Alexandra Hahn arbeitet als Doktorandin in der Forschungsgruppe Marine Evolutionary Ecology. Foto: Sarah Uphoff, GEOMAR

Kreativität und Meeresschutz: Alexandra Hahn im Porträt

Vielfalt sichtbar machen: Menschen am GEOMAR

Das GEOMAR lebt von der Vielfalt der Menschen, die hier forschen, lehren und arbeiten. Unsere Porträtserie stellt in den kommenden Monaten in lockerer Folge Persönlichkeiten vor, die unser Forschungszentrum zu einem so lebendigen Ort der Ozeanforschung machen. Zum Auftakt sprechen wir mit der Doktorandin Alexandra Hahn über ihre Forschung und ihr Engagement an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik beim European Marine Board. Das Gespräch führten Sandy Avrutin und Mathias Zeller vom Postdoc Plus Team. Sie sind Teil des Netzwerks „Staff4Diversity“, in dem die Idee zur Porträtserie entstand.

Alexandra Hahn wuchs in einem kleinen Dorf zwischen Frankfurt und Würzburg auf. Nach der Schule verbrachte sie im Rahmen eines Freiwilligendienstes ein Jahr auf Sylt. Eine wunderschöne Zeit sei das gewesen – neben Führungen und Info-Veranstaltungen gehörte es zu ihren Aufgaben, Naturschutzgebiete zu überwachen. Im Grunde sei sie dafür bezahlt worden, am Strand spazieren zu gehen, erzählt sie lachend. Anschließend machte sie ihren Bachelor in Biowissenschaften in Rostock, bevor sie vor viereinhalb Jahren für ihren Master nach Kiel zog. Als Doktorandin arbeitet sie in der Forschungsgruppe Marine Evolutionary Ecology bei Prof. Dr. Thorsten Reusch.

Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit hat Alexandra eine kreative Ader. Sie spielt Horn im Orchester und zeichnet gerne. Dieses Talent nutzt sie auch für ihre Forschung, denn von den Ruderfußkrebsen, die sie untersucht gibt es kaum gute visuelle Darstellungen, also zeichnet sie sie, was nicht nur schön aussieht, sondern den Zuschauer:innen bei ihren Präsentationen auch besonders gut im Gedächtnis bleibt.

Woran forschst du und wie gehst Du vor? 

Alex: Ich untersuche Copepoden in der Ostsee. Das sind winzige Krebstiere, und ich erforsche ihre Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen, etwa den Salzgehalt des Wassers. Dazu war ich auf mehreren Expeditionen mit der ALKOR und auch auf einem finnischen Forschungsschiff, um Copepoden zu fangen. Denn ich versuche, möglichst viele Bereiche der Ostsee abzudecken, um den gesamten Salzgehaltsgradienten bis an die finnische Küste einzubeziehen. Danach hältere ich die Copepoden in Kulturräumen, wo ich auch Experimente durchführe.

Dann extrahiere ich DNA und RNA im molekularbiologischen Labor. Ich arbeite mit Transkriptomik, das heißt ich analysiere alle RNA-Moleküle, die zu einem bestimmten Zeitpunkt exprimiert werden. Die RNA ist ja die Transkription der DNA. Damit kann ich herausfinden, welche Gene unter bestimmten Stressbedingungen aktiviert werden. In meinem Fall ist der Stressfaktor ein niedriger Salzgehalt. Im letzten Teil meiner Doktorarbeit werde ich mir dann noch anschauen, wie sich das Genom von Populationen an verschiedenen Standorten unterscheidet. 

Was motiviert Dich?

Alex: Ich will verstehen, wie sich die Copepoden an extreme Umweltbedingungen anpassen, denn die Ostsee ist für eine marine Art ein extremer Lebensraum, weil der Salzgehalt ja sehr niedrig ist und nach Osten hin immer weiter abnimmt. Außerdem möchte ich untersuchen, wie sie durch den Klimawandel beeinflusst werden. Einige Modelle prognostizieren, dass der Salzgehalt in der Ostsee weiter sinken wird. Ich will herausfinden, ob und wie sich das auf die Copepoden auswirken könnte. Das ist eine wichtige Frage, denn Copepoden machen einen großen Teil des Zooplanktons in der Ostsee aus und bilden damit die Basis der Nahrungskette.    

Wie bist Du auf Copepoden als Forschungsgegenstand gekommen?

