Grüße aus der Ferne: Es weihnachtet an Bord
GEOMAR-Forschende verbringen die Festtage im Dienst der Wissenschaft auf See
Sie forschen zur Vergänglichkeit des Ostantarktischen Eisschildes, bestimmen Spurengase in der Labradorsee, untersuchen ein neu entdecktes Grundwasservorkommen unter dem Meeresboden oder erstellen ein seismisches Abbild des Störungssystems am mittelozeanischen Rücken östlich von Madagaskar: Vier Gruppen von Wissenschaftler:innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel sind derzeit für Expeditionen mit den Forschungsschiffen POLARSTERN (PS140), METEOR (M196), MARIA S. MERIAN (MSM123) und SONNE (SO301) auf den Weltmeeren unterwegs. Sie verbringen in diesem Jahr die Weihnachtsfeiertage auf See – fern ihrer Familien und Lieben, denn die Wissenschaft kennt keine Feiertage.
„Einigen mag das leichter fallen, weil sie es vielleicht als Seeleute gewohnt sind, für längere Zeit von zu Hause weg zu sein oder sich gar an Bord zu Hause fühlen“, sagt Julia Schätzel, Teamassistenz in der Forschungseinheit Marine Geodynamik und aktuell an Bord der METEOR, „aber vielen wird sicherlich nicht leicht ums Herz sein.“ Zumal jeder Moment an Bord Arbeit ist: Geschlafen wird nach der Uhr, immer mit Blick auf die nächste Schicht. Richtig entspannen kann die Crew während einer Ausfahrt nie: Im Notfall auf Unvorhergesehenes reagieren zu können, gehört zum Job und ist überlebenswichtig.
Umso wichtiger ist es, die Feiertage möglichst festlich zu gestalten, und da wird es an Bord eines jeden Forschungsschiffes etwas Besonderes geben. Das gilt insbesondere für die Verpflegung. Ist das Essen an Bord generell schon immer gut und reichlich – eine Grundvoraussetzung dafür, dass keine schlechte Laune aufkommt – wird zu den Feiertagen in der Kombüse extra gezaubert.
M196: Tannenbaumschmücken bei T-Shirt-Wetter
„Es weihnachtet bei uns an Bord!“, kann Julia Schätzel von der METEOR berichten. Seit Anfang Dezember ist das Forschungsschiff im Golf von Korinth, Griechenland, unterwegs. Die Expedition M196 unter der Leitung von Dr. Marion Jegen-Kulscar untersucht ein neu entdecktes Grundwasservorkommen unter dem Meeresboden. Die Messe, der Aufenthaltsraum, in dem die Besatzung ihre Mahlzeiten einnimmt, ist adventlich geschmückt, an den Adventssonntagen gab es bereits immer ein besonders festliches Essen, und die Wissenschaftler:innen hatten für sich und die Schiffs-Crew einen Adventskalender gebastelt.
Direkt vor den Feiertagen ist es jetzt an Bord merklich leerer geworden: Am Freitag sind die meisten Teilnehmenden im Hafen von Patras „ausgeschifft“ worden und können Weihnachten somit zu Hause verbringen. Für die aktuelle Transitfahrt nach Zypern sind neben der Schiffbesatzung nur noch die drei GEOMAR-Mitarbeitenden Julia Schätzel, Dr. Marion Jegen-Kulscar und Techniker Martin Wollatz-Vogt an Bord geblieben.
Dafür ist in Patras ein Tannenbaum an Bord gekommen, der nun gemeinschaftlich geschmückt wird. Das Essen an Heiligabend wird eher einfach, „ganz im Sinne von Kartoffelsalat und Würstchen“. Danach ist Bescherung – allerdings sind die Geschenke nicht ganz ernst gemeint. Julia Schätzel: „Wir machen eine Abwandlung vom Schrottwichteln und schenken uns gegenseitig ‚Stehrumskis‘.“ Also Dinge, die lange einfach in den Kammern rumgestanden haben. Ein besonderes Essen gibt es am Ersten Weihnachtsfeiertag: Spanferkel-Grillen an Deck. Das Wetter lässt es zu: Erwartet werden Temperaturen um 15 Grad und Sonnenschein. Und am Zweiten Feiertag wird es dann richtig festlich. „Da erwartet uns ein großes Weihnachtsessen, ganz traditionell mit Entenbrust, Rotkohl und allem, was dazu gehört“, sagt Schätzel. Sie ist dankbar dafür, dass die Crew an Bord der METEOR so viel Herzblut in die Vorbereitungen steckt: „Man darf nicht vergessen: Jeder Mensch auf See bedeutet ein leerer Platz unter einem Weihnachtsbaum an Land. Aber wenn ich schon nicht zu Hause sein kann, so bin ich hier doch am zweitbesten Ort und fühle mich sehr gut aufgehoben.“
MSM123: Plätzchen backen in rauer See
Während wir in Kiel in diesem Jahr wohl nur von einer weißen Weihnacht träumen können, fehlt es auf der MARIA S. MERIAN an Schnee ganz und gar nicht. „Es ist definitiv schön kalt hier“, sagt Dr. Christa Marandino, und präzisiert: „Mal schön, mal aber auch sehr stürmisch.“ Die Expedition MSM123, deren Fahrtleitung die Meereschemikerin innehat, ist seit Ende November im Nordwestatlantik unterwegs, genauer gesagt in der Labradorsee zwischen Kanada und Grönland. Die Temperaturen liegen zwischen 2 und -5 Grad Celsius, etwa einmal pro Woche gibt es einen Sturm mit Windstärken bis zu 11 Beaufort und einzelnen Wellen von bis zu 15 Metern Höhe.
