Gemeinsam für die Erholung unseres Ozeans
Forschende beraten in Kiel über Maßnahmen für den dauerhaften Erhalt mariner Ökosysteme
Der Ozean, seine Küsten und die damit verbundenen wertvollen Lebensräume sind unter Stress und verlieren durch menschliche Einflüsse und intensive Nutzung entscheidende Funktionen für die Menschheit. 2,8 Milliarden Menschen leben in Küstennähe, viele davon in Megastädten. Versauerung, Überfischung, Verschmutzung, Verlust an Biodiversität und die Zerstörung wertvoller Küstenräume beispielsweise durch die Abholzung von Mangroven oder dichte Bebauung durch Industrie oder Tourismus gehören zu den enormen Belastungen für die weltweiten marinen Ökosysteme.
Im Rahmen des Kieler Symposiums haben internationale Expertinnen und Experten mögliche Strategien zur Erholung und Wiederherstellung der Meeresumwelt aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Natur-, Sozial- und Rechtswissenschaften beleuchtet. „Der dauerhafte Erhalt mariner Ökosysteme gehört zu den drängenden globalen Herausforderungen“, sagt Anja Engel, Professorin für Biologische Ozeanografie am GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel und eine der Organisatorinnen des Symposiums. „Unser Ziel ist es, in Kiel eine Führungsrolle für die Vernetzung unterschiedlicher Interessengruppen aus wissenschaftlichen Institutionen, Nicht-Regierungsorganisationen und später auch der Politik zu übernehmen. Gemeinsam wollen wir Handlungsempfehlungen entwickeln, die zur Umsetzung des Nachhaltigen Entwicklungsziels 14 beitragen.“ Das nachhaltige Entwicklungsziel (SDG) 14 ist in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der vereinten Nationen verankert und fordert den Schutz, die nachhaltige Nutzung sowie den Erhalt eines gesunden und produktiven Ozeans.
Zu den Teilnehmenden des eintägigen Symposiums gehörten neben den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Studierende des Kieler Masterstudiengangs „Biological Oceanography“ sowie Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und Landesbehörden. Die eingeladenen Experten waren sich einig, dass Verschmutzungs-Hotspots, die Nutzung des Ozeans und die allgegenwärtigen Herausforderungen durch Überfischung und Klimawandel treibende Kräfte für den weltweiten Rückgang der Artenvielfalt sind. „Es ist für uns daher wichtig, in den kommenden 50 Jahren weitreichende Veränderungen anzuregen und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten“ fasst Ute Henschel Humeida, Professorin für Marine Mikrobiologie am GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Co-Organisatorin des Workshops zusammen.
„Der gesundheitsfördernde Aspekt der Meere dürfe auch nicht unterschätzt werden“, sagt Lora Fleming von der University of Exeter in Großbritannien. Die Ärztin und Epidemiologin forscht seit mehr als 30 Jahren an Interaktionen zwischen dem Ozean und der menschlichen Gesundheit. „Menschen die an der Küste leben haben weniger Stress und weisen ein höheres Vitamin D-Level auf“, zeigt Fleming anhand verschiedener Studien. „Es gilt, sich im Umgang mit unseren Meeren nicht nur auf Risiken und Herausforderungen zu konzentrieren, sondern auch die faszinierenden Möglichkeiten für die Gesundheit und das Wohlbefinden nicht aus den Augen zu verlieren“, so Fleming.
„Die Wiederherstellung mariner Artenvielfalt ist möglich“, sagt Carlos Duarte, Professor an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Saudi-Arabien. Der Forscher beschäftigt sich mit der Wiederherstellung mariner Ökosysteme. Seegraswiesen, wie sie auch in der Ostsee vielfach vorkommen, waren bis 1980 weltweit im Rückgang begriffen. Mittlerweile erholt sich das wichtige Ökosystem in vielen Regionen wieder, nicht zuletzt dank Wiederbepflanzungsmaßnahmen und der Verbesserung der Wasserqualität.
Im Anschluss an das Symposium trafen sich rund 30 internationale Expertinnen und Experten, um einige der bereits am Vortag diskutierten Aspekte im Rahmen eines Workshops zu vertiefen. Dabei ging es beispielsweise um die Frage, in welchem Ausmaß der massive Druck auf die marinen Ökosysteme reduziert werden muss, um eine nachhaltige Erholung sicherzustellen. „Die vergangenen zwei Tage haben verdeutlicht, wie wichtig integrative und transdisziplinäre Forschungsansätze sind“, so das Fazit der Organisatorin Ute Henschel Humeida. „Wir haben über wichtige Herausforderungen im Umgang mit unseren Meeren diskutiert und planen, vielleicht schon im kommenden Jahr erste Ergebnisse neuer Kooperationen vorstellen zu können.“