Den Wandel der Arktis im Blick
Zwei Symposien in Kiel beschäftigen sich mit den sibirischen Schelfmeeren
Steigende Temperaturen, schmelzende Gletscher, schrumpfende Meereisflächen – in kaum einer anderen Region ist der globale Wandel so deutlich zu sehen wie in der Arktis. Trotzdem bleiben noch sehr viele Fragen offen. Wie werden die Ökosysteme der Arktis langfristig auf diese Veränderungen reagieren? Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Wind- und Wettersysteme in den Polarregionen? Und welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen Regionen der Erde? In dieser Woche treffen sich über 80 Expertinnen und Experten aus 10 Ländern am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, um sich über den aktuellen Stand der Forschung auszutauschen und neue Projekte zu planen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den sibirischen Schelfmeeren, in denen ein großer Teil des arktischen Meereises produziert wird. „Das Eisvolumen in der Arktis ist in den vergangenen 30 Jahren drastisch geschrumpft“, sagt Dr. Heidemarie Kassens vom GEOMAR, eine der Organisatorinnen des Treffens, „wir müssen mehr über die Konsequenzen wissen, um nicht von ihnen überrascht zu werden“.
Das Expertentreffen in Kiel besteht aus zwei Teilen. Am Montag und Dienstag zogen vor allem deutsche und russische Forscherinnen und Forscher ein vorläufiges Fazit des binationalen Projekts „System Laptewsee - Das transpolare System des Nordpolarmeeres“. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), vom russischen Ministerium für Bildung und Forschung, vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und vom GEOMAR hat es drei Jahre lang Veränderungen entlang der Transpolardrift untersucht, die Meereis von den Küsten Sibiriens über den Nordpol bis in die Framstraße zwischen Spitzbergen und Grönland transportiert. „Während des Abschlusssymposiums wurde deutlich, dass spannende und überraschende Ergebnisse erzielt wurden“, sagt die Koordinatorin Dr. Kassens.
So haben Untersuchungen vor Ort in Kombination mit Modellrechnungen neue Details über die Wechselwirkungen zwischen einem eisfreien Meer und der Atmosphäre darüber offenbart. „Das Eis bildet eine Isolationsschicht. Je weniger Eis auf den arktischen Schelfmeeren entsteht, desto mehr Wärme kann das Wasser an die Atmosphäre abgeben. Diesen Austausch können wir jetzt besser abschätzen“, sagt Svenja Kohnemann von der Universität Trier. Eine weitere Erkenntnis der vergangenen drei Jahre ist, dass Meeresströmungen eine wichtige Rolle bei der Nährstoffversorgung der sibirischen Laptewsee spielen. „Bisher ist man immer davon ausgegangen, dass der Fluss Lena hier die Hauptrolle einnimmt. Das stellt uns vor ganz neue Fragen, wie die Biologie in der Laptewsee auf den Klimawandel reagieren könnte“, sagt Dr. Vasily Povazhnyy vom Wissenschaftszentrum des Südens der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Derartige Fragen wurden dann beim anschließenden Symposium „Biogeochemical Studies in the Siberian Shelf Seas“ am Mittwoch und Donnerstag eingehend erörtert, das vom internationalen GEOTRACES-Programm unterstützt wurde. Dazu kamen zusätzlich Expertinnen und Experten aus zehn Ländern, darunter die USA, Japan und Russland, nach Kiel, um sich über den aktuellen Stand der Forschungen zu Spurenstoffen und Stoffflüssen in den arktischen Randmeeren auszutauschen. „Wir wollen möglichst viele Arbeitsgruppen, die in diesem Gebiet forschen, zusammenbringen und eine gemeinsame Basis für zukünftige Projekte legen“, sagt Mitorganisator Michiel Rutgers van der Loeff, Geochemiker am AWI.
Da große Gebiete der sibirischen Arktis für viele Monate im pro Jahr nur schwer zugänglich sind, kennt die Forschung entscheidende Prozesse wie den Kohlenstoffkreislauf und damit verbundene Spurenstoffkreisläufe dort nur bruchstückhaft. „Deshalb ist es umso wichtiger, das vorhandene Wissen zu bündeln und die Lücken zu identifizieren, um in internationalen Kooperationen die drängendsten Fragen angehen zu können“, betont Dr. van der Loeff.
Bildmaterial in höherer Auflösung:
Ozeanographische Arbeiten in der Laptewsee. Foto: Georgi Laukert, GEOMAR
Die sibirische Laptewsee war eines der Arbeitsgebiete des "Transpolardrift"-Projektes. Foto: Georgi Laukert, GEOMAR
Am Dienstagabend trafen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beider Symposien. Foto: Jan Steffen, GEOMAR
Ansprechpartner:
Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811, presse(at)geomar.de