Das Forschungsschiff MARIA S. MERIAN vor der Insel Tristan da Cunha während der Expedition MSM20-2 im Januar 2012. Foto: Catherine Rannou

MARIA S. MERIAN beim Auslaufen aus dem Hafen von Montevideo, Uruguay, zu Beginn der Expedition MSM82 im März 2019. Foto: Jan J. Falkenberg, Universität Erlangen

Bergen von Gesteinproben mit dem Kettensack. Foto: Stefan Krumm, Universität Erlangen

Entnahme von Sedimentproben aus dem Kettensack. Foto: Stefan Krumm, Universität Erlangen

Gesteinsproben aus der Tiefsee an Bord der MARIA S. MERIAN. Foto: Stefan Krumm, Universität Erlangen

Im Arbeitsbereich auf der MARIA S. MERIAN werden die auf der Expedition MSM82 geborgenen Gesteine für Analysen an Land vorbereitet. Foto: Jan J. Falkenberg, Universität Erlangen

Fingerabdruck des Hotspot-Vulkanismus geochemisch untersucht

Vor-Ort-Arbeiten bestätigen numerische Modelle zur Entstehung unterschiedlicher Strukturen von Vulkanketten

02.08.2023/Kiel. Wenn im Erdmantel Gesteinsmaterial an die Oberfläche steigt, führt der Druckabfall zu Schmelzen, in deren Zuge Vulkanketten entstehen können. Ein Forschungsteam unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat diesen sogenannten Hotspot-Vulkanismus im Südatlantik erforscht. Analysen von Gesteinsproben ermöglichten ihnen direkte Rückschlüsse über die Zusammensetzung des aufsteigenden Materials. Durch den Vor-Ort-Einsatz konnten die Forschenden erstmals frühere Modellrechnungen zur Bildung komplexer Vulkanketten bestätigen. Ihre Ergebnisse beschreiben sie in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Der Ozean beherbergt mehr als 25 Millionen Vulkane. Besonders markant sind lineare Vulkanketten, die an ozeanischen Inseln wie Hawaii enden und mit zunehmendem Abstand von dort älter werden. Der altersmäßig fortschreitende Vulkanismus entsteht durch die Bewegung einer tektonischen Platte über einen relativ stationären „Hotspot“ im darunter liegenden Erdmantel, wo heißes Material durch den Erdmantel aufsteigt. Über dem Hotspot entsteht hierdurch ein Vulkan, der als Teil der tektonischen Platte weiter transportiert wird. Der Vulkanismus wird dadurch schließlich von seiner Quelle abgeschnitten und versiegt, und ein neuer Vulkan entsteht über dem Hotspot. Dieser kontinuierliche Prozess kann sich über mehr als 100 Millionen Jahre wiederholen.

Dies hat im Südatlantik zur Bildung einer mehr als 3000 Kilometer langen Vulkankette geführt hat – der Tristan-Gough-Walvis-Vulkankette mit den vulkanisch aktiven Inseln Tristan da Cunha und Gough an ihrem südwestlichen Ende und immer älter werdenden Vulkanen in nordöstlicher Richtung in Richtung der Plattenbewegung. Allgemein ist ein Hotspot die oberflächliche Struktur eines Mantel-Plumes. Dabei handelt es sich um kanal-ähnliche Strukturen, in denen heißes Mantel-Material aus einer Tiefe von bis zu 2800 Kilometern im Erdinneren – knapp oberhalb der Grenze zwischen Erdkern und Erdmantel – an die Erdoberfläche aufsteigt. Weil die Lava an Hotspots eine andere geochemische Zusammensetzung hat als etwa die vulkanischen Gesteine der Mittelozeanischen Rücken, deren Schmelzen aus dem oberen Erdmantel stammen, können ihre Spuren über tausende Kilometer verfolgt werden.

Zur Untersuchung des Hotspot-Vulkanismus sammelte ein Forschungsteam des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel in Kooperation mit dem Alfred-Wegner-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und der Universität Erlangen 2019 auf der Expedition MSM 82 mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN Gesteine von der dahin kaum beprobten Rio Grande Rise, einem Teil der Tristan-Gough-Walvis-Kette auf der südamerikanischen Platte. Diese Spur von Hotspots ist eine der wenigen weltweit, die mit einem starken vulkanischen Lavafluss begann. Dieser bildete vor etwa 135 Millionen Jahren zunächst die Parana- und Etendeka-Flutbasaltprovinzen in Brasilien und Namibia und entwickelte anschließend eine äußerst komplexe Vulkankette am Boden des Südatlantiks.

