Forschung zu marinen Methoden der Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre sollte nicht nur die Machbarkeit und Wirksamkeit betrachten, sondern auch politische, soziale und rechtliche Rahmenbedingungen in den Blick nehmen. Foto: Oliver Sjostrom, Unsplash
Algenanbau gilt als biologische Möglichkeit zur Kohlendioxid-Aufnahme im Ozean. Foto: Silas Baisch, Unsplash
Seegras kann helfen, Kohlenstoff im Meeresboden einzulagern. Foto: Jan Dierking, GEOMAR
Der Ozean liefert Optionen für eine verstärkte Reduzierung der Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre. Foto: Sunke Schmidtko, GEOMAR.

Für eine verantwortungsvolle Forschung zu mariner Kohlendioxid-Entnahme

Neue Berichte zu ozeanbasierten Methoden unter Beteiligung des GEOMAR

09.12.2021/Kiel/Washington. Forschung zu marinen Methoden der Entnahme von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre ist wichtig. Sollte aber nicht nur die Machbarkeit und Wirksamkeit betrachten, sondern auch politische, soziale und rechtliche Rahmenbedingungen in den Blick nehmen. Dies empfehlen zwei neue in den Vereinigten Staaten von Amerika veröffentlichte Berichte, an deren Entstehung Forscher des GEOMAR und der Deutschen Allianz Meeresforschung beteiligt waren. Die Schlussfolgerungen sind von internationaler Relevanz.

Die Verringerung von Treibhausgasemissionen und die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs sind die oberste Priorität der globalen Klimapolitik. Da die Emissionen von Kohlendioxid (CO2) jedoch noch immer steigen, ist es mittlerweile fast unmöglich, die bei der Weltklimakonferenz von Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen, ohne zusätzlich zur massiven Reduzierung der Emissionen auch CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Der Ozean rückt als Teil neuer Methoden für die Entnahme von Kohlendioxid immer mehr in den Fokus der nationalen und internationalen Forschung: Er puffert nicht nur auf natürliche Weise einen großen Teil der von Menschen verursachten CO2-Emissionen ab – sondern liefert auch zusätzliche Optionen für eine verstärkte Reduzierung der Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre.

Zwei jetzt erschienene Berichte der US-amerikanischen National Academies of Sciences, Engineering and Medicine (NASEM) und des Aspen Institute fassen das derzeitige Wissen über marine CO2-Entnahme-Methoden zusammen und zeigen konkrete Wege für eine verantwortungsvolle Erforschung und Entwicklung vielversprechender mariner CDR-Konzepte auf. „Eine wichtige Botschaft des NASEM-Reports ist, dass Forschung nicht nur naturwissenschaftliche Fragen zur Wirksamkeit und Nebenwirkungen verschiedener mariner CO2-Entnahme-Methoden untersucht, sondern auch politische, soziale und rechtliche Rahmenbedingungen einbezieht“, betont Professor Dr. Andreas Oschlies. Der Leiter der Abteilung Biogeochemische Modellierung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und erster Sprecher der Mission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ (CDRmare) der Deutschen Allianz Meeresforschung war als einer von zwölf Wissenschaftler*innen an der Erstellung des Berichts beteiligt.

„Die Empfehlungen der US-Amerikanischen Wissenschaftsakademien haben internationale Relevanz“, so Professor Oschlies. „Wir alle stehen vor der Frage, wie wir unsere Klimaziele einhalten können. Die Forschung kann hier zur Entscheidungsfindung beitragen, indem sie sowohl biologische Methoden wie etwa die Wiederherstellung von marinen Ökosystemen, Algenanbau, oder auch Ozeandüngung, als auch chemische Methoden wie Alkalinisierung des Meerwassers umfassend untersucht. Hier geht es nicht nur um die technische und ökologische Machbarkeit, sondern auch um soziale, politische und rechtliche Aspekte, Zielkonflikte und Synergien im Rahmen einer nachhaltigen Nutzung des Ozeans.“

