Die Polarregionen – Das Ende des Ewigen Eises
Die Polarregionen spielen eine herausragende Rolle im Klimasystem der Erde. Die schier endlosen Schnee- und Eisflächen der Arktis und Antarktis wirken wie ein gigantischer Spiegel und strahlen bis zu 90 Prozent des einfallenden Sonnenlichts zurück in das Weltall. Sie bremsen auf diese Weise nicht nur die Erwärmung der Erde, sondern lassen auch große Temperaturunterschiede zwischen den kalten Polarregionen und den warmen Tropen entstehen. Diese Gegensätze wiederum treiben die weltumspannenden Wind- und Meeresströmungen an und tragen so maßgeblich dazu bei, dass die im Meer und in der Atmosphäre gespeicherte Wärme weiträumig über den Globus verteilt wird und Menschen, Tiere und Pflanzen überall auf der Welt verlässliche Lebensbedingungen vorfinden. Was in den entlegenen Polarregionen passiert, geht somit jeden einzelnen von uns etwas an. Zahlreiche Demonstrationen nicht nur von Klimaaktivisten und weltweite Fridays-for-Future-Proteste weisen in den letzten Monaten eindrücklich darauf hin, dass solche verlässlichen Lebensbedingungen nicht selbstverständlich sind, sondern nur als Folge einer vorrausschauenden, generationsübergreifenden und umweltbewussten Politik verstanden werden können.
"Arktis und Antarktis – extrem, klimarelevant, gefährdet" lautet deshalb das Thema des sechsten Bandes der Publikation "World Ocean Review" (WOR), herausgegeben mit Unterstützung des International Ocean Institute (IOI), von Klima- und Polarforscherinnen und -forschern aus dem Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM), dem Kieler Future Ocean Netzwerk und der Zeitschrift mare, verantwortlich für die Gesamtkonzeption und die allgemeinverständliche Aufarbeitung der wissenschaftlichen Inhalte. Als Bündelung der Expertise deutscher Meeresforschung widmet sich die neue Ausgabe diesen zwei extremen und ausgesprochen gegensätzlichen Regionen der Erde mit profunden Informationen zu ihrer Entstehung und Bedeutung für das Leben auf der Erde sowie zu den beobachteten klimatischen Veränderungen und ihren zum Teil schon dramatischen Folgen, die weit über die Grenzen der Polarregionen hinausreichen.
"Bis vor wenigen Jahren waren die Arktis und Antarktis Reiche historischer Expeditionen wie jenen von Scott oder Amundsen und Heim exotischer Pinguine oder Eisbären", sagt Nikolaus Gelpke, Herausgeber des "WOR", Gründer der Zeitschrift mare und Vorstand des International Ocean Institute (IOI). "Spätestens seit dem neuen IPCC-Sonderbericht ‚Ozean und Kryosphäre im Klimawandel‘ aber wissen wir um die herausragende Bedeutung der Polargebiete für unsere Klimazukunft. Die beobachteten Veränderungen sind Sinnbilder für die Folgen unserer Industrieentwicklung, das Abschmelzen des ehemals ewigen Eises steht für den Kontrollverlust unseres Handelns. Unser ‚WOR‘ kann als hervorragende Ergänzung zum IPCC-Sonderbericht hoffentlich dazu beitragen, das Verständnis für Wirkungszusammenhänge noch zu vertiefen."
Die Arktis erwärmt sich mehr als doppelt so schnell wie die restliche Welt und zeigt mittlerweile ein völlig neues Gesicht. Allein im zurückliegenden Sommer wurde die Welt Zeuge, wie ausgetrocknete Tundrengebiete in Alaska und Sibirien großflächig brannten, der grönländische Eisschild im Zuge einer Hitzewelle nahezu flächendeckend an seiner Oberfläche schmolz und die Meereisdecke des Arktischen Ozeans auf die zweitkleinste Restfläche seit Beginn der Satellitenmessungen schrumpfte. In der Antarktis kommt die Wärme vor allem aus dem Meer. Warme Strömungen gelangen immer häufiger unter die schwimmenden Eiszungen der West- und Ostantarktis und schmelzen diese sogenannten Schelfeise von unten. Infolgedessen kalben nicht nur mehr Eisberge, die Gletscher transportieren nun auch mehr Eis aus dem Inneren der Antarktis in das Meer, sodass ihr Beitrag zum globalen Meeresspiegelanstieg steigt und die Eispanzer der West- und Ostantarktis insgesamt ausdünnen.
Doch welche Konsequenzen ziehen diese und andere klimatische Veränderungen für die hochangepasste Tier- und Pflanzenwelt der Arktis und Antarktis nach sich? Welche Überlebenschancen haben Eisbären, Walrosse, Polardorsch, Krill und alle anderen Meeresbewohner, die für die Futtersuche und Jungenaufzucht auf das Meereis angewiesen sind? Und wie verändert sich die Vegetation an Land? Der "WOR 6" erläutert die einzigartigen Anpassungsstrategien der polaren Flora und Fauna und erklärt, in welchem Rahmen die polaren Arten vermutlich in der Lage sein werden, sich aufsteigende Luft- und Wassertemperaturen, schwindende Futterquellen und einwandernde Konkurrenten einzustellen.