Dafür wird es unter Deck umso gemütlicher. Die Messe ist weihnachtlich geschmückt, an den Adventssonntagen gibt es Lebkuchen und Glühwein, es wurden sogar Plätzchen gebacken, und das GC/MS-Labor wird von Lichterketten und einem leuchtenden Stern erhellt. „Hier messen wir Spurengase im Ozean“, erläutert Dr. Marandino. Dabei steht GC für das Gas-Chromatographie-Gerät, mit dem das zu untersuchende Stoffgemisch aufgetrennt wird und MS für das Massenspektrometer, mit dem dann die einzelnen Komponenten identifiziert werden. Die Expedition untersucht, wie sich Blasen im Wasser auf den Austausch von Gasen wie Kohlendioxid und Sauerstoff zwischen dem Ozean und der Luft auswirken.
Und was gibt es wohl an Weihnachten zu essen? Das wird eine Überraschung. Dr. Marandino: „Ich denke, das gehört zu den schönen Dingen – ein Überraschungsfestessen an Bord. Die Schiffscrew der MERIAN ist bereits in festlicher Stimmung, und ich bin sicher, dass wir diesen Tag mit einem besonderen Essen begehen werden.“
SO301: Wichtelrunde im Wissenschaftsteam
Auf der Ausfahrt SO301 ist ein kleines Team von „OBS-Fischern“ des GEOMAR zurzeit im Indischen Ozean unterwegs. OBS – das sind Ozeanboden-Seismometer, eine Entwicklung der Forschungseinheit Marine Geodynamik am GEOMAR. Damit werden Aufbau und Struktur der Erdkruste und des Erdmantels unter dem Meer vermessen. „In den Weihnachtsstunden wird überwiegend der Meeresboden kartiert, während die Ozeanbodenseismometer Erdbeben von den drei Rückenachsen registrieren“, sagt Dr. Anke Dannowski. „Das Wetter war uns in den vergangenen Wochen wohlgesonnen und soll voraussichtlich zu den Feiertagen für spiegelglatte See sorgen.“ Das sind nicht nur beste Bedingungen für die Messungen, sondern auch für eine Wichtelrunde im Wissenschaftsteam, für die alle ein kleines Wichtelgeschenk mit auf die Reise genommen (oder an Bord noch fertig gebastelt) haben. „An Heiligabend werden beim Abendbuffet in der Messe die traditionellen Würstchen und der Kartoffelsalat sicherlich nicht fehlen“, erwartet die Geophysikerin. Danach gibt es ein kleines kulturelles Programm: Der Kapitän hält eine Weihnachtsansprache, und die Fahrtteilnehmer:innen stellen Weihnachtsbräuche aus ihren Heimatländern vor. Ein Festessen mit weihnachtlicher Musik gibt es am Ersten Feiertag. Dr. Dannowski: „Auf dem Speiseplan dafür stehen Gänsekeule mit Rotkohl und Kartoffelklößen.“ Eine kleine Pause, bevor es mit dem eng gestrickten Forschungsprogramm weitergeht.
PS140: Weihnachtslieder in traumhafter Eisberglandschaft
Aus der Eisberglandschaft der antarktischen Prydz Bay schickt die Besatzung der Expedition EASI-2 (PS140) vom Forschungsschiff POLARSTERN Weihnachtsgrüße in die Heimat. „Bei unserer Ankunft wurden wir von Pinguinen, Robben, Buckelwalen und australischen Kolleginnen und Kollegen begrüßt“, sagt Dr. Marcus Gutjahr, Geochemiker am GEOMAR und Fahrtleiter der Expedition in die Ostantarktis. Derzeit ist in der Antarktis Polartag. Gutjahr: „Draußen ist kaum eine Wolke am Himmel und am Horizont sehen wir den Antarktischen Eisschild und davor einige Eisberge. Die Landschaft ist traumhaft und die Stimmung gut.“
Auch an Bord der POLARSTERN arbeitet das Team natürlich über die Feiertage. In den kommenden Wochen untersuchen die Wissenschaftler:innen die aktuellen und die vergangenen Umweltbedingungen dieser einzigartigen ursprünglichen Landschaft. Weihnachtliche Stimmung herrscht dennoch an Bord – inklusive bunt geschmückter Tannenbäume in den Gemeinschaftsräumen. Einige Teammitglieder haben sogar gemeinsam Weihnachtslieder einstudiert. „Für Heiligabend ist ein schönes Überraschungsprogramm geplant, wir wollen tagsüber an einer Eisscholle festmachen und feiern nachmittags und abends mit einem gemütlichen Festessen, Glühwein und Wichteln“, sagt Gutjahr. Für Geschenke ist also gesorgt. Und: Die Satellitenverbindung nach Hause sei erstaunlich stabil, man könne sogar einen Videoanruf probieren, sollte das Heimweh doch einmal zu groß werden. „Wir sind sehr gespannt, wie viele parallele Anrufe in die Heimat unsere Satelliten-Internetverbindung schafft, bevor die Leitung überlastet ist – hoffentlich viele.“