Emissionen jetzt drastisch reduzieren und Forschung für "Netto Null" vorantreiben
Statements von GEOMAR-Forschenden zum Bericht der Arbeitsgruppe III des Weltklimarats IPCC
Unser Lebensstil, nicht nachhaltige Energie- und Landnutzung, Konsum- und Produktionsmuster erschweren es uns, die globale Erwärmung entsprechend des Übereinkommens von Paris zu begrenzen, und andere gesellschaftliche Ziele in Bezug auf Naturschutz, nachhaltige Entwicklung, Gerechtigkeit, Frieden und Wohlergehen der Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen. Andererseits demonstrieren ein zunehmender Einsatz für den Klimaschutz auf allen Ebenen der Gesellschaft und positive Auswirkungen internationaler und nationaler Klimapolitik, dass wir in der Lage sind, unsere Zukunft so zu gestalten, wie wir sie uns wünschen. Der Beitrag der Arbeitsgruppe III des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) zum Sechsten Sachstandsbericht macht deutlich, welche wichtigen Entscheidungen dafür getroffen und in die Praxis umgesetzt werden müssen.
Laut dem heute vorgestellten Bericht haben die durchschnittlichen jährlichen Treibhausgasemissionen zwischen 2010 und 2019 ihren Höchststand erreicht - aber ihr Wachstum verlangsamt sich. Durch zügige und drastische Emissionssenkungen könnte die Begrenzung der globalen Erwärmung im Einklang mit dem Pariser Abkommen wieder in greifbare Nähe rücken. Es gibt Möglichkeiten, die Emissionen bis 2050 mindestens zu halbieren, was auch Vorteile für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen mit sich brächte. Darüber hinaus sind die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel von entscheidender Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung.
Statement Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR
"Der neue Bericht der Arbeitsgruppe III des Weltklimarats IPCC kommt zu einer Zeit, in der steigende Kohlendioxidemissionen und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen es uns erschweren, die globale Erwärmung entsprechend des Paris-Abkommens zu begrenzen, und andere gesellschaftliche Ziele in Bezug auf Naturschutz, nachhaltige Entwicklung, Gerechtigkeit, Frieden und Wohlergehen für Menschen in aller Welt zu erreichen. Wir sind in der Lage, die Zukunft entsprechend unserer Wünsche zu gestalten, brauchen aber mehr Ehrgeiz und weitaus mehr Handlungen, um unsere gemeinsam erklärten Ziele zu erreichen. Diese Herausforderungen können wir am besten bewältigen und neue Möglichkeiten schaffen, wenn alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen zu den notwendigen Veränderungen beitragen.
Der Ozean bietet Lösungen für die Begrenzung des Klimawandels, aber deren Potenziale, Synergien und Zielkonflikte müssen noch weiter untersucht werden - der sicherste und effektivste Ansatz wird immer die drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen bleiben."
Statement Professor Dr. Mojib Latif, Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie
"Der Bericht der Arbeitsgruppe III des Weltklimarats IPCC sagt uns - wieder einmal - sehr deutlich, dass unser Lebensstil die weltweiten Treibhausgas-Emissionen weiter in die Höhe treibt. Er zeigt auch globale Ungleichheiten auf: Die zehn Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkommen sind für einen Großteil dieser Emissionen verantwortlich. Hinzu kommt, dass die festgelegten Beiträge der Länder zu Emissionsreduktionen nicht ausreichen, um die globale Erwärmung gemäß des Paris-Abkommens zu begrenzen - und die derzeitige Entwicklung der Emissionen erscheint nicht einmal diesen Selbstverpflichtungen zu entsprechen.
Die vom IPCC beschriebenen globalen Emissionspfade veranschaulichen die Möglichkeiten und die notwendigen Emissionssenkungen: Ergreifen wir sofortige Maßnahmen und schlagen wir einen Weg ein, der die Erwärmung wie in Paris vereinbart begrenzt? Verlassen wir uns auf Lösungen für negative Emissionen, die erst noch entwickelt werden müssen? Oder steuern wir auf eine sich erwärmende Welt voller Risiken zu? In was für einer Welt wollen wir leben und welches Erbe wollen wir zukünftigen Generationen überlassen?"
