Ein „Schiff der Möglichkeiten“ auf der Spur des Kohlendioxids im Meer
ATLANTIC SAIL unterstützt europäisches Langzeitbeobachtungsnetz mit Hilfe des GEOMAR
Um Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean zu verfolgen und zukünftige Veränderungen besser abschätzen zu können, sind kontinuierliche Messungen von Kohlendioxid nötig. So genannte „Schiffe der Möglichkeiten“ (Ships of Opportunity) führen freiwillig und unentgeltlich Instrumente mit sich, um das wissenschaftliche Beobachtungsnetz und Messungen von Forschungsschiffen und autonomen ozeanografischen Geräten zu ergänzen. Damit tragen sie zu Datensammlungen bei, mit deren Hilfe die Forschung gesellschaftlich relevanten Fragen wie der Zukunft des Ozeans im Klimawandel adressiert.
Das Handelsschiff MS ATLANTIC SAIL erhielt jetzt das „Class 1 Label“ des europäischen Langzeitbeobachtungsnetzes „Integrated Carbon Observation System“ (ICOS) für besonders hochwertige Messungen. Eine Holztafel aus finnischem Lärchenholz wurde im Hamburger Hafen übergeben und auf der Brücke des Schiffs angebracht. ICOS ist eine dezentrale europäische Forschungsinfrastruktur zur Beobachtung von Treibhausgasen in der Atmosphäre, im Ozean und an Land. Die von ICOS-Stationen im Dauerbetrieb erhobenen Daten werden einer aufwändigen Qualitätskontrolle unterzogen und im jährlich aktualisierten „Surface Ocean CO2 Atlas (SOCAT)“ veröffentlicht. Dieser gewaltige Datensatz mit bisher mehr als 35 Millionen Messungen gehört zu den Säulen des jährlich erscheinenden „Global Carbon Budget“ – die solideste Wissensbasis zum Verbleib des menschengemachten Kohlendioxids und dem Einfluss des Menschen auf das Klima.
Die Arbeitsgruppe von Professor Dr. Arne Körtzinger am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanbeobachtung Kiel betreibt seit 2002 Beobachtungen auf Handelsschiffen, die im Nordatlantik zwischen Europa und Nordamerika operieren. Die ATLANTIC SAIL ist inzwischen das vierte Schiff, das für diese Messungen genutzt wird. Die Vorgängerschiffe standen durch Außerdienststellung oder Verlegung in andere Regionen meist kurzfristig nicht mehr zur Verfügung.
„Um auf die sich ändernden Gegebenheiten zu reagieren und unsere wichtigen Messungen fortzusetzen, haben wir stets rasch mit Reedereien und Flottenmanagern verhandeln müssen,“ erinnert sich Professor Körtzinger. Dazu bedürfe es eines intensiven Austauschs mit den Verantwortlichen an Bord, um einen Platz – meist im Maschinenraum des Schiffs – zu finden, an dem die mehrere Hunderttausend Euro teuren autonomen Messgeräte aufgestellt und mit kontinuierlich gepumpten Meerwasser und Atmosphärenluft versorgt werden können.
„Bei den Arbeiten an Bord stellt man fest, dass jedes Schiff anders konzipiert ist und die Bedingungen für Messungen an Bord variieren,“ schildert Dr. Tobias Steinhoff. Der Meereschemiker am GEOMAR betreut die Installationen und die Messungen seit 2005. Neben dem Treibhausgas Kohlendioxid erfasst das GEOMAR auf der ATLANTIC SAIL noch eine ganze Reihe weiterer Messgrößen, etwa Temperatur, Salzgehalt, gelösten Sauerstoff und die Kohlenstoffparameter Alkalinität und pH-Wert. „Die Vielfalt verlässlicher Messungen hat uns das Class 1 Label eingebracht und stellt im Vergleich mit ähnlichen, von anderen internationalen Arbeitsgruppen betrieben Handelsschiffmessungen ein Alleinstellungsmerkmal dar,“ so Dr. Steinhoff.
Professor Körtzinger ist sich sicher, dass im zukünftigen globalen Treibhausgasobservatorium (Global Greenhouse Gas Watch, GGGW), das gegenwärtig intensiv bei der Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organisation, WMO) diskutiert wird, derartige Beobachtungen von Handelsschiffen eine zentrale Rolle spielen werden. „Wir hoffen, dass Reedereien wie die Atlantic Container Lines ACL, in deren Dienst die ATLANTIC SAIL verkehrt, auch zukünftig bereit sind, derartige freiwillige und unentgeltliche Kooperationen mit der Klimaforschung einzugehen“, so Professor Körtzinger. „Das Class 1 Label ist eine Würdigung unseres gemeinsamen Einsatzes. Besonders dankbar sind wir dem Chief Operations Officer Anders Ivarsson, Technical Superintendent Luciano Crapanzano und Kapitän Dimitrov Dimitar für die langjährige und tatkräftige Unterstützung.“