Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht das GEOMAR
Das deutsche Staatsoberhaupt lernte herausragende Forschungsarbeiten und Angebote für Schulen kennen
„Mit unserer Forschung und unserem Engagement im Transfer von Wissen und Technologie tragen wir am GEOMAR zum Erhalt der Funktion und zum Schutz des Ozeans für folgende Generationen bei. Daher freuen wir uns außerordentlich über das fortgesetzte Interesse des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und seinen heutigen Besuch. Die wissenschaftliche Forschung geht bei uns Hand in Hand mit der Förderung im Schulbereich und Beiträgen zum gesellschaftlichen Diskurs oder der politischen Entscheidungsfindung“, sagt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Darüber hinaus erfüllt es uns mit Stolz, unseren im Mai eingeweihten Neubau zu zeigen, der nun alle vier Forschungsbereiche des GEOMAR, Verwaltung und zentrale Einrichtungen an einem Standort vereint. Mit moderner Infrastruktur und zahlreichen Orten für den wissenschaftlichen Austausch fördert er die Exzellenz der Arbeit am GEOMAR.“
„Hier in Kiel muss man die Menschen nicht davon überzeugen, wie wichtig Meeresforschung ist“, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er sei gekommen, um zu sehen, wie der Neubau die verschiedenen Standorte des GEOMAR zusammenführt und auf diese Weise die Forschungsbedingungen noch verbessert. Seine Reisen ins Ausland haben ihm außerdem gezeigt, wie wichtig die Kooperationen des GEOMAR in Westafrika und Cabo Verde seien. „Ich freue mich darüber, dass Forschung hier betrieben wird – und ich freue mich auch darüber, wie Nachwuchsförderung hier stattfindet“, so Steinmeier weiter. „Schülerinnen und Schüler aus den umliegenden Schulen hier in Kiel, die sich an kleineren Forschungsprojekten beteiligen und das offensichtlich mit Lust, Neugier und Ehrgeiz. Die Gespräche haben mir gezeigt, dass viele, die hier eine Weile mitgearbeitet und mitgeforscht haben, sich durchaus auch vorstellen können, einen Studiengang im naturwissenschaftlichen Bereich zu gehen. Und das sind genau die jungen Menschen, die man in Zukunft hier am GEOMAR braucht.“
Im Oktober 2023 hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rahmen eines Staatsbesuchs auf Cabo Verde bereits das Ocean Science Centre Mindelo (OSCM) kennen gelernt, welches das GEOMAR seit 2017 auf der Insel São Vicente gemeinsam mit dem kapverdischen Instituto do Mar (IMar) betreibt. Heute informierte er sich bei einem Rundgang in Begleitung von Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, durch den kürzlich eingeweihten GEOMAR-Neubau auf dem Seefischmarkt am Kieler Ostufer über aktuelle Forschungsthemen.
Forschung auf Cabo Verde und das Projektvorhaben FUTURO
Bei dem Besuch gab es auch ein Wiedersehen mit den Kieler Forschenden, die die Zusammenarbeit mit Westafrika von Cabo Verde aus weiter vorantreiben und mit dem Projektvorhaben „Die Zukunft der Auftriebsgebiete im tropischen Atlantischen Ozean“ (Future of Tropical Upwelling Regions in the Atlantic Ocean, FUTURO) internationale Maßstäbe setzen. FUTURO bringt unterschiedlichste wissenschaftliche Disziplinen zusammen, um neue Erkenntnisse zu Veränderungen in dem sowohl global als auch regional wichtigen Meeresgebiet zu gewinnen. Es ist bisher für rund ein Viertel des globalen Fischfangs verantwortlich und sichert somit die Ernährungssicherheit vieler Menschen. Das in FUTURO erzeugte Wissen soll Entscheidungsträger:innen helfen, ein nachhaltiges Management für dieses bedeutsame Ökosystem aufzubauen.
Das GEOMAR verbindet seit nahezu 20 Jahren eine enge Kooperation mit Forschungs- und Bildungseinrichtungen der Republik Cabo Verde. Auch mit Politik und Gesellschaft in der Region findet ein reger Austausch statt. Auf dem Archipel wird sichtbar, wie der Ozean unser Klima beeinflusst, uns ernährt und Existenzen sichert – und wie er bereits durch den Klimawandel beeinflusst wird. Das Küstenauftriebsgebiet bei den Kapverden gehört zu den biologisch produktivsten und artenreichsten Regionen des Weltozeans. Es ist von höchster ökologischer und sozioökonomischer Bedeutung und steht daher auch im Fokus der Forschung des GEOMAR.
