Die Schwentine als Mississippi-Modell
11.07.2011/Kiel. Expeditionen auf allen Weltmeeren sind für die Forscher des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) Alltag. Dort arbeiten sie von großen Forschungsschiffen aus mit schwerem Gerät in mehreren tausend Metern Wassertiefe. Doch es gibt auch Fälle, da liegt ihr Arbeitsgebiet direkt vor der Haustür und als Arbeitsgerät genügt ein kleines Ruderboot. So ein Fall ist die Versuchsreihe, die eine Gruppe von Wissenschaftlern und Technikern um den Geochemiker Dr. Mark Schmidt und den Physiker Peer Fietzek aktuell in der Schwentine durchführt. Heute (11. Juli 2011) versenkte sie dafür ein futuristisch anmutendes Messgerät nahe dem Schwentinewehr im Kieler Stadtteil Wellingdorf. „Wir werden hier in den kommenden 3 Monaten Methankonzentrationen, Temperaturen und Sauerstoffgehalte messen“ erklärt Schmidt, „gleichzeitig testen wir hier eine neue Technik“.
Das Besondere an dem ausgesetzten System: Die Messdaten werden in Echtzeit über eine Mobilfunkverbindung an das nahe gelegene Institut übertragen. „Wenn das reibungslos funktioniert, können wir es auch in größerem Rahmen in Küstengewässern einsetzen, ohne dass ständig Wissenschaftler an Ort und Stelle sein müssen“, erklärt Peer Fietzek, der am IFM-GEOMAR seine Doktorarbeit schreibt. Entwickelt hat die neue Messtechnik die Kieler Firma Contros, die auf hochpräzise Methansensorik spezialisiert ist.
Um das System zu testen, eignet sich die Schwentine in idealer Weise. „In einem Fließgewässer, in dem sich sehr viel Pflanzenmaterial ablagert, treten insbesondere in den Sommermonaten große Mengen Methan aus den Sedimenten aus. Außerdem verändern sich die Methanwerte im Wasser hier innerhalb von Stunden viel stärker als im offenen Ozean über ein ganzes Jahr“, erklärt Schmidt. Fietzek ergänzt: „ Und wenn mit der Technik mal etwas nicht stimmt, müssen wir nicht weit fahren, sondern können sehr schnell eine Feinjustierung vornehmen“.
Doch nicht nur wegen der Nähe zum Institut erfolgt der Test in der Schwentine. Sie dient in diesem Fall als Modell für große Flüsse wie Mississippi, Nil oder Orinoko. „In den großen Flussdeltas werden oft Methankonzentrationen gemessen, die tausendmal größer sind als im Ozean. Welche Rolle die Flusssedimente als Quelle von Methan für die Meere insgesamt spielen, ist aber wegen mangelnder Messdaten noch umstritten. Mit diesen neuen Messgeräten könnten wir der Klärung dieser Frage näher kommen“, sagt Schmidt.
Dass der unscheinbare Test in der Schwentine tatsächlich von weltweitem Interesse ist, zeigt sich an der internationalen Zusammensetzung des Projektteams. Mit Nicole Bilsley ist eine Austauschstudentin der Scripps Institution of Oceanography in kalifornische La Jolla dabei, mit Abdurahman Aljuhany ein Student der King Abdulaziz University in Jeddah (Saudi Arabien). „Die Überwachung von Gas- und Spurenstoffkonzentrationen in Küstengewässern und Flussmündungen ist für alle Küstenstaaten interessant“, betont Dr. Schmidt.