GEOMAR setzt sich auf UN-Ozeankonferenz 2022 für starken Meeresschutz ein
Das Institut rückt die Bedeutung der Meeresforschung für das Klima in den Fokus
Die Bedeutung der Meeresforschung für die Eindämmung des menschengemachten Klimawandels zu verdeutlichen – das war Hauptfokus der Wissenschaftler:innen vom GEOMAR-Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel auf der UN-Ozeankonferenz, die vom 27. Juni bis zum 1. Juli 2022 in Lissabon stattfand. Die internationale Konferenz diente der Vernetzung verschiedener Expertisen zum Schutz und nachhaltiger Nutzung des Ozeans.
„Der Ozean ist auf der politischen Agenda angekommen, und das begrüßen wir“, bekräftigt Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR, die als Vertreterin der deutschen Delegation an der Konferenz teilnahm. „Auf der UN-Ozeankonferenz hat sich das einmal mehr gezeigt. Inzwischen haben alle verstanden, dass Handeln für den Ozean auch Handeln für das Klima bedeutet. Sogar die Meeresstrategie der Bundesregierung enthält viele Punkte, die Ozean und Klima verbinden. Da können wir mit unserer Kompetenz sinnvoll beitragen“, so Matthes weiter.
Inhaltlich bildeten zwei vom GEOMAR maßgeblich mitbestimmte Themen Schwerpunkte der Veranstaltung – digitale, modellbasierte Abbilder vom Ozean, so genannte digitale Ozeanzwillinge, sowie der Bedarf an einem nachhaltigen Ozeanbeobachtungssystem, standen ganz oben auf der Tagesordnung der Konferenz.
Das GEOMAR ist federführend an zwei großen Projekten zu beiden Themen beteiligt: Das Projekt Digitale Zwillinge des Ozeans (Digital Twins of the Ocean, DITTO) ermöglicht Nutzer:innen, auf der Grundlage gemeinsamer Daten, Modelle und Kenntnisse, Fragen zu Meeresschutz, Meeresmanagement und einer nachhaltigen Wirtschaft für den realen Zwilling zu beantworten.
Das Globale Ozeanbeobachtungssystem (Global Ocean Observing System, GOOS) wird durch das GEOMAR in leitender Position im Lenkungsausschuss mit koordiniert. Zudem wurde in Lissabon durch das GEOMAR mit verschiedenen Kooperationspartnern eine offizielle Nebenveranstaltung zur Ozeanbeobachtung organisiert.
Im Rahmen der Nebenveranstaltung wurde der Bedarf an gloablen Ozeanbeobachtung intensiv diskutiert. Leitende Wissenschaftler:innen von vier großen Meeresforschungseinrichtungen (GEOMAR; Scripps Institution of Oceanography at UC San Diego, SIO; National Oceanography Centre, NOC; Institut Français de Recherche pour l’Exploitation de la Mer, IFREMER) nutzten diese besondere Gelegenheit, um gemeinsam zu erörtern, wie die Forschungszentren mit ihren Kompetenzen zusammenwirken können, um den Bedarf an einem nachhaltigen Ozeanbeobachtungssystem auf Basis kontinuierlicher Informationsflüsse zu decken. Damit wollten die Einrichtungen ein starkes Signal der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene geben.
„Diese Konferenzen sind wichtig, damit alle Menschen immer wieder daran erinnert werden, wie grundlegend das Meer für alles Leben auf diesem Planeten ist.“, sagt Professor Dr. Martin Visbeck, Leitung der physikalischen Ozeanographie am GEOMAR, Programmkoordinator von Projekt DITTO sowie Mitglied im Vorstand des Deutschen Ozean-Dekade-Komitees. „In diesem Jahr wurden bereits Fortschritte bei der Errichtung von Meeresschutzgebieten erreicht. Auch der Zusammenhang zwischen Ozean, Klima und Biodiversität hat mehr Sichtbarkeit bekommen. Das ist ein guter Anfang. Vor allem muss Meeresschutz global gedacht werden, denn Ländergrenzen gibt es im Ozean für die meisten Probleme nicht. Unsere Zusammenarbeit mit den Kap Verden ist hier ein starkes Beispiel für eine solche Kooperation.“ Das GEOMAR betreibt seit November 2017 gemeinsam mit dem nationalen Meeresinstitut der Kapverden (Instituto do Mar, IMar) das Zentrum für Meereswissenschaften Mindelo (Ocean Science Centre Mindelo, OSCM). Diese Kooperation wurde auf der UN-Ozeankonferenz weiter verstärkt.
„Der offene Ozean, also das Gebiet außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit, hat leider noch keine starke Stimme auf der Konferenz.“, kritisiert Dr. Toste Tanhua, chemischer Ozeanograph am GEOMAR und einer der Vorsitzenden von GOOS. „Dieses Gebiet umfasst etwa 50 Prozent der Erde. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass seine Relevanz immer unter den Tisch fällt, sobald es um verbindliche Zusagen geht. Das ist ein wichtiger Punkt für die nächste Konferenz.
Aber viele von uns hatten die Gelegenheit, Kolleg:innen und Freundschaften aus der ganzen Welt wiederzutreffen, mit ihnen über Lösungen für die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu sprechen und diese Lösungen in die nächsten Ebenen der Entscheidungsfindung zu tragen. Ich hoffe, in der nächsten Zeit noch mehr von unserem Wirken zu sehen.“
Das GEOMAR bringt sich bereits seit letztem Jahr unter anderem mit dem Projekt DITTO und der Zusammenarbeit mit dem Klimakompetenzzentrum WASCAL in Westafrika in die UN Dekade der Ozeanforschung Nachhaltige Entwicklung ein, die von den Vereinten Nationen für die Jahre 2021 bis 2030 ausgerufen wurde. Diese beiden Projekte sind im Rahmen der Ozeandekade offiziell anerkannt.
Hintergrundinfo
Wissenschaftler:innen in Lissabon und Schwerpunkte:
- Katja Matthes; Direktorin GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Mitglied der deutschen Delegation vor Ort
- Martin Visbeck; Mitglied im Vorstand des Deutschen Ozean-Dekade-Komitees, Projekt Digitale Zwillinge des Ozeans (Digital Twins of the Ocean, DITTO)
- David Keller; Vergleichsprojekt Kohlenstoffentnahmemodelle (The Carbon Dioxide Removal Model Intercomparison Project, CDR-MIP), Projekt zur CO2-Entnahme durch Erhöhung der Alkalinität im Ozean (RETAKE), Projekt über blauen Kohlenstoff zur CO2-Entfernung (sea4soCiety), Projekt ozeanbasierte Negativemissionstechnologien (Ocean-based Negative Emission Technologies, OceanNETs),
- Björn Fiedler; Geteilte Leitung des Ozeandekade-Projekts: Westafrikanisches Wissenschaftsservicezentrum für Klimawandel und angepasste Landnutzung (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use, WASCAL), Kap Verde Graduiertenschule für Klimawandel und Meereswissenschaften
- Toste Tanhua; Ko-Vorsitzender des Globalen Ozeanbeobachtungssystems (Global Ocean Observing System, GOOS), Koordinator des EU-Programms EuroSEA
- Rebecca Zitoun; Netzwerkprogramm für Nachwuchskräfte im Meeresbereich (Early Career Ocean Professional Network, ECOP), Schwerpunkt Ozeanbildung mit allen (Ocean Literacy With All, OLWA), Programm junge Botschafter:innen des paneuropäischen Forums für Meeresforschung und -technologie (European Marine Board, EMB)