Die Ostsee als Zeitmaschine und Potenzial für die Renaturierung von und Seegraswiesen
Dass zusätzlich zum intensiven internationalen Engagement regionale Themen eine wichtige Rolle spielen, zeigte der Blick auf die Forschung des GEOMAR in der Ostsee. Das Meer dient der Wissenschaft als „Zeitmaschine“: Hier sind schon jetzt viele Veränderungen zu beobachten, die anderen Regionen noch bevorstehen. So ist zum Beispiel an der Langzeit-Beobachtungsstation „Boknis Eck“ in der Eckernförder Bucht die Temperatur in einem Meter Tiefe seit Beginn der Messungen vor mehr als 65 Jahren bereits um zwei Grad Celsius angestiegen. Und obwohl die Nährstoffeinträge langsam zurückgehen, werden Phasen extremer Sauerstoffverarmung häufiger und länger.
Neben Auswirkungen des Klimawandels und weiterer menschlicher Einflüsse untersuchen Forschende in der Ostsee auch marine Ansätze zur Kohlendioxid-Speicherung. Die Renaturierung von Seegraswiesen gilt dabei als eine von mehreren Maßnahmen – verbunden mit vielseitigen Zusatznutzen. Neben ihrer Bedeutung für die Kohlendioxid-Speicherung schützen sie Küsten, indem sie Wellen ausbremsen und den sandigen Untergrund mit ihren Wurzeln festhalten. Sie bieten vielen Meerestieren Schutz und Nahrung und stärken auf diese Weise die Artenvielfalt des Meeres. Außerdem können sie Krankheitserreger aus dem Wasser filtern.
In der deutschen Ostsee gibt es derzeit nur noch weniger als 300 Quadratkilometer Seegraswiesen. Etwa 60 Prozent der Anfang des 19. Jahrhunderts noch von Seegras bewachsenen Fläche ist bereits verlorengegangen. Weltweit könnten diese Ökosysteme jedoch ungefähr 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zusätzlich speichern. Diese Menge entspricht ungefähr dem, was der Verkehrssektor in Deutschland derzeit an Treibhausgasen ausstößt.
Damit sich eine Renaturierung langfristig auswirkt, versuchen Forschende, Pflanzen mit Genen heranzuzüchten, die auch höheren Temperaturen standhalten. Die derzeit in der Ostsee verbreiteten Populationen sterben ab, wenn das Wasser über längere Zeit 25 Grad Celsius übersteigt. Diese Zusammenhänge erforscht auch ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes Projekt am GEOMAR.
Von der Nähe zur Ostsee und der unmittelbaren Lage an der Schwentine, wenige hundert Meter von der Mündung des Flusses in die Kieler Förde entfernt, profitieren auch die Schulprogramme des GEOMAR. Schüler:innen des Freitags-Forschungs-Club, einem Angebot für besonders interessierte Jugendliche, zeigten dem Bundespräsidenten etwa ihre Projekte zur Bestimmung von Plankton oder zur Messung von Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft. Neben diesem Angebot existieren am GEOMAR seit 2004 Projektkooperationen mit Schulen und Jugendlichen in Form von Projekttagen, Ferienschulen oder Fortbildungen für Lehrkräfte zu meeres- und klimarelevanten Themen.
Tiefseeschutz und Tiefseebergbau
Zum Abschluss des Besuchs konnte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von den wichtigen Beiträgen des GEOMAR zum Diskurs über Tiefseebergbau und den Schutz der Tiefsee überzeugen. Im Zuge der Entwicklung „grüner Technologien“ zeichnet sich eine steigende Nachfrage nach speziellen Metallen und Metalloiden ab, die auch am Boden der Tiefsee lagern. Beispielsweise kommen Mangan, Kupfer, Nickel und Kobalt in polymetallischen Knollen vor, deren größtes Vorkommen in der Clarion-Clipperton-Zone im Nord-Ost-Pazifik bekannt ist. Dort verfügt die Bundesrepublik Deutschland über ein Lizenzgebiet zur Erkundung. Auch der Einsatz eines prototypischen Kollektor-Fahrzeugs wurde dort unter wissenschaftlicher Begleitung bereits erprobt. Um Fragen nach einer sicheren, umweltverträglichen und nachhaltigen Nutzung besser beantworten zu können, bringen Forschende des GEOMAR ihre Ergebnisse auch in Verhandlungen und Prozesse bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) ein und beraten die Politik in Fragen des Tiefseeschutzes.
„Der Austausch mit dem Bundespräsidenten über einige besonders wichtige Forschungsaspekte und Transfer-Themen des GEOMAR war sehr wertvoll“, bilanziert Professorin Dr. Katja Matthes. „Diese Aufmerksamkeit spornt uns an, unsere Mission weiter zu verfolgen und über unsere zahlreichen wissenschaftlichen Kooperationen hinaus den Dialog mit Politik und Gesellschaft weiter zu intensivieren.“