Kann Produktion von grünem Wasserstoff dem Ozean zusätzlich nutzen?
Studie aus Kanada legt nahe, dass Sauerstoff aus der grünen Wasserstoffproduktion sauerstoffarmen Meeresregionen neues Leben einhauchen könnte
Klimawandel, Erwärmung und die zunehmende Nährstoffzufuhr in den Ozean führen zu einem stetigen Sauerstoffverlust in der Meeresumwelt und stellen eine ernste Bedrohung für die biologische Vielfalt dar. Schätzungen zufolge haben die Weltmeere seit den 1950er Jahren etwa zwei Prozent ihres gelösten Sauerstoffs verloren. Bis zum Jahr 2100 liegt die Abnahme voraussichtlich bei bis zu vier Prozent. Die Verlustrate kann jedoch in einigen Regionen intensiver ausfallen, etwa an der Küste. Die Folge wären Verschiebungen in der Artengemeinschaft, ein Rückgang der Fischbestände und der biologischen Vielfalt oder Algenblüten sowie Veränderungen des Nährstoffkreislaufs, die zu erhöhten Emissionen von Treibhausgasen wie Lachgas aus dem Meer führen.
Eine größer werdende Region im Sankt-Lorenz-Golf, Kanada, ist derzeit durch Sauerstoff-Verlust bedroht. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass im Zuge des Klimawandels weniger sauerstoffreiches Wasser durch die Cabotstraße zwischen Nova Scotia und Neufundland in den Golf transportiert wird. Auch in der Ostsee existieren seit langem sauerstofffreies Tiefenwasser und ausgedehnte sauerstoffarme Gebiete.
Forschende weisen daher jetzt auf eine Möglichkeit hin, Sauerstoff, der als Nebenprodukt der grünen Wasserstoffproduktion verfügbar wird, in den Ozean zurückzupumpen, um den Verlust aufzuhalten.
Ein Team von Wissenschaftler:innen der Universität Dalhousie in Halifax und der McGill Universität in Montreal, Kanada, sowie des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel konnte zeigen, dass die angedachte grüne Wasserstoffindustrie regional mehr als genug Sauerstoff produzieren könnte, um die Menge auszugleichen, die derzeit jedes Jahr im Sankt-Lorenz-Golf verloren geht. Der bei der Herstellung von Wasserstoff gewonnene Sauerstoff würde normalerweise in die Atmosphäre abgegeben. Er könnte aber auch in den Ozean umgeleitet werden, um die Meeresumwelt wieder mit Sauerstoff zu versorgen. Die Ergebnisse der von Douglas Wallace, Meereschemiker und Professor im Fachbereich Ozeanographie der Universität Dalhousie, geleiteten Studie mit Beteiligung des GEOMAR wurden jetzt in der Fachzeitschrift Mitigation and Adaptation Strategies for Global Change veröffentlicht.
Für ihre Untersuchungen brachten die Forschenden etwa 130 Kilometer von einem vorgeschlagenen Standort für ein Wasserstoffkraftwerk entfernt einen inerten, ungiftigen Tracer-Stoff in tiefes Wasser ein und verfolgten dessen Verteilung. So erkannten sie, dass zugeführter Sauerstoff innerhalb von anderthalb bis vier Jahren in die bedrohten Regionen gelangen würde. Ein ähnliches Konzept wäre auch für die Ostsee denkbar.
Die Studie weist jedoch auf eine Reihe von Forschungsfragen hin. Diese seien zu klären, bevor Sauerstoff als Nebenprodukt einer neuen Industrie in Betracht gezogen werden könne, um einer der Hauptauswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt der Meere entgegenzuwirken. Dr. Toste Tanhua, einer der beteiligten Forschenden des GEOMAR betont, dass eine transatlantische Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler:innen, Ingenieur:innen und Politiker:innen definitiv helfen könnte, Pilotexperimente in den beiden Meeresregionen voranbringen.
Original-Publikation:
Wallace, D.W.R., Jutras, M., Nesbitt, W.A. et al. (2024): Can green hydrogen production be used to mitigate ocean deoxygenation? A scenario from the Gulf of St. Lawrence. Mitigation and Adaptation Strategies for Global Change, doi: https://doi.org/10.1007/s11027-023-10094-1
Projektförderung:
Die Studie wurde vom Marine Environmental Observation, Prediction and Response Network (MEOPAR), einem kanadischen Netzwerk von Exzellenzzentren, sowie vom Réseau Québec maritime (RQM) unterstützt, einer Organisation, die Forschung und nachhaltige maritime Entwicklung zusammenbringt.