Nach dem klassischen Hotspot-Modell kann der im Erdmantel aufsteigende Mantel-Plume zunächst als Pilz betrachtet werden. Bei Erreichen der Lithosphäre breitet sich der Kopf des Plumes entlang der Basis der Lithosphäre aus – was den Hut des „Pilzes“ bildet – und erzeugt Schmelzen über ein großes Gebiet von bis zu 2000 Kilometern Durchmesser, die als Flutbasaltprovinzen bekannt sind. Nach einigen Millionen Jahren breitet sich der Plumekopf aus, und über dem Plume-Schlauch – oder dem Stiel des Pilzes – bildet sich eine altersmäßig fortschreitende Vulkankette, die sich in die der Plattenbewegung entgegengesetzte Richtung verjüngt. Die Tristan-Gough Vulkankette ist an ihrem jüngeren Ende jedoch mehr als 400 Kilometer breit – was nicht mit der klassischen Vorstellung von Mantel-Plumes erklärt werden kann.

„Der geochemische Fingerabdruck zeigt eine räumliche Zonierung nahezu entlang der gesamten Vulkankette Mit Blick auf unsere geochemischen und Altersdaten in Kombination mit plattentektonischen Rekonstruktionen, scheint sich der Tristan-Gough Plume kurz nach dem Plumekopf-Stadium in mindestens zwei Arme im oberen Erdmantel aufgespalten zu haben, was die ungewöhnlich Breite der Vulkankette erklären kann“ erläutert Dr. Stephan Homrighausen vom GEOMAR, Erstautor der aktuellen Studie.

Professor Dr. Kaj Hoernle, Leiter der Arbeitsgruppe Petrologie und Geochemie in der Forschungseinheit Magmatische und Hydrothermale Systeme am GEOMAR führt aus: „Unsere Vor-Ort-Arbeiten konnten erstmals numerische Modelle dieser Aufspaltung bekräftigen und bestätigen, dass aufsteigenden Mantel-Plumes verschiedene Formen haben können – was dann zu komplexen Vulkanketten führt.“

„Die zeitliche und räumliche Entstehung dieser Vulkanketten hat eine erhebliche globale Bedeutung, da sie einerseits polymetallische Lagerstätten bilden und andererseits auch das globale Klima durch die Veränderung der Ozeanzirkulation und ihre Eruptionsprodukte beeinflussen können“ ergänzt Dr. Jörg Geldmacher vom GEOMAR und Co-Autor der aktuellen Studie. „Insbesondere die großen Flutbasaltprovinzen werden mit den globalen Massenaussterben der Erdgeschichte in Zusammenhang gebracht“.

Original-Publikation:

Homrighausen, S., Hoernle, K., Hauff, F. et al. (2023): Evidence for compositionally distinct upper mantle plumelets since the early history of the Tristan-Gough hotspot. Nature Communications, doi: https://doi.org/10.1038/s41467-023-39585-0

Forschungsschiff MARIA S. MERIAN vor der Insel Tristan da Cunha

Das Forschungsschiff MARIA S. MERIAN vor der Insel Tristan da Cunha während der Expedition MSM20-2 im Januar 2012. Foto: Catherine Rannou

MARIA S. MERIAN beim Auslaufen aus dem Hafen von Montevideo, Uruguay

MARIA S. MERIAN beim Auslaufen aus dem Hafen von Montevideo, Uruguay, zu Beginn der Expedition MSM82 im März 2019. Foto: Jan J. Falkenberg, Universität Erlangen

Bergen von Gesteinproben mit dem Kettensack.

Bergen von Gesteinproben mit dem Kettensack. Foto: Stefan Krumm, Universität Erlangen

Entnahme von Sedimentproben aus dem Kettensack.

Entnahme von Sedimentproben aus dem Kettensack. Foto: Stefan Krumm, Universität Erlangen

Gesteinsproben aus der Tiefsee an Bord der MARIA S. MERIAN.

Gesteinsproben aus der Tiefsee an Bord der MARIA S. MERIAN. Foto: Stefan Krumm, Universität Erlangen

Gesteinsproben im Arbeitsbereich auf der MARIA S. MERIAN

Im Arbeitsbereich auf der MARIA S. MERIAN werden die auf der Expedition MSM82 geborgenen Gesteine für Analysen an Land vorbereitet. Foto: Jan J. Falkenberg, Universität Erlangen