Forschung im größten Ökosystem der Welt
In der 30. Marie-Tharp-Vorlesung gibt Prof. Dr. Angelika Brandt neue Einblicke in die Tiefsee
02. Oktober 2019/Kiel. Die US-Geologin Marie Tharp (1920-2006) leistete mit ihren Karten des Meeresbodens in den 1950er und 1960er Jahren einen wichtigen Beitrag dazu, die wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf diesen bisher unbekannten Teil der Erdoberfläche zu lenken. In der 30. Ausgabe der nach ihr benannten Vorlesungsreihe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Meeresforschung Kiel ging es passenderweise um neue Erkenntnisse und die noch offenen Fragen zum Ökosystem Tiefsee. Immerhin ist dies der größte Lebensraum auf unserem Planeten. Auch heute ist kaum ein Prozent davon wissenschaftlich untersucht.
Dr. Angelika Brandt, Professorin für Meereszoologie am Forschungsinstitut Senckenberg sowie an der Goethe-Universität Frankfurt, gab Einblick in die Vielfalt ausgewählter Organismengruppen, ihre Biogeographie, spezielle Anpassungsstrategien und geografische Regionen. Die in der Tiefsee lebenden Lebewesen sind an die Kälte (2-4 ° C), Dunkelheit, geringe Nahrungsverfügbarkeit und den sehr hohen Umgebungsdruck (1100 bar) angepasst, da sie in bis zu 11.000 m Tiefe leben müssen.
Die Tiefsee wird oft als monotoner, homogener Lebensraum beschrieben. Expeditionen mit Forschungsschiffen, Tauchbooten und Robotern in diesen unbekannten Lebensraum haben unser Wissen jedoch stark erweitert. Die erste Expedition zur systematischen Erforschung der Tiefsee fand 1872-1876 mit der HMS Challenger statt. Einige Jahre später, 1898-1899, wurde die deutsche Valdivia-Expedition unter der Leitung des Zoologen Carl Chun abgeschlossen. Viele Expeditionen folgten, darunter alleine 29 von Dr. Brandt in den vergangenen Jahren.
Prof. Dr. Angelika Brandt begann ihre wissenschaftliche Karriere als Studentin an der Universität Oldenburg und erwarb 1987 ihren Master in Biologie und Pädagogik. Während ihrer Promotion in Zoologie (1991), ebenfalls an der Universität Oldenburg, verbrachte Dr. Brandt einen Auslandsaufenthalt am Scripps Institute for Oceanography. Drei Jahre lang war sie Postdoc am Institut für Polarökologie der Universität Kiel, danach erhielt sie 1995 eine Professur an der Universität Hamburg. Sie wurde zur stellvertretenden Direktorin und dann zur Direktorin (2003, 2004-2009) des Zoologischen Museums der Universität Hamburg, wo sie die Sammlung Invertebrates II kuratierte. Dr. Brandt ist heute Leiter der Meereszoologie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt.
Dr. Brandt hat während ihrer Karriere über 250 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht und das Time Magazine schätzte ihre 2007er Nature-Veröffentlichung als die viertwichtigste der 10 wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen des Jahres ein. Unter anderem erhielt sie 1992 für ihre Doktorarbeit den Wissenschaftspreis der Annette-Barthelt-Stiftung, 2003 wurde sie Fellow der Linnean Society of London und 2007 den Preis der National Geographic Society for Adventurer of the Year. Im Jahr 2008 wurde Dr. Brandt mit der SCAR-Medaille für hervorragende Leistungen in den Polarwissenschaften ausgezeichnet. Sie hat in vielen internationalen Gremien mitgewirkt und war Gründungsmitglied mehrerer Biodiversitätsorganisationen.
Die "Marie Tharp Lecture Series (MTLS)" wird vom Women's Executive Board (WEB) von GEOMAR ausgerichtet. Das WEB lädt international renommierte Wissenschaftlerinnen ein, ihre wissenschaftlichen Arbeiten in Kiel zu präsentieren, mit dem Ziel, jungen Wissenschaftlerinnen als Vorbild zu dienen.