Daten angeln für die Wissenschaft
Neues Projekt bindet Segler:innen auf der Ostsee in die Forschung ein
- Gemeinsame Pressemitteilung von Trans-Ocean – Verein zur Förderung des Hochseesegelns e.V. und des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel -
Wie viel Sauerstoff enthält die Ostsee in verschiedenen Wassertiefen? Wie verändern sich die Konzentrationen dieses lebensspendenden Gases im Laufe des Sommers? Um möglichst genaue Antworten auf diese Fragen zu erhalten und Auswirkungen des Sauerstoffmangels auf das Leben in der Ostsee besser abschätzen zu können, lädt das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel in Partnerschaft mit dem Trans-Ocean – Verein zur Förderung des Hochseesegelns e.V. Segler:innen zum Datenangeln ein. Das neue gemeinsame Projekt „Citizen Science: Sailing for Oxygen“ wird für drei Jahre mit rund 150.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Es ist das erste Citizen Science-Projekt, das einer Vielzahl von Segler:innen die Teilnahme ermöglicht. GEOMAR verantwortet dabei die technische und wissenschaftliche Konzeption sowie die Datenanbindung und -auswertung. Trans-Ocean e.V. übernimmt die Aktivierung und Koordination von Segler:innen und bindet weitere Vereine ein.
Die Beteiligung an der Bürger:innen-Wissenschaft unter Segeln ist unkompliziert: Registrierte Crews erhalten in ausgewählten Häfen in der südlichen Ostsee eine einfache Sonde, die Sauerstoff, Salzgehalt, Temperatur und Messtiefe erfasst. Die Sonde wird bei aufgestoppter Fahrt oder beiliegend mit einer Hochsee-Angelrute tief ins Wasser gelassen und über eine App per Mobiltelefon gesteuert. Nach dem Aufholen werden die gemessenen Daten zusammen mit dem Standort über das Mobiltelefon verschickt, in Echtzeit im Daten-Portal BELUGA online sichtbar gemacht und einer Qualitätskontrolle unterzogen. Entsprechend der FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, Re-usable – Auffindbar, Zugänglich, Interoperabel, Wiederverwendbar) stehen sie allen Interessierten zur Verfügung. Forschende des GEOMAR werden sie unter anderem nutzen, um Zufuhr und Verlust von Sauerstoff abzuschätzen und Risiken für Fische und andere Lebewesen zu erkennen. Diese Informationen sind auch für ein angepasstes Fischereimanagement relevant.
„Der Ozean ist in vielerlei Hinsicht wichtig für unser Leben auf diesem Planeten: Er steuert das globale Klima und versorgt uns mit Nahrungsmitteln, Materialien, Energie, Transportmitteln und Erholungsmöglichkeiten. Und dennoch ist er unzureichend beprobt. An vielen Orten fehlen uns Daten aus direkter Ozeanbeobachtung“, erklärt Dr. Tanhua, chemischer Ozeanograph am GEOMAR und Leiter von „Citizen Science: Sailing for Oxygen“. „Mit unserem Projekt sammeln wir wichtige Informationen zum Zustand der Ostsee – und zwar gemeinsam mit denjenigen, die dieses Revier kennen und schätzen. Durch die aktive Beteiligung von Segler:innen teilen wir unser Wissen miteinander, sensibilisieren für Themen des Meeresschutzes und des Klimawandels und eröffnen der Allgemeinheit Möglichkeiten, sich in die Wissenschaft einzubringen.“
„Wir Segler:innen sind dem Meer besonders verbunden und erleben auf unseren Reisen die Veränderungen hautnah. Viele möchten sich für den Meeres- und Klimaschutz engagieren und wir laden alle ein, das Projekt zu unterstützen“, sagt Marcus Warnke, Vorsitzender des Trans-Ocean e.V. „Die Idee, gemeinsam für die Forschung aktiv zu werden, entstand vor gut einem Jahr, und wir freuen uns, dass wir so schnell mit diesem ersten Projekt starten können. Als Verein, dessen Mitglieder auf allen Weltmeeren und auch in extremen Revieren unterwegs sind, und mit unseren 175 Stützpunkten weltweit, sehen wir viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit der Wissenschaft.“
Mehrere Projekte haben bereits gezeigt, dass kommerzielle und private Schiffe die Forschung hervorragend unterstützen können. So laufen in Zusammenarbeit mit dem GEOMAR bereits Messungen zum Kohlendioxid-Gehalt an Bord von Frachtschiffen. Auch Rennyachten der weltumspannenden Regatta "The Ocean Race" sind mit Messeinheiten ausgerüstet, die vom GEOMAR mit entwickelt wurden. „Unsere Zusammenarbeit mit dem Segelsportler Boris Herrmann und seinem Team auf der Malizia Seaexplorer hat uns motiviert, jetzt eine größere Öffentlichkeit einzubinden“, berichtet Dr. Tanhua. „Deswegen sind wir besonders stolz darauf, den Startschuss für unser neues Projekt beim Fly-By des Ocean Race in Kiel geben zu können.“
Im gemeinsamen Zelt mit dem Team Malizia und weiteren Partnern im Ocean Live Park an der Kiellinie stellen GEOMAR und Trans-Ocean e.V. ihr Projekt vor. Segler:innen können sich dort für die Erprobungsphase und die breitere Umsetzung in der kommenden Saison anmelden. Den Startschuss für das Projekt „Citizen Science: Sailing for Oxygen“ geben Dr. Toste Tanhua und Marcus Warnke beim „Fly-By Panel“ am 9. Juni 2023, 12 bis 13:30 Uhr im Conference Center auf dem Veranstaltungsgelände.
Das Projekt „Citizen Science: Sailing for Oxygen” trägt auch zur Dekade der Meereswissenschaften für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und den Dekaden-Projekten Global Ocean Oxygen Decade (GOOD) und Ocean Decade Odyssey sowie dem Global Ocean Observing System (GOOS) bei. Zudem werden die Daten in das Dekaden-Programm Digital Twins of the Ocean (DITTO) eingespeist.
Hintergrund: Trans-Ocean – Verein zur Förderung des Hochseesegelns e.V.:
Trans-Ocean – Verein zur Förderung des Hochseesegelns e.V. wurde 1968 gegründet, um Teilnahmen an Hochseeregatten zu ermöglichen. Heute befähigt, motiviert und vernetzt der Verein zudem Blauwasser- und Langfahrtsegler und unterstützt sie mit fast 200 ehrenamtlichen Stützpunkten weltweit. Mit rund 4.700 Mitgliedern (Deutschland, Österreich, Schweiz und international) und mehr als 2.200 Yachten unter seinem Stander gehört der Verein zu den größten Segelvereinen im deutschsprachigen Raum. Der jährlich vergebene Trans-Ocean Preis gilt als einer der national und international renommiertesten Preise für besondere Leistungen im Hochseesegeln.