Klimaretter Ozean? Wie das Meer (noch) mehr Kohlendioxid aufnehmen soll
Der neue, mit Unterstützung des GEOMAR verfasste „World Ocean Review“ präsentiert aktuelles Wissen zu marinen Verfahren zur Kohlendioxid-Entnahme
Der Ozean hat in den zurückliegenden Jahrzehnten rund ein Viertel der vom Menschen freigesetzten Kohlendioxid-Emissionen aufgenommen, in seinen Tiefen eingelagert und den Klimawandel so maßgeblich gebremst. Diese natürliche Aufnahme von Kohlendioxid (CO2) im Meer zu verstärken, ist das Ziel mariner Kohlendioxid-Entnahmeverfahren (engl. Carbon Dioxide Removal, CDR). Forschende untersuchen derzeit in verschiedenen Projekten die Machbarkeit, Kosten, Vorteile, Risiken und Nachhaltigkeit dieser Entnahmeverfahren. Der heute erschienene achte „World Ocean Review“ präsentiert aktuelles Wissen für eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, ob wir Menschen zum Zwecke des Klimaschutzes gezielt in die Abläufe des Ozeans eingreifen dürfen. Zur Erstellung trugen auch Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der vom GEOMAR mit koordinierten Forschungsmission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ (CDRmare) der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) bei.
Der Bericht erläutert die Dringlichkeit wirksamer Klimaschutzmaßnahmen und erklärt, wie der Ozean Kohlendioxid aufnimmt und für lange Zeit speichert. Er beschreibt das CO2-Aufnahmepotenzial der Landvegetation, diskutiert, warum das Meer in Sachen Klimaschutz in den Fokus gerückt ist und stellt im Anschluss vielversprechende marine CO2-Entnahme- und Speicherverfahren im Detail vor, angefangen von der Wiederherstellung und Ausweitung artenreicher Küstenökosysteme über Eingriffe in die Meereschemie (Alkalinitätserhöhung) bis hin zur CO2-Speicherung im tiefen Meeresuntergrund. Zum Abschluss geht er auf wichtige Leitprinzipien und Regeln ein, die nach Ansicht der Wissenschaft etabliert werden müssen, sollte sich die Gesellschaft eines Tages für einen Einsatz mariner CDR-Verfahren entscheiden.
„Erwärmt sich die Erde weiter in der bisherigen Geschwindigkeit, ist ein Kollaps von Natur und Gesellschaft unabwendbar. Um unser Klimaziel einzuhalten, müssen wir zu Methoden greifen, die wirkmächtig und existenziell sind, denn ein Stopp vermeidbarer Emissionen allein wird nicht ausreichen. Ich hoffe deshalb sehr, dass der neue ‚World Ocean Review‘ dazu beiträgt, leider notwendige Maßnahmen besser zu verstehen und deren Konsequenzen zu erkennen“, sagt WOR-Initiator und maribus-Geschäftsführer Nikolaus Gelpke. Die maribus gGmbH gibt den „World Ocean Review“ in Zusammenarbeit mit dem Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM), dem Kieler Future Ocean Netzwerk und dem International Ocean Institute (IOI) heraus.
„Der WOR 8 beschreibt Maßnahmen, die bereits umgesetzt werden (könnten), und solche, die als Option bezüglich ihres Nutzens, aber auch wegen möglicher Risiken noch bewertet werden sollten. Alle Einrichtungen und Institute der deutschen Meeresforschung sind an entsprechenden Projekten beteiligt und belegen so einmal mehr, wie eine Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen der Meeresforschung dazu in der Lage ist, schnell tragbare und nachhaltige Beiträge zu Lösungen eines globalen Problems zu entwickeln. Eindrucksvoll präsentiert der WOR 8 hier ein Kaleidoskop der aktuellen Forschung im Jahr 2023, zeigt aber auch, welches Wissen noch fehlt, um noch verlässlichere Empfehlungen an umsetzende Akteure auszusprechen“, schreibt Professor Dr. Ulrich Bathmann, Vorsitzender des Konsortiums Deutsche Meeresforschung in seinem Vorwort.
Professor Dr. Martin Visbeck, Co-Sprecher des Kieler Future Ocean Netzwerks an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und physikalischer Ozeanograph am GEOMAR führt weiter aus: „Die Themen des WOR 8 werden uns noch viele Jahre begleiten. International sind sie Teil der Klimaverhandlungen zum Erreichen des Pariser Abkommens und in der im Jahr 2021 gestarteten UN-Dekade der Meeresforschung für nachhaltige Entwicklung verankert, die sich mit der Schnittstelle zwischen Ozean und Klima ebenso beschäftigt wie mit dem notwendigen gesellschaftlichen Transformationsprozess. Forschung zu diesem Thema ist daher Zukunftsforschung, und der neue WOR gibt wichtige Impulse für dieses Forschungsfeld.“
Der „World Ocean Review“ erscheint alle zwei Jahre in deutscher und englischer Sprache und wird weltweit von Interessierten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gelesen. Er liefert aktuelles Hintergrundwissen zu relevanten Meeresthemen und richtet sich an alle, die in Sachen Meeresschutz und -nutzung mitreden wollen.
Zusätzliche Kontakte:
Ilona Knufinke, maribus gGmbH Presse und Öffentlichkeit, knufinke@mare.de
Dr. Jana Wölfel, CDRmare PR-Officer, jana.woelfel@io-warnemuende.de