Die Schnellere gewinnt
Invasive Meeresalge zeigt schnelle Anpassung an bakterielle Schädlinge
Ein Hauptbestandteil des globalen Wandels ist die weltweite Ausbreitung invasiver Arten. Dies kann in einigen Fällen verheerende Folgen haben und Lebensräume dauerhaft verändern. Ein großer Anteil der in fremde Ökosysteme eingewanderten marinen Organismen sind Meeresalgen, in manchen Gegenden sogar bis zu 40 Prozent. Die invasive Rotalge Gracilaria vermiculophylla gehört zu den Top vier der erfolgreichsten marinen Algen weltweit. In einer jetzt veröffentlichten Studie in der internationalen Fachzeitschrift Journal of Ecology zeigen Meeresforscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, einen möglichen Grund für diesen Erfolg: Gracilaria vermiculophylla konnte sich sehr schnell an eine veränderte feindliche Umgebung anpassen.
Die Rotalge stammt ursprünglich aus dem Nordwestpazifik, kommt aber mittlerweile auch in den Küstenregionen des Ost- und Westpazifik, des Ostatlantik und im Mittelmeer vor. Im Jahr 2005 wurde erstmals Bestand von Gracilaria in der Kieler Bucht entdeckt. Nach anfänglichem starken Wachstum in den Jahren 2005-2006 ging der Bestand von Gracilaria aber zurück. In jüngster Zeit findet man die invasive Meeresalge wieder vermehrt in der Kieler Bucht. „Wir wollten herausfinden, warum der Algenbestand fast verschwand. Es gab Hinweise auf eine bakterielle Infektion. Da sich die Alge erholt hat, vermuten wir, dass sie eine angepasste Abwehr gegen die lokalen bakteriellen Schädlinge entwickelt hat“, sagt Florian Weinberger vom GEOMAR, einer der Co-Autoren der Studie.
In den Jahren des starken Rückgangs der Alge waren keine besonderen Umweltereignisse (hohe Temperaturen oder vermehrte Fraßfeinde) zu beobachten, die für die Veränderung der Populationsgröße verantwortlich gemacht werden konnten. Des Weiteren konnte bereits in vorhergehenden Studien gezeigt werden, dass sich die eingewanderten Populationen sogar besser gegen hohe Temperaturen und Fraßfeinde wehren können, als ihre einheimischen Verwandten.
In einem komplexen Experiment testeten die Forscher die Abwehr von Gracilaria gegen bakterielle Schädlinge von aus Südkorea stammenden Populationen, die dort ursprünglich heimisch sind und von nach Deutschland und Dänemark eingewanderten Populationen. Die Bakterien stammten ebenfalls jeweils aus den heimischen und eingewanderten Lebensräumen. „Mit unserer Studie konnten wir zeigen, dass sich die Algenpopulation jeweils an ihren aktuellen Lebensraum angepasst hat“, sagte Dr. Mahasweta Saha, Erstautorin der Studie. Es zeigte sich außerdem, dass die Abwehr geschwächt war, wenn die Alge bakteriellen Schädlingen der jeweils anderen Umgebung ausgesetzt wurde. Die Ergebnisse zeigen somit, dass die fremde Art in weniger als zehn Jahren ihre alten Verteidigungsmechanismen gegen neue ausgetauscht hat. Eine solch schnelle Anpassung bei der Einwanderung in einen neuen Lebensraum konnte so bisher noch nicht gezeigt werden.
Welche Auswahlmechanismen, Gene oder vererbte Genaktivitäten hier eine Rolle spielen, ist noch unbekannt und eine mögliche Fragestellung für zukünftige Forschung. Die Ergebnisse haben eine hohe Relevanz, da sie sich auch auf andere Pflanzensysteme und allgemein auf die sich als Folge des globalen Wandels verändernden Interaktionen von Fressfeinden und Beute übertragen lassen. „Wenn wir mehr über die Anpassungsgeschwindigkeiten erfahren, kommen wir auch der Frage näher, der sich die meisten Invasionsbiologen stellen: Warum sind manche Arten erfolgreicher als Andere? Welche besonderen Überlebensstrategien verhelfen marinen invasiven Arten zum Erfolg?“, so Dr. Mahasweta Saha vom GEOMAR.
Originalarbeit
Saha, M. J. Wiese, F. Weinberger, M. Wahl (2016): Rapid adaptation to controlling new microbial epibionts in the invaded range promotes invasiveness of an exotic seaweed. Journal of Ecology,
Bildmaterial in höherer Auflösung:
Gracilariamatten im Tirpitz-Hafen Kiel. Foto: Florian Weinberger, GEOMAR
Probensammeln am Falckensteiner Strand, Kiel. Foto: Christian Lieberum, GEOMAR
Nahaufnahme von Gracilaria im Labor. Foto: Mahasweta Saha, GEOMAR
Ansprechpartner:
Sarah Kaehlert (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-1815, presse(at)geomar.de