Wo Gletscher und Meereis schwinden, erhält der Mensch aber auch Zutritt zu bislang verborgenen Ressourcen und Rohstofflagerstätten. Vor allem die Arktisstaaten begreifen die klimatischen Veränderungen deshalb auch als Chance, ihre nördlichen Territorien wirtschaftlich zu entwickeln. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Ausbau touristischer Infrastrukturen wie Flughäfen und Liegeplätze für Kreuzfahrtschiffe, denn die weltweite Nachfrage nach Reisen in die Polarregionen steigt – grotesker Weise vor allem deshalb, weil sich bei vielen Naturliebhabern und Abenteuertouristen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass jetzt die letzte Möglichkeit sei, die Eislandschaften der Arktis und Antarktis mit eigenen Augen zu sehen. Gleichzeitig investieren Bergbau- und Mineralölunternehmen derzeit große Summen in die Exploration und den Abbau von Rohstofflagerstätten in der Arktis, allen voran in Russland. Der "WOR 6" zeigt auf, welche Erwartungen an diese Industrialisierung geknüpft sind, welche Risiken und Gefahren damit einhergehen und welche Schutzvorkehrungen getroffen werden.
"Die Entwicklungen in den Polarregionen verdeutlichen eine der Herausforderungen für die Ozeanforschung, über Disziplinen hinweg Lösungswege zu erarbeiten. Hoffnungsvoll stimmt uns die kommende Dekade der Meereswissenschaften für nachhaltige Entwicklung, die zum Ziel hat, Wissen zu verbinden, zu vergrößern und verfügbar zu machen, um kluge Entwicklungspfade in der Mensch-Ozean-Beziehung zu ermöglichen", sagt Prof. Dr. Nele Matz-Lück, Sprecherin des Future Ocean Netzwerkes und Seerechtsexpertin am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht an der Uni Kiel.
Der »World Ocean Review 6« wurde am 7. November 2019 in der Landesvertretung Schleswig-Holstein in Berlin im Rahmen einer Abendveranstaltung mit Gästen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Bildung vorgestellt.
Hintergrund:
Die maribus gGmbH wurde 2008 von mare-Verleger Nikolaus Gelpke ins Leben gerufen. Sie dient als gemeinnützige Organisation dem Zweck, die Öffentlichkeit für meereswissenschaftliche Zusammenhänge zu sensibilisieren und zu einem wirkungsvolleren Meeresschutz beizutragen. Bereits mit der ersten maribus- Veröffentlichung, dem "World Ocean Review 1", ist ein umfassender und einzigartiger Bericht gelungen, der den Zustand der Weltmeere und die Zusammenhänge zwischen dem Ozean und den ökologischen, öko¬nomischen und gesellschaftspolitischen Beziehungen aufzeigt. Darüber hinaus sind mit dem "World Ocean Review 2 – Die Zukunft der Fische, die Fischerei der Zukunft", dem "World Ocean Review 3 – Rohstoffe aus dem Meer – Chancen und Risiken", dem "World Ocean Review 4 – Der nachhaltige Umgang mit unseren Meeren – von der Idee zur Strategie" und dem "World Ocean Review 5 – Die Küsten – ein wertvoller Lebensraum unter Druck" vertiefende themenspezifische Publikationen erschienen. Bis heute wurden rund 170.000 gedruckte Exemplare des WOR in deutscher und englischer Sprache weltweit nachgefragt, dazu kommen unzählige Online-Abrufe.
Bei der sechsten maribus-Publikation "Arktis und Antarktis – extrem, klimarelevant, gefährdet" konnte die Zusammenarbeit mit den Partnern des WOR weitergeführt werden, die für jahrelanges Engagement für die Meere und höchstes wissenschaftliches Niveau stehen:
- Das International Ocean Institute (IOI), 1972 von Elisabeth Mann-Borgese gegründet.
- Das Konsortium Deutsche Meeresforschung bündelt die Expertise der deutschen Meeresforschung. Seine Mitglieder setzen sich aus allen Forschungseinrichtungen zusammen, die in Meeres-, Polar- und Küstenforschung aktiv sind. Ein Hauptanliegen des KDM ist, die Interessen der Meeresforschung gegenüber nationalen Entscheidungsträgern und der EU sowie gegenüber der Öffentlichkeit gemeinsam zu vertreten.
- Das Kieler Netzwerk Future Ocean, ein Zusammenschluss von mehr als 200 Meeresforschenden aus den Natur-, Sozial- und Gesellschaftswissenschaften, die sich zum Ziel gesetzt haben, Handlungsoptionen für ein nachhaltiges Management des Ozeans zu entwickeln.
- mare – Die Zeitschrift der Meere.
Der "World Ocean Review 6" erscheint in einer Gesamtauflage von 20.000 Exemplaren. Die Publikation wird nicht verkauft, sondern gratis abgegeben. Eine Gewinnerzielungsabsicht gibt es nicht. Der WOR ist zu beziehen über www.worldoceanreview.com. Zeitgleich zur gedruckten Ausgabe wird die gesamte Publikation auch online erscheinen. Neben der deutschen Fassung wird in Kürze auch eine englischsprachige Ausgabe erhältlich sein.
"World Ocean Review 6 – Arktis und Antarktis – extrem, klimarelevant, gefährdet", hrsg. v. maribus gGmbH, Hamburg 2019, 332 Seiten, mit zahlreichen Grafiken und Fotografien, broschiert.
Kontakt und Belegexemplare bei:
maribus gGmbH
Bettina Wittich
Presse und Öffentlichkeit
Telefon: 0049-40-368076-22
E-Mail: wittich(at)maribus.com
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Kiel Marine Science (KMS) / Future Ocean Netzwerk
Friederike Balzereit
Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 0049-431-880-3032
E-Mail: fbalzereit(at)uv.uni-kiel.de