Algenfarm in Rongcheng (China). Foto: Florian Weinberger/GEOMAR
Algenernte auf einer Algenfarm in Rongcheng (China). Foto: Florian Weinberger/GEOMAR

Biologischer Pflanzenschutz in Meeresalgenkulturen

Krankheiten können ohne Chemie wirksam bekämpft werden

08.01.2019/Kiel/Qingdao. Der Anbau von Pflanzen in Monokulturen birgt nicht nur an Land ein erhöhtes Risiko bei Ausbruch von Krankheiten oder Befall von Schädlingen. Auch bei der Algenzucht im Meer stellt dies ein erhöhtes Risiko dar. Ein deutsch-chinesisches Team von Forschenden hat in Kooperation mit in der Algenzucht aktiven Unternehmen einen biologischen Pflanzenschutz entwickelt, der sehr wirksam vor bestimmten Krankheitserregern schützt. Die Ergebnisse der Studie, die vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wurde, sind jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Journal of Applied Phycology erschienen.

Die Aquakultur von Meeresalgen wird weltweit stetig intensiviert. Der größte Produzent von Lebensmittelalgen ist traditionell China, wo besonders Braunalgen der Art Saccharina japonicain in ausgedehnten Meeresfarmen gezüchtet werden. Aber auch in vielen anderen Ländern wurde in den letzten Jahrzehnten die kommerzielle Aquakultur von Seetang erprobt und etabliert. In Deutschland und seinen Nachbarländern wird hierfür der in Europa einheimische Zuckertang Saccharina latissima genutzt. Ähnlich wie Landpflanzen sind auch Meeresalgen anfällig für Krankheiten und Parasiten. Krankheitsausbrüche können nicht nur in natürlichen Populationen, sondern besonders auch während des Anbaus im Meer auftreten, was dann zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen kann. Gerade die jüngste Intensivierung des Algenanbaus in größeren Monokulturen hat schon zu einigen katastrophalen Krankheitsausbrüchen geführt, und dies gilt auch für die Saccharina-Aquakultur. Dabei sind die Algen nicht nur durch bakterielle Krankheitserreger und parasitische Mikroalgen, sondern außerdem auch noch durch diverse Aufwuchsorganismen – beispielsweise Seepocken oder epiphytische Algen - bedroht, die die Oberflächen der Tange besiedeln und dadurch ihr Wachstum und ihren Marktwert vermindern. 

Angesichts dieser Risiken müssen wirksame Gegenmaßnahmen entwickelt werden. Ansätze, die auf der gezielten Anwendung von Bioziden basieren und in der Landwirtschaft erfolgreich zur Bekämpfung von Pilzen und anderen Schadorganismen eingesetzt werden können, sind für Algenkulturen kaum geeignet. Die Wirkstoffe werden zu schnell durch Wellen und Strömungen im Meer verdünnt, was den Einsatz solcher giftigen Verbindungen unwirtschaftlich macht und zugleich die Küstenumwelt gefährdet.  

Eine kürzlich von Wissenschaftlern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Ocean University of China in Qingdao durchgeführte Untersuchung hat nun erstmalig getestet, ob die gezielte Aktivierung der natürlichen Eigenabwehr von Seetang, eine Alternative zum Einsatz von giftigen Bioziden sein könnte. In einem vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt führten die Wissenschaftler Feldversuche in kommerziell betriebenen Algenfarmen in Deutschland (Partnerunternehmen: Coastal Research and Management in Kiel) und in China (Partnerunternehmen: Weihai Changqing Ocean Science & Technology Co. Ltd. in Rongcheng) durch, in denen die Immunabwehr der Algen gezielt stimuliert wurde. Um diesen Effekt zu erzielen, wurden die Algen in verschiedenen Zeitintervallen mit einem speziellen Saccharid (Oligoalginat) behandelt, das einen Hauptbestandteil der Trockenmasse von Saccharinaund verwandten Algen bildet. Unter natürlichen Bedingungen wird dieses ungiftige Saccharid bei Angriffen von Krankheitserregern aus dem befallenen Algengewebe freigesetzt und dann von benachbarten gesunden Algenzellen mit großer Empfindlichkeit erkannt. Diese Erkennung löst dann sofort – innerhalb von Minuten - Abwehrreaktionen aus. 

Durch wöchentliche kurzzeitige Behandlung der Algen mit Seewasser, das künstlich gewonnenes Oligoalginat enthielt, konnten die Kieler Forscher gemeinsam mit ihren chinesischen Kollegen Angriffe von Krankheitserregern simulieren und so, sowohl bei der deutschen als auch bei der chinesischen Algenart, positive Effekte erzielen. Der Verlust von Algenkeimlingen war messbar geringer, der Befall erntereifer Saccharinamit parasitischen Mikroalgen ging deutlich zurück und auch die Dichte von Bakterien auf der Algenoberfläche war reduziert.  

Zugleich kam es aber auch zu einer Zunahme des Befalls der Algen mit Seepocken und anderen Aufwuchsorganismen. Wie der Leiter des Projektes, Dr. Florian Weinberger vom GEOMAR, erklärte, steht dieser unerwünschte Nebeneffekt wahrscheinlich direkt mit der Reduktion des bakteriellen Bewuchses auf der Algenoberfläche in Zusammenhang: Die Besiedlung von Algen und anderen lebenden und nichtlebenden Oberflächen im Meer durch Aufwuchsorganismen wird maßgeblich durch Bakterien beeinflusst, von denen einige Abwehrstoffe gegen Larven und Algensporen produzieren. „Wenn es uns eines Tages, gelingt Signalstoffe zu finden, die selektivere Abwehrreaktionen in den Algen auslösen, so dass nicht alle, sondern nur die unerwünschten Mikroorganismen eliminiert werden, kann die Methode noch deutlich hilfreicher sein. Aber schon heute lässt sie es zu, Verluste von Keimlingen zu reduzieren. Bei diesen spielt Aufwuchs nämlich noch keine Rolle.“ sagt Dr. Weinberger.

 

Originalarbeit:

Wang, G., L. Chang, R. Zhang, S. Wang, X. Wie, E. Rickert, P. Krost, L. Xiao, and Florian Weinberger, 2019: Can targeted defense elicitation improve seaweed aquaculture? Journal of Applied Phycology, https://doi.org/10.1007/s10811-018-1709-6

 

Bildmaterial in höherer Auflösung:

Algenfarm in Rongcheng (China). Foto: Florian Weinberger/GEOMAR

Algenernte auf einer Algenfarm in Rongcheng (China). Foto: Florian Weinberger/GEOMAR

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Algenfarm in Rongcheng (China). Foto: Florian Weinberger/GEOMAR
Algenfarm in Rongcheng (China). Foto: Florian Weinberger/GEOMAR
Algenernte auf einer Algenfarm in Rongcheng (China). Foto: Florian Weinberger/GEOMAR
Algenernte auf einer Algenfarm in Rongcheng (China). Foto: Florian Weinberger/GEOMAR