzial, die Vorteile und mögliche Hürden für die Algenaquakultur in Europa und Afrika, vor allem für die Küstensanierung und -wiederherstellung in verschiedenen Modellregionen mit unterschiedlichen Randbedingungen. Zu den Modellregionen gehörten die Bucht von Dakar, eine stark verschmutzte Umwelt mit direkter Abwasserentsorgung, Madeira, dessen Küstengewässer als gestörte Umwelt in nährstoffarmem Wasser beschrieben werden können, sowie die südwestliche Ostsee als ein durch nährstoffreiche Oberflächenabflüsse überdüngter Lebensraum.
Nach zwei intensiven Tagen, an denen die Vor- und Nachteile aus verschiedenen Blickwinkeln offen diskutiert wurden, waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, dass Algenaquakultur eine gute Maßnahme sein kann, um den Zustand von gestörten oder belasteten Küstenlebensräumen zu verbessern und sogar einen guten Zustand wiederherzustellen.
„Da aber jede Region einzigartig ist und eine Vielzahl von ökologischen und sozioökonomischen Zwängen hat, müssen die Maßnahmen individuell auf die spezifischen lokalen Ziele und Herausforderungen zugeschnitten werden“, fasst Dr. Weinberger zusammen. Topographie, Umweltbedingungen und Stressoren beeinflussen den ökologischen Effekt ebenso wie eingesetzte Arten, die räumliche Ausdehnung von Anlagen und das Timing der durchzuführenden Arbeiten. Während der Workshoptage am GEOMAR wurde ein Netzwerk von Forschern und Umweltschützern gegründet, das nun Informationen für die Durchführung von Pilotversuchen in den drei Beispielregionen zusammenstellt.