Parallel zum NASEM-Report veröffentlicht das Aspen Institut einen Leitfaden für verantwortungsvolle Forschung und Innovation zu marinen CO2-Entnahme-Methoden. Dr. David Keller, Erdsystemmodellierer am GEOMAR und Teil des Expert*innengremiums für den Leitfaden erklärt: „Der Aspen-Bericht bietet einige dringend benötigte Anhaltspunkte für eine verantwortungsvolle Forschung und Entwicklung und ist ein wichtiger Schritt zur Ausarbeitung eines umfassenden Verhaltenskodex für Forschungsansätze zu marinen CO2-Entnahme-Methoden.“ Dr. Keller brachte auch Erfahrungen aus dem von ihm koordinierten und von der Europäischen Union geförderten Projekt Ocean-Based Negative Emission Technologies (OceanNETs) ein. In dem Projekt arbeiten 14 Institutionen an der Beantwortung wichtiger Fragen zu Potenzialen und Risiken ozean-basierter CO2 Entnahme-Methoden.

Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR und Vorstandsmitglied der Deutschen Allianz Meeresforschung begrüßt die Vorschläge für eine integrative Ausrichtung der Forschung: „Der Ozean ist einerseits vom Klimawandel betroffen und andererseits Teil der Lösung: Er bietet uns Optionen, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen und sicher zu speichern. Dieses Potenzial zu quantifizieren, Chancen und Risiken zu untersuchen und nachhaltige Ansätze einer möglichen Nutzung zu identifizieren, ist ein wichtiger Teil unserer Forschung am GEOMAR und in der Deutschen Allianz Meeresforschung. Es genügt aber nicht, gute Wissenschaft zu machen. Wir müssen unsere Ergebnisse auch in die Gesellschaft tragen und der Politik fundiertes Handlungswissen bereitstellen.“

Publikationen:

National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine, 2021: A Research Strategy for Ocean-based Carbon Dioxide Removal and Sequestration. Washington, DC: The National Academies Press. https://doi.org/10.17226/26278.

The Aspen Institute Energy and Environment Program, 2021: Guidance for Ocean-Based Carbon Dioxide Removal Projects: A Pathway to Developing a Code of Conduct. https://bityl.co/9zrs

Hintergrundinformationen CDRmare:

In der Forschungsmission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ – kurz: CDRmare – der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) untersuchen rund 200 Forschende in sechs Verbundprojekten, wie und in welchem Umfang der Ozean eine nachhaltige Rolle bei der Entnahme und der Speicherung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre spielen kann. Übergreifend koordiniert wird CDRmare (CDR = Carbon Dioxide Removal = Kohlendioxidentnahme) am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Forschungsmission mit 27 Mio. Euro über eine erste Phase von drei Jahren (1.8.2021 – 31.7.2024). Die Deutsche Allianz Meeresforschung erarbeitet mit ihren 22 Mitgliedseinrichtungen lösungsorientiertes Wissen und Handlungsoptionen für einen nachhaltigen Umgang mit den Küsten, Meeren und Ozeanen.

Hintergrundinformationen OceanNETs:

In dem Projekt Ocean-based Negative Emission Technologies (OceanNETs) beschäftigen sich Wissenschaftler*innen aus 14 Institutionen in sechs Ländern mit Chancen und Risiken ozean-basierter Technologien für „negative Emissionen“. Das Projekt wird von der EU im Rahmen des Horizon2020-Programms (Bewilligungs-Nr. 869357) mit insgesamt 7,2 Millionen Euro gefördert und hat eine Laufzeit von 5 Jahren (01.07.2021 – 31.06.2025). Die Gesamtkoordination liegt beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Luftaufnahme einer Küste
Forschung zu marinen Methoden der Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre sollte nicht nur die Machbarkeit und Wirksamkeit betrachten, sondern auch politische, soziale und rechtliche Rahmenbedingungen in den Blick nehmen. Foto: Oliver Sjostrom, Unsplash
Sonnenlicht fällt durchs Wasser auf Braunalgen
Algenanbau gilt als biologische Möglichkeit zur Kohlendioxid-Aufnahme im Ozean. Foto: Silas Baisch, Unsplash
Seegraswiese unter Wasser
Seegras kann helfen, Kohlenstoff im Meeresboden einzulagern. Foto: Jan Dierking, GEOMAR
Sonnenlicht fällt durch Wolken auf die Meeeresoberfläche.
Der Ozean liefert Optionen für eine verstärkte Reduzierung der Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre. Foto: Sunke Schmidtko, GEOMAR.