Die Meeresoberflächentemperatur gehört zu den entscheidenden Faktoren für die Niederschlagsschwankungen über Westafrika. Bildet sich beispielsweise die sogenannte äquatoriale Kaltwasserzunge im Golf von Guinea in den Sommermonaten besonders früh aus, kann Westafrika auch schon früh im Jahr mit Niederschlägen rechnen. Ist sie insgesamt eher warm, lassen die Niederschläge über Land lange auf sich warten, sind dann aber stärker. Grafik: IFM-GEOMAR; nach Brandt et al. 2011.
Die Vorhersage von Klimaschwankungen im tropischen Atlantik ist Ziel des TACE Beobachtungsnetzwerkes, das von Ozeanographen und Meteorologen in internationaler Zusammenarbeit aufgebaut wird. Deutschland beteiligt sich z.B. mit regelmäßigen Forschungsfahrten in die Region, Verankerungen und Argo Tiefendriftern an diesem Netzwerk. Die aktuelle „Nature“-Studie beruht unter anderem auch auf Daten der internationalen PIRATA-Bojen, die das Rückgrat des Netzwerkes darstellen. Grafik: tace.ifm-geomar.de
Ein sogenannter "Profiler" ist eine Messsonde, die mit kilometerlangen Stahlseilen am Meeresboden verankert wird. An dem Verankerungsseil fährt der Profiler automatisch zwischen 1000 und 3500 Meter Tiefe auf und ab und misst dabei Strömung, Temperatur, Salzgehalt und Wasserdruck. Weiter oben am Verankerungsseil sind weitere Instrumente wie akustische Strömungsmesser, Temperatur- und Salzgehaltssonden angebracht. So können die Tiefen des Atlantiks kontinuierlich überwacht werden. Foto: Mario Müller, IFM-GEOMAR

Der lange Arm der Tiefsee

Kieler Ozeanographen weisen Einfluss von äquatorialen Tiefenströmungen auf Niederschläge in Afrika nach

18.05.2011/Kiel. Die Meere haben einen vielfältigen Einfluss auf unser Klima. Prominentestes Beispiel ist das El Niño Phänomen im Pazifik, die bekannteste, mehrjährige Klimaschwankung. Wie Ozeanographen des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) und der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI, USA) jetzt zeigen konnten, spielen auch Tiefenströmungen im äquatorialen Atlantik eine wichtige Rolle bei Klimaschwankungen in Westafrika. Die Ergebnisse der Studie erscheinen in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Nature“.

Der Niederschlag des westafrikanischen Monsuns hat eine herausragende Bedeutung für Landwirtschaft, Wasserressourcen und Gesundheit in einem der dichtbesiedelten Gebiete Afrikas. Wann und wie viel Regen in den Küstenstaaten nördlich des Golfes von Guinea fällt, wird unter anderem durch die Oberflächentemperatur des tropischen Atlantiks bestimmt. Die Details dieser Wechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre sind bei weitem nicht alle entschlüsselt. Bisher wurden Einflüsse aus dem Pazifik und dem Nordatlantik als wichtigste Quelle für Klimaschwankungen im äquatorialen Atlantik betrachtet. Ozeanographen des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) konnten jetzt zusammen mit Kollegen aus den USA zeigen, dass es regelmäßige mehrjährige Temperaturschwankungen gibt, deren Ursache in den Tiefenströmungen des äquatorialen Atlantiks liegen und so die Niederschlagstätigkeit in Westafrika beeinflussen. „Bisher haben wir bei der Erklärung von tropischen Klimaschwankungen immer nach oben, insbesondere in die Atmosphäre, geschaut. Unsere neuen Daten lenken unseren Blick erstmals auch in die Tiefe des Ozeans und eröffneten ganz neue Denkansätze“; erklärt Professor Peter Brandt vom IFM-GEOMAR, Erstautor der Studie, die in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ erscheint.

In einem groß angelegten, internationalen Forschungsprogramm, dem „Tropical Atlantic Climate Experiment“ (TACE), versuchen Experten den Mechanismen, Ursachen, und Wirkungen von Klimaschwankungen im tropischen Atlantik auf die Spur zu kommen. Der deutsche Beitrag zu diesem Programm, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (Verbundprojekt „Nordatlantik“) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Kieler Sonderforschungsbereichs 754 „Klima – Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean“ gefördert wird, besteht unter anderem aus Tiefseeverankerungen am Äquator. An diesen zeichnen Messgeräte kontinuierlich die Strömungsrichtungen und -geschwindigkeiten, den Salzgehalt und die Wassertemperatur auf und erlauben damit langfristige Veränderungen im tiefen Ozean zu beobachten. Darüber hinaus werden Messungen von frei in der Tiefe treibenden Messsonden, sogenannten Argo Floats, sowie Daten aus Satellitenmessungen genutzt. „In den Messreihen der vergangenen zehn bis zwanzig Jahre haben wir bisher unbekannte Schwankungen der Oberflächenströmung und der Oberflächentemperatur des tropischen Atlantiks gefunden, die in einem regelmäßigen, viereinhalbjährigen Turnus wiederkehren“, erklärt Brandt. Ähnliche Schwankungen konnten die Wissenschaftler in sogenannten „Deep Jets“ nachweisen. Das sind Tiefenströmungen in Tiefen bis 3000 Metern mit Geschwindigkeiten von 10-20 Zentimeter pro Sekunde in Ost-West-Richtung. Sie erstrecken sich entlang des Äquators quer durch den gesamten Atlantik. Ihre Richtung kehrt sich mit der Tiefe alle paar hundert Meter um. „Diese Tiefenströmungen werden im tiefen Ozean erzeugt und ihre Energie wird offenbar durch die Wasserschichten nach oben weitergereicht, wo Oberflächenströmung und –temperatur beeinflusst werden“, so Brandt. 

