Keine Anzeichen für einen Rückgang der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen
GEOMAR trägt wieder zum Bericht des Global Carbon Projects bei
Im Jahr 2022 erreichen die Emissionen von fossilem Kohlendioxid (CO2) weltweit 36,6 Milliarden Tonnen und werden somit leicht höher liegen als vor der Corona-Pandemie. Zusammen mit Landnutzungsemissionen von 3,9 Milliarden Tonnen belaufen sich die Gesamtemissionen auf 40,6 Milliarden Tonnen und damit leicht unter den bislang höchsten Werten von 2019 (40,9 Milliarden Tonnen). Dies zeigt der neue Bericht des Global Carbon Projects. Er wurde heute veröffentlicht, während sich Staats- und Regierungschefs auf der Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten treffen, um über die Klimakrise zu diskutieren.
Die weiterhin hohen Emissionen stehen im Widerspruch zu dem Rückgang, der nötig wäre, um die im Übereinkommen von Paris vereinbarten Grenzen globaler Erwärmung einzuhalten. Um die globale Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent auf 1,5°C zu begrenzen, dürfen insgesamt nur noch 380 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden. Ausgehend von den Emissionswerten des Jahres 2022 wird diese Menge bereits in neun Jahren erreicht sein.
Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel trug zum diesjährigen Bericht Daten bei, die Segelyachten und Handelsschiffe in Kooperation mit GEOMAR-Forschenden rund um den Globus gesammelt haben. So flossen etwa CO2-Messungen ein, die während der „Ocean Race“-Regatta und verschiedenen IMOCA-Rennen stattfanden. Bereits seit 2005 liefern die Kieler Forschenden an Bord eines Handelsschiffs im Nordatlantik gewonnene Daten für den Surface Ocean Carbon Dioxide Atlas (SOCAT). Seit 2014 sind diese Daten auch Teil des Global Carbon Project. Die Messanlagen auf dem Handelsschiff sind eine offizielle Station der europäischen Infrastruktur des Integrated Carbon Observation System (ICOS) und laufen derzeit im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Projekts C-SCOPE.
„Wir sind stolz, Informationen zu dieser international wichtigen Publikation beizutragen, die Entscheidungsträgern eine wissenschaftlich fundierte Basis bietet“, betont Dr. Toste Tanhua, Meereschemiker am GEOMAR und Co-Autor des Global Carbon Budget 2022. „Die Datengrundlage kann nur dank langjähriger Kooperationen entstehen. Wir hoffen, unsere Methoden für die Messungen zukünftig noch weiter auszubauen und weitere ‚Ships of Opportunity‘ zu gewinnen, um Veränderungen im Ozean noch detaillierter zu beobachten. Dies ist wichtig, um Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean und dessen Funktion im Klimasystem abschätzen zu können.“
Der aktuelle Bericht zeigt, dass sich das langfristige Wachstum der fossilen Emissionen abgeschwächt hat. 24 Länder mit wachsenden Volkswirtschaften haben ihre fossilen CO2-Emissionen sogar gesenkt. Doch dies reicht nicht, um die Grenzen des Pariser Abkommens einzuhalten. Um bis zum Jahr 2050 netto null CO2-Emissionen zu erreichen, müssten die gesamten von Menschen verursachten CO2-Emissionen um durchschnittlich 1,4 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr gesenkt werden, vergleichbar mit dem beobachteten Rückgang der Emissionen im Jahr 2020 infolge der COVID-19-Pandemie – was das Ausmaß der erforderlichen Maßnahmen verdeutlicht.
Die prognostizierte Zunahme der fossilen CO2-Emissionen im Jahr 2022 ist vor allem auf den höheren Ölverbrauch durch den wieder gestiegenen Flugverkehr zurückzuführen. Dabei sind regionale Unterschiede deutlich spürbar. So werden die Emissionen im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 in China um etwa 0,9 Prozent und in der Europäischen Union um 0,8 Prozent sinken. In anderen Regionen werden sie hingegen zunehmen: in den Vereinigten Staaten um 1,5 Prozent, in Indien um 6 Prozent und in der übrigen Welt um 1,7 Prozent. Dies spiegelt die derzeitigen geopolitischen Krisen und die Pandemielage wider: Der Rückgang der Emissionen in China ist auf die Auswirkungen coronabedingter Lockdowns zurückzuführen. In der EU hingegen ist der Rückgang vor allem durch die Einschnitte in der Gasversorgung zu erklären – die Emissionen liegen 2022 etwa 10 Prozent niedriger als im Vorjahr. Teils wird dies aber durch einen Anstieg der Emissionen aus Kohle (um 6,7 Prozent) und Öl (um 0,9 Prozent) wettgemacht.
Der Bericht zum Global Carbon Budget erfasst auch den Verbleib der menschengemachten CO2-Emissionen in den natürlichen Senken. Für 2022 schätzen die Wissenschaftler:innen die CO2-Aufnahme des Ozeans auf 10,5 Milliarden Tonnen, die auf dem Land auf 12,4 Milliarden Tonnen. Die verbleibende knappe Hälfte der Gesamtemissionen lässt die atmosphärische CO2-Konzentration weiter steigen, auf 51 Prozent über ihrem vorindustriellen Niveau.
Hintergrund: Global Carbon Budget
Der Bericht zum Global Carbon Budget wird gemeinsam von mehr als 100 Wissenschaftler*innen aufgrund von Daten globaler Messnetzwerke, Satellitendaten, statistischen Erhebungen und Modellrechnungen erstellt. Aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind Wissenschaftler*innen des Alfred-Wegener-Instituts (Bremerhaven), der Ludwig-Maximilians-Universität (München), des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (Hamburg), des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie (Jena), des Karlsruhe Institut für Technologie, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung (Warnemünde), des International Institute for Applied Systems Analysis (Laxenburg), der ETH Zürich und der Universität Bern beteiligt. Das Global Carbon Budget 2022 ist die 17. Ausgabe des jährlich erscheinenden Berichts, der durch unabhängige Expert:innen begutachtet wird.
Publikation:
Friedlingstein et al. (2022) Global Carbon Budget 2022. Earth System Science Data, doi: https://doi.org/10.5194/essd-14-4811-2022
Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)