Auf Biegen und Brechen
27.1.2009, Kiel - Was tief unter unseren Füßen, viele Kilometer unter dem Erdboden geschieht, bleibt uns verborgen. Doch auch in solchen Tiefen sind die Gesteine oft in Bewegung. An der Oberfläche registrieren wir dies in Form von Erdbeben. Neue Ergebnisse deutscher und norwegischer Wissenschaftler aus Münster, Kiel und Oslo zeigen, wie solche Beben stehen. Die Studie ist in der Onlineausgabe der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht.
Auch Meeresforscher, wie der Kieler Geologe Prof. Dr. Lars Rüpke vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), brauchen für ihre Untersuchungen manchmal nicht aufs Meer hinausfahren. Sie untersuchen die Erdbebenaktivität an den Grenzen der tektonischen Erdplatten der Erde, insbesondere dort, wo eine schwere ozeanische Platte unter eine leichte kontinentale gedrückt und aufgeschmolzen wird. Dieser Prozess an den sogenannten Subduktionszonen verläuft selten reibungsfrei, immer wieder kommt es zu Erdbeben. Dabei unterscheidet man „flache“ Erdbeben in Tiefen von bis zu 50 Kilometern und solche, die ihren Ursprung in großen Tiefen von bis zu mehreren hundert Kilometern Tiefe haben.
„Die Ursachen ‚flacher’ Erdbeben sind schon sehr gut verstanden“, erläutert Prof. Rüpke, Leiter der Arbeitsgruppe „Ressourcen am Meeresboden“ des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“. „Was in großen Tiefen geschieht ist hingegen unklar. Da der Druck mit der Tiefe zunimmt, verhalten sich Gesteine dort eher plastisch und nicht spröde“, so Rüpke weiter. Doch wie kann es in einer „zähen“ Masse zu Erdbeben kommen?
Gemeinsam mit seinen Kollegen am Exzellenzzentrum „Physics of Geological Processes“ in Oslo hat Rüpke in einer Kombination von Gelände- und Laborarbeit mit numerischen Computersimulationen Gesteine aus dem küstennahen Gebiet Norwegens eingehend untersucht. Dort haben gebirgsbildende Prozesse Gesteine aus großen Tiefen an die Oberfläche befördert. „Dabei zeigte sich, dass die Ursache von tiefen Erdbeben in vielen Fällen durch sogenannte Schererwärmungen des Gesteins erklärt werden kann“, erläutert der Hauptautor der Studie, Dr. Timm John der jetzt an der Universität Münster arbeitet. „In einem sich selbst verstärkenden Prozess aus Deformation und Erwärmung wird das Gestein schließlich entlang einer sehr dünnen Zone so heiß, dass es zu schmelzen beginnt. Dort entlädt sich dann die ganze im Gestein gespeicherte Spannung – es kommt zum Erdbeben“, erläutert John weiter.
Durch die gewonnenen Erkenntnisse können nun die hohe Anzahl von Erdbeben mit tiefen Epizentren an tektonischen Plattengrenzen erklärt werden.
Hintergundinformation:
John, T., S. Medvedev, L.H. Rüpke, T. B. Andersen, Y. Y. Podladchikov and H. Austrheim, 2009: Generation of intermediate-depth earthquakes by self-localizing thermal runaway. Nature Geoscience, 2, doi:10.1038/ngeo419.
Kontakt:
Dr. Andreas Villwock (Öffentlichkeitsarbeit GEOMAR), Tel.: 0431 600-2802, avillwock@geomar.de
Friederike Balzereit (Öffentlichkeitsarbeit Exzellenzcluster Ozean der Zukunft), Tel.: 0431-880-3032, fbalzereit(at)email.uni-kiel.de