Die Oberflächentemperatur gehört wiederum zu den entscheidenden Faktoren für die Niederschlagsschwankungen über Westafrika. „Wie groß der Einfluss der Tiefenströmungen ist und wie sie entstehen, wissen wir leider noch nicht genau“ sagt Brandt, „da liegt noch viel Arbeit vor uns“. Neue Daten wollen die Wissenschaftler auf der aktuellen Forschungsfahrt mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN gewinnen, die vom 11. Mai bis 19. Juni 2011 stattfindet. „Wir nehmen unsere Verankerungen am Äquator auf, legen sie neu aus und hoffen dann mit den neuen Daten, die Vorgänge in der Tiefsee besser zu verstehen und damit letztendlich auch zur Verbesserung der Klimavorhersage für Westafrika beizutragen“, erklärt Professor Brandt.

Originalarbeit: 
Brandt, P., A. Funk, V. Hormann, M. Dengler, R. J.Greatbatch, J. M. Toole, 2011: Interannual atmospheric variability forced by the deep equatorial Atlantic Ocean. Nature Advance Online Publication, doi: 10.1038/nature10013:

Ansprechpartner:
Jan Steffen (Kommunikation & Medien), Tel. 0431/600-2811, jsteffen(at)geomar.de

Die Meeresoberflächentemperatur gehört zu den entscheidenden Faktoren für die Niederschlagsschwankungen über Westafrika. Bildet sich beispielsweise die sogenannte äquatoriale Kaltwasserzunge im Golf von Guinea in den Sommermonaten besonders früh aus, kann Westafrika auch schon früh im Jahr mit Niederschlägen rechnen. Ist sie insgesamt eher warm, lassen die Niederschläge über Land lange auf sich warten, sind dann aber stärker. Grafik: IFM-GEOMAR; nach Brandt et al. 2011.
Die Meeresoberflächentemperatur gehört zu den entscheidenden Faktoren für die Niederschlagsschwankungen über Westafrika. Bildet sich beispielsweise die sogenannte äquatoriale Kaltwasserzunge im Golf von Guinea in den Sommermonaten besonders früh aus, kann Westafrika auch schon früh im Jahr mit Niederschlägen rechnen. Ist sie insgesamt eher warm, lassen die Niederschläge über Land lange auf sich warten, sind dann aber stärker. Grafik: IFM-GEOMAR; nach Brandt et al. 2011.
Die Vorhersage von Klimaschwankungen im tropischen Atlantik ist Ziel des TACE Beobachtungsnetzwerkes, das von Ozeanographen und Meteorologen in internationaler Zusammenarbeit aufgebaut wird. Deutschland beteiligt sich z.B. mit regelmäßigen Forschungsfahrten in die Region, Verankerungen und Argo Tiefendriftern an diesem Netzwerk. Die aktuelle „Nature“-Studie beruht unter anderem auch auf Daten der internationalen PIRATA-Bojen, die das Rückgrat des Netzwerkes darstellen. Grafik: tace.ifm-geomar.de
Die Vorhersage von Klimaschwankungen im tropischen Atlantik ist Ziel des TACE Beobachtungsnetzwerkes, das von Ozeanographen und Meteorologen in internationaler Zusammenarbeit aufgebaut wird. Deutschland beteiligt sich z.B. mit regelmäßigen Forschungsfahrten in die Region, Verankerungen und Argo Tiefendriftern an diesem Netzwerk. Die aktuelle „Nature“-Studie beruht unter anderem auch auf Daten der internationalen PIRATA-Bojen, die das Rückgrat des Netzwerkes darstellen. Grafik: tace.ifm-geomar.de
Ein sogenannter "Profiler" ist eine Messsonde, die mit kilometerlangen Stahlseilen am Meeresboden verankert wird. An dem Verankerungsseil fährt der Profiler automatisch zwischen 1000 und 3500 Meter Tiefe auf und ab und misst dabei Strömung, Temperatur, Salzgehalt und Wasserdruck. Weiter oben am Verankerungsseil sind weitere Instrumente wie akustische Strömungsmesser, Temperatur- und Salzgehaltssonden angebracht. So können die Tiefen des Atlantiks kontinuierlich überwacht werden. Foto: Mario Müller, IFM-GEOMAR
Ein sogenannter "Profiler" ist eine Messsonde, die mit kilometerlangen Stahlseilen am Meeresboden verankert wird. An dem Verankerungsseil fährt der Profiler automatisch zwischen 1000 und 3500 Meter Tiefe auf und ab und misst dabei Strömung, Temperatur, Salzgehalt und Wasserdruck. Weiter oben am Verankerungsseil sind weitere Instrumente wie akustische Strömungsmesser, Temperatur- und Salzgehaltssonden angebracht. So können die Tiefen des Atlantiks kontinuierlich überwacht werden. Foto: Mario Müller, IFM-GEOMAR