Komponisten liefern Erklärung für Hawaii-Knick
Internationales Forscherteam findet Spuren großräumiger tektonischer Veränderungen im Pazifikraum vor 50 Millionen Jahren
Eigentlich ist das Modell sehr einfach. Im Erdinneren steigt an einigen Stellen, sogenannten Plumes, besonders heißes Material Richtung Erdkruste auf. Wie ein Schweißbrenner schmilzt es sich durch die Erdplatten hindurch und lagert dabei Magma auf der Oberfläche ab. Ein Vulkan entsteht. Doch die Erdplatten bewegen sich über diese vulkanischen Hotspots hinweg und nehmen die Vulkane dabei mit. Da der Plume weiter heißes Material liefert, entsteht neben dem ersten, jetzt erloschenen Vulkan ein zweiter. So bilden sich im Laufe der Jahrmillionen regelrechte Vulkanketten. Eine der bekanntesten ist die von Hawaii, die sich ausgehend von den heutigen Inseln beinahe schnurgerade nach Nordwesten erstreckt. Die Hawaii-Inseln markieren den aktiven Hotspot, während die Inseln und Unterwasserberge Richtung Nordwesten immer älter werden.
Doch wie so oft in der Natur ist die Realität komplizierter als das Modell. Denn etwa 3500 Kilometer nordwestlich von Hawaii knickt die Spur der Vulkane plötzlich nach Norden ab. Von dort an heißen die Unterwasserberge „Emperor-Kette“. „Bisher gab es verschiedene Theorien zur Ursache des Hawaii-Emperor-Knicks, aber keine wirklich belastbaren Erklärungen. Wir haben Belege dafür gefunden, dass die Pazifische Platte zwischen 47 und 53 Millionen Jahren vor heute großräumig deformiert wurde und damit zeitgleich mit dem Knick in der Hawaii-Emperor Kette. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass großräumige Änderungen der Plattentektonik und Strömungen des Erdmantels vor rund 50 Millionen Jahren die Ursache sein können“, erklärt Prof. Dr. Kaj Hoernle vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Zusammen mit neun weiteren Wissenschaftlern aus Deutschland, den Niederlanden, Australien, Großbritannien und den USA veröffentlicht er die Ergebnisse jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience.
Wohlklingende Namen haben den Forschern in diesem Fall weitergeholfen. Nördlich der Hawaii-Vulkankette gibt es weitere Unterwasserberge, die „Musicians Seamounts“. Sie sind nach Komponisten wie Beethoven, Bach oder Donizetti benannt. Lange nahm man an, dass auch sie eine Hotspot-Spur bilden. Für ihre Studie haben die beteiligten Wissenschaftler erstmals zahlreiche Proben von den Musicians-Seamounts datiert und geochemisch untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Unterwasserberge räumlich keine Entwicklung von jung zu alt zeigen, wie dies bei einer Hotspot-Spur zu erwarten wäre. „Die Proben, die wir untersucht haben, lagen hauptsächlich bei einem Alter zwischen 47 und 53 Millionen Jahren“ erklärt der Erstautor Dr. John O’Connor vom Geozentrum der FAU, wo er in Kooperation mit dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und der Universität Amsterdam die Dynamik der Erdkruste erforscht.
„Auch die geochemischen Analysen brachten eine Überraschung. Denn die Zusammensetzung der Proben von den Musician-Seamounts ähnelt eher Vulkanen, die an mittelozeanischen Rücken entstehen als denen, die über einem Hotspot wachsen“, erklärt Dr. Folkmar Hauff vom GEOMAR, Co-Autor der Studie. Möglicherweise sind vor rund 50 Millionen Jahre große Brüche in der Pazifischen Erdplatte aufgetreten, die zur Entstehung dieser Vulkane geführt haben. Gleichzeitig, das ist aus älteren Studien bekannt, begannen sich im Nord- und Westpazifik ozeanische Erdplatten übereinander zu schieben. Eindrucksvoller Zeuge dieser Prozesse sind die Izu-Bonin-Marianen und der Aleuten-Inselbogen. „Unsere Analysen von den Musicians-Seamounts zeigen, dass all diese Ereignisse zusammenhängen könnten. Und diese großräumigen Änderungen haben vermutlich auch den Knick in der Hawaii-Emperor-Kette verursacht“, betont Professor Hoernle.
Originalarbeit:
O’Connor, J. M., K. Hoernle, R. D. Müller, J. P. Morgan, N. P. Butterworth, F. Hauff, D. T. Sandwell, W. Jokat, J. R. Wijbrans, P. Stoffers (2015): Deformation-related volcanism in the Pacific Ocean linked to the Hawaiian-Emperor bend. Nature Geoscience, https://dx.doi.org/10.1038/ngeo2416
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