Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert
Seit 1957 werden bei Boknis Eck monatlich Daten zum Zustand der Ostsee gesammelt. Damit ist die Messstation am Ausgang der Eckernförder Bucht eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit und ein wichtiger Bestandteil der internationalen Meeresforschung.
Sechzig Jahre lang erfolgten die Messungen von Forschungsschiffen aus, und auch heute macht sich noch jeden Monat eine kleine Crew von Wissenschaftler:innen mit der FK LITTORINA von Kiel aus auf den Weg nach Boknis Eck, um mit dem Kranzwasserschöpfer Wasserproben aus verschiedenen Wassertiefen zu nehmen und diese anschließend im Labor zu analysieren. Gemessen werden zum Beispiel Temperatur und Salzgehalt, Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentration. Die Datenreihen sind von unschätzbarem Wert für die Forschung und helfen dabei, langfristige Umweltveränderungen im Ozean zu erkennen.
Diskrete und kontinuierliche Datensammlung
„Diese Methode nennt man diskrete Datensammlung“, erklärt Dr. Helmke Hepach, Umweltwissenschaftlerin am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und seit Dezember 2021 zuständig für die Messstation Boknis Eck. „Die Daten sind eine Grundlage für die Untersuchung der komplexen ökologischen Zusammenhänge.“ Im Jahr 2016 wurde die Datensammlung auf ein neues Level gehoben: In enger Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon und dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) wurde ein fest auf dem Meeresboden installiertes Unterwasser-Observatorium in rund 15 Metern Tiefe installiert. Die Finanzierung übernahm das Hereon, betreut und betrieben wurde es vom GEOMAR. Das Observatorium bestand zunächst aus zwei tischgroßen Gestellen, die im Januar 2019 durch einen acht Meter hohen Turm ergänzt wurde. Dieser so genannte Messknoten enthielt Sensoren, die neben den anderen Parametern auch Strömungsgeschwindigkeit und -richtung aufzeichneten. Helmke Hepach: „Durch das Observatorium hatten wir erstmals die Möglichkeit, kurzfristige Veränderungen oder dynamische Prozesse wie die Auswirkungen von Stürmen oder die Entstehung von Sauerstoffminimum-Ereignissen hochaufgelöst zu dokumentieren.“
Observatorium verschwindet 2019
Doch am 21. August 2019 hörte das Unterwasserobservatorium plötzlich auf, Daten zu senden. Professor Dr. Hermann Bange, als Leiter der Arbeitsgruppe Biogeochemie der Spurengase am GEOMAR Koordinator von Boknis Eck, vermutete zunächst einen technischen Defekt. Was dann aber die eingesetzten Taucher vorfanden, stellte sich als weit dramatischer heraus: Das Stromkabel war abgerissen, und zwei der drei Gestelle spurlos verschwunden. Nur der acht Meter hohe Turm war noch an seinem Platz.
„Wir standen vor einem Rätsel“, erinnert sich Bange. Trotz intensiver Suche, auch mit Hilfe der Polizei und weiterer Forschungsschiffe, konnte nur eines der beiden verschwundenen Gestelle im Februar 2020 geborgen werden. Es lag stark beschädigt etwa 200 Meter nordnordöstlich seiner ursprünglichen Position. Der Verbleib des zweiten Gestells ist bis heute ungeklärt. „Das war ein herber Verlust“, sagt Bange, „nicht nur die Geräte, sondern auch wertvolle Daten für die Zeitreihenforschung sind verloren gegangen.“
2024: Ein neuer Messknoten für Boknis Eck
Nach dem Verlust des Observatoriums wurde gemeinsam mit Hereon und AWI ein Ersatzsystem entwickelt: Ein gebrauchtes Unterwasserobservatorium von Professor Dr. Philipp Fischer (AWI) aus Helgoland wurde für die speziellen Anforderungen von Boknis Eck umgebaut, mit modernsten Sensoren ausgestattet und umfassend getestet. Auch ein neues Unterwasserkabel wurde verlegt. Heute wurde der neue Messknoten von der FS ALKOR aus an seine Position gebracht und mit Hilfe von Forschungstaucher:innen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel auf dem Meeresgrund verankert.
„Sobald die Datenübertragung steht, können wir endlich wieder Datensätze aus der kontinuierlichen Messung gewinnen“, sagt Helmke Hepach. „Um ein vollständigeres Bild von den dynamischen Prozessen in der Ostsee zu erhalten, sind diese unverzichtbar.“ Die erhobenen Daten fließen nicht nur in die eigene Forschung ein, sondern auch in internationale Netzwerke wie das Coastal Observing System for Northern and Arctic Seas (COSYNA), das am Hereon von Dr. Holger Brix koordiniert wird, oder das Projekt CREATE, in dem die Sensordaten auf ihre Eignung für administrative Umweltzustandsbewertungen getestet werden. Die Daten dokumentieren Umweltveränderungen in der Ostsee und leisten einen wichtigen Beitrag zur internationalen Meeres- und Klimaforschung.
„Wir hoffen, dass die Geräte diesmal über viele Jahre hinweg ungestört arbeiten können“, sagt Professor Bange.