Statement Professor Dr. Andreas Oschlies Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung, Co-Sprecher der Forschungsmission CDRmare und Beitragender Autor Kapitel 12 "Cross-Sectoral Perspectives":
"Da die Emissionen weiterhin steigen, stehen wir vor einer doppelten Herausforderung: Erstens müssen wir unsere Emissionen in aller Welt und in allen Bereichen unseres Lebens und Wirtschaftens drastisch reduzieren. Zweitens müssen wir zuverlässige Wege finden, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und sicher zu speichern, um die verbleibenden unvermeidbaren Emissionen auszugleichen und bis Mitte des Jahrhunderts eine „Netto Null“-Bilanz zu erreichen.
Verschiedene Entwicklungspfade, die im Bericht der IPCC-Arbeitsgruppe III bewertet wurden, zeigen, dass je mehr Emissionen verbleiben und je später wir handeln, desto mehr Technologien zur CO2-Entnahme eingesetzt werden müssen. Nach allem, was wir heute wissen, werden naturbasierte Lösungen allein nicht ausreichen, um Netto Null zu erreichen. Daher müssen wir dringend zusätzliche Optionen erforschen, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen. Aber während wir die Umsetzbarkeit solcher Optionen untersuchen und ihre möglichen Nebenwirkungen analysieren, dürfen wir uns nicht von dem Hauptziel ablenken lassen: Die Emissionen müssen deutlich sinken.
Die Forschungsmission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) bringt Forschende aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen sowie der Praxis zusammen, um Potenziale, Nebeneffekte und Zielkonflikte von ozeanbasierten Optionen zur Kohlendioxid-Entnahme zu bewerten. Unsere Ergebnisse unterstützen gesellschaftliche und klimapolitische Entscheidungen."
Statement Dr. David Keller, Projektkoordinator OceanNETs und Beitragender Autor Kapitel 12 "Cross-Sectoral Perspectives":
"Der Ozean kann uns helfen, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und sicher zu speichern. Einige Methoden sind bereits verfügbar und können direkt genutzt werden: Entlang unserer Küsten kann die Wiederherstellung von „Blue Carbon“-Ökosystemen wie Feuchtgebieten oder Mangroven zur Speicherung von Kohlendioxid (CO2) beitragen und gleichzeitig Schutz vor Erosion, Sturmfluten und dem Anstieg des Meeresspiegels bieten oder die Artenvielfalt fördern. Optionen wie die Alkalinisierung der Ozeane oder die direkte Entfernung von CO2 aus dem Meerwasser können zusätzliche Möglichkeiten eröffnen.
Weitere Forschung ist jedoch unerlässlich, um wirksame Lösungen zu finden und negative Nebeneffekte zu vermeiden. Da der Schwerpunkt bisher vor allem auf landbasierten Optionen lag, lassen sich die Auswirkungen und die Durchführbarkeit von Ansätzen im Meer noch schwer abschätzen. Darüber hinaus ist eine Koordinierung erforderlich, um den Wettbewerb um Ressourcen und Flächen in Land- oder Meeresgebieten auszugleichen und den Klimaschutz mit anderen gesellschaftlichen Zielen in Einklang zu bringen.
Das europäische Projekt OceanNETS untersucht, inwieweit und unter welchen Bedingungen der größer angelegte Einsatz von Technologien zur CO2-Entnahme aus dem Meer in Europa und in aller Welt realistisch und wirksam zur Erreichung der Klimaneutralität und der im Pariser Abkommen festgelegten Ziele beitragen könnte."
Statement Professor Dr. Martin Visbeck, Leiter der Forschungseinheit Physikalische Ozeanographie
"Der neue IPCC-Bericht hebt zahlreiche Synergien zwischen Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel und nachhaltiger Entwicklung hervor, wobei Klimaschutzmaßnahmen der Schlüssel zur Erschließung dieser Synergien sind. Der Bericht mahnt aber auch zur Vorsicht, um Kompromisse für gefährdete gesellschaftliche Gruppen, einschließlich indigener Völker und Gemeinschaften in den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselstaaten, zu vermeiden.
Die Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen bieten einen Rahmen für die Bewertung der Auswirkungen von Optionen für Klimaschutz, Anpassung und nachhaltige Entwicklung und daraus synergetische Handlungsempfehlungen abzuleiten. Klimaschutz und Nachhaltige Entwicklung gemeinsam zu adressieren, eröffnet neue Chancen. Die ersten Schritte sind getan – und wir können noch deutlich mehr tun, um unser eigenes Wohlergehen auf diesem Planeten zu sichern."