Auf Kurs für eine gesündere Ostsee
Statement des GEOMAR zum Aktionsplan Ostseeschutz 2030
Der am Dienstag von Ministerpräsident Daniel Günther und Umweltminister Tobias Goldschmidt vorgestellte „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ gibt den Kurs der Landesregierung für eine gesündere, sauberere und artenreichere Ostsee vor. Geplant sind unter anderem ein strenger Schutz für 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee und striktere Regelungen für bestehende „Natura 2000“-Gebiete, gezielte Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt, weitere Schritte zur Reduzierung der Nährstoffeinträge von Land sowie aktive und finanzielle Beiträge zur Munitionsbergung. Ebenfalls im Aktionsplan enthalten sind ein Programm zur Umweltbildung sowie Ansätze zur Einbindung aller wichtigen Akteur:innen und zur wissenschaftlichen Begleitung der Umsetzung.
„Wir begrüßen die weitreichenden Planungen und tragen sehr gern weiterhin unser Wissen und unsere Erfahrung zum Schutz des Meeres vor unserer Haustür bei“, betont Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Mitglied im Vorstand der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). „Die Ostsee zeigt schon jetzt viele Veränderungen, die anderen Meeresregionen im Zuge des Klimawandels und aufgrund anderer menschlicher Einflüsse noch erst bevorstehen. Der jetzt vorgestellte Aktionsplan hilft, ihren Zustand zu verbessern und zu erhalten. Die erfolgreichen Schutzmaßnahmen in Schleswig-Holstein könnten dann auch anderen Ländern als Beispiel dienen.“
Für die Umsetzung empfehlen die Forschenden insbesondere, die Einhaltung der Schutzregeln effektiv zu kontrollieren. Um Erfolge der geplanten Maßnahmen zu messen und gegebenenfalls nachjustieren zu können, sollte nun der Ist-Zustand gezielter erfasst und das bestehende wissenschaftliche Monitoring konsequent verbessert werden. Verschiedene Forschungsaktivitäten auch in den Schutzgebieten sind essentiell um aktuelle Wissenslücken zu schließen und die Grundlagen für effektive Schutzmaßnahmen kontinuierlich zu stärken.
„Ein erfolgreicher Ostseeschutz erfordert gemeinsame Anstrengungen und eine kluge Abwägung unterschiedlichster Interessen“, so Professorin Matthes. „Die Wissenschaft kann wichtige Hinweise für den Schutz und die nachhaltige Nutzung beisteuern und eine stetige Steigerung unserer gemeinsamen Ambitionen unterstützen. Wir alle kennen den Wert der Ostsee – und den wollen wir bewahren helfen.“
Mit den monatlichen Messungen an der Station Boknis Eck am Eingang der Eckernförder Bucht hat das GEOMAR Veränderungen in der Ostsee seit mehr als 65 Jahren im Blick. Seit Beginn dieser Zeitserie ist die Temperatur dort in einem Meter Tiefe bereits um zwei Grad Celsius angestiegen. Und obwohl die Nährstoffeinträge langsam sinken, werden Phasen mit extremer Sauerstoffarmut häufiger und länger. „Unsere Zeitserie belegt eindeutig, wie stark wir Menschen unser Binnenmeer beeinflussen. Wir haben hier den Finger am Puls des Patienten Ostsee“, erklärt Dr. Helmke Hepach, Umweltwissenschaftlerin am GEOMAR. „Daher stellen diese Informationen auch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Aktionsplans dar. Sie könnten auch zukünftig ins Monitoring einfließen. In unserer Forschung werden wir Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz für das Ergreifen effektiver Schutzmaßnahmen erproben und deren Umsetzbarkeit gemeinsam mit Stakeholdern aus der Region erarbeiten.“
Auch die regelmäßigen Expeditionen des GEOMAR und verschiedener Partner-Einrichtungen mit dem Forschungsschiff ALKOR tragen zu integrativen Langzeitdatenreihen zum Zustand der Ostsee bei. Zweimal jährlich erfassen Forschende die Entwicklung wichtiger Fischbestände wie Dorsch und Hering samt deren Lebensgrundlagen. „Wir sehen deutlich, wie eine Kombination von Stressfaktoren Fischbestände und Ökosysteme in der Ostsee bedroht. Für ihre Wiederherstellung ist es wichtig, das gesamte Nahrungsnetz zusammen mit den Umweltbedingungen zu betrachten“, sagt Dr. Jan Dierking, Meeresbiologe am GEOMAR und Fellow der Björn Carlsons Ostseestiftung. „Modellsimulationen des GEOMAR nutzen diese umfangreiche Datengrundlage dann, um Lösungswege aufzeigen – auch für politische Entscheidungsprozesse wie zum Ostseeschutz.“
Zur Wiederherstellung der Artenvielfalt tragen auch die Renaturierung und der Schutz von Seegraswiesen bei, die im Aktionsplan vorgesehen sind. Gleichzeitig helfen sie dem Meer, Kohlendioxid zu speichern und Krankheitserreger aus dem Wasser zu filtern. „Das GEOMAR beteiligt sich an verschiedenen Projekten zur Renaturierung von Seegraswiesen und untersucht genetische Grundlagen für die Fähigkeiten zur Anpassung an den Klimawandel“, erklärt Professor Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am GEOMAR. „Mit dem Wissen darüber, wo in der Ostsee Seegraswiesen, Muschelbänke, Steinriffe und andere Strukturen Artenvielfalt fördern, können Schutzgebiete effektiv zugeschnitten werden. Wichtig wäre jedoch, die Schutzgebiete zu vernetzen und dabei eine internationale Perspektive einzunehmen.“
Eine führende Rolle besitzt das GEOMAR auch in der Forschung zu Munitionsaltlasten in der Ostsee. Mehrere Projekte tragen zum dringend nötigen Fortschritt bei. Seit 2016 werden Möglichkeiten untersucht, um Munition am Meeresboden aufzufinden und zu kartieren. Aktuelle Projekte konzentrieren sich auf Wege für eine gefahrlose Bergung und Vernichtung. „Dank des Sofortprogramms der Bundesregierung und der Beiträge des Landes Schleswig-Holstein können wir noch in diesem Jahr aktiv werden“, sagt Professor Dr. Jens Greinert, Leiter der Arbeitsgruppe Tiefseemonitoring am GEOMAR und Leiter des Forschungsverbunds CONcepts for conventional MArine Munition Remediation in the German North and Baltic Sea (CONMAR, Konzepte zur Sanierung konventioneller Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee) in der Forschungsmission „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ (sustainMare) der Deutschen Allianz Meeresforschung. „Im Rahmen von CONMAR begleiten wir die Räumung und verfeinern unser Wissen über das Monitoring von Umwelteinflüssen. Auf dieser Grundlage können dann im Dialog mit Politik und Wirtschaft Konzepte für großflächigere Einsätze entwickelt werden. Direkte Untersuchungen sowie unter anderem biologische und chemische Analysen werden parallel und für das Sofortprogramm durchgeführt. Dadurch gewinnen wir die nötigen Daten um eine gute Aussage über die Umwelteinflüsse während und nach einer größeren Munitionsbergung machen zu können.“