Alex: Ich war schon immer an Umweltveränderungen und dem Klimawandel interessiert und daran, wie sich diese auf Organismen auswirken. Copepoden waren allerdings nicht von Anfang an mein Schwerpunkt. Erst als ich am GEOMAR einen Hiwi-Job bekam, bei dem ich Copepoden nach Arten sortierte, entwickelte sich mein Interesse. Ich habe hier in der Kieler Förde eine Langzeitreihe mit Zooplanktonproben analysiert – jede zweite Woche wurden Proben genommen, und ich habe die Arten bestimmt und erfasst, wann sie auftauchten. Dadurch wurde ich quasi zur „Copepoden-Expertin“. Dann kam ein Juniorprofessor, Reid Brennan, der ebenfalls zu Copepoden forschte, und jemand sagte: „Frag ihn doch mal nach einer Masterarbeit!“ – und das habe ich dann getan. 

Du hast Dich in den vergangenen zwei Jahren als Young Ambassador beim European Marine Board (EMB) engagiert. Warum hast Du Dich für dieses Amt entschieden?

Alex: Ich habe mich beworben, weil mich die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik interessiert. Das EMB wählt jedes Jahr zwei Nachwuchswissenschaftler:innen aus den Mitgliedsorganisationen aus, um als Young Ambassadors die Verbindung zwischen Early Career Researchers (ECRs) und dem EMB zu stärken. Als am GEOMAR eine Ausschreibung dafür herumging, habe ich mich spontan beworben – und wurde ausgewählt. 

Was waren Deine Aufgaben als Young Ambassador? 

Alex: Eine unserer Hauptaufgaben war der Aufbau eines Netzwerks für ECRs innerhalb des EMB, das sogenannte EMB ECOP Network. Wir haben regelmäßig Informationen zu aktuellen EMB-Aktivitäten verbreitet, eine Social-Media-Serie gestartet, um Forschende aus unserem Netzwerk sichtbarer zu machen, und monatliche Webinare zur Wissenschaftspolitik organisiert. Ein besonderes Highlight war die Organisation eines Workshops zur Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik – eine riesige Aufgabe mit Reiseorganisation, Vortragsplanung und inhaltlicher Vorbereitung. Das Ganze gipfelte in einer Konferenz, auf der wir Young Ambassadors die Ergebnisse in einer Keynote vor 250 Teilnehmenden präsentiert haben. 

Was nimmst Du mit aus Deiner Zeit beim EMB? 

Alex: Ich habe gelernt, dass es viele Möglichkeiten gibt, sich zu engagieren – aber dass Zeit und Unterstützung oft die größte Hürde sind. Gerade für ECRs ist es nicht immer einfach, sich neben der Forschung für Wissenschaftskommunikation oder Politikberatung einzusetzen. Eine Lösung wäre, solche Aktivitäten schon in Forschungsanträge zu integrieren, sodass es von Anfang an Teil des wissenschaftlichen Werdegangs ist. Insgesamt war es eine großartige Erfahrung, die ich jederzeit wieder machen würde. Das EMB-Sekretariat war unglaublich unterstützend, und ich kann so ein Engagement allen empfehlen, die sich für Wissenschaftspolitik interessieren.

Im Februar haben wir den International Day of Women and Girls in Science gefeiert. Wie findest Du es, dass es einen speziellen Tag für Frauen und Mädchen in der Wissenschaft gibt?

Alex: Eigentlich sollte es nicht nötig sein, weil das Geschlecht in der Karriere keine Rolle spielen sollte. Aber da es das tut, ist es wichtig und richtig, auf diese Ungleichheiten aufmerksam zu machen. 

Was würdest du jungen Mädchen raten, die Forscherinnen werden wollen?

Alex: Lasst euch nicht entmutigen, und sucht euch Frauen in der Wissenschaft, die euch inspirieren. Viele Wissenschaftlerinnen helfen gern weiter – also einfach nachfragen!

 

Hintergrund: European Marine Board (EMB)

Das European Marine Board (EMB) ist ein Think Tank mit 38 Mitgliedsorganisationen aus 19 europäischen Ländern. Auch das GEOMAR ist Teil dieses Netzwerks. Ziel des EMB ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger:innen zugänglich zu machen – etwa durch Policy Briefs oder Berichte zu aktuellen Themen der Meereswissenschaften. 

Porträt von Alexandra Hahn

Alexandra Hahn arbeitet als Doktorandin in der Forschungsgruppe Marine Evolutionary Ecology. Foto: Sarah Uphoff, GEOMAR

Aquarell-Zeichnung von Fischen und Ruderfußkrebsen

Von den Ruderfußkrebsen, die Alexandra Hahn untersucht, gibt es kaum gute visuelle Darstellungen, also zeichnet sie sie. Hier dargestellt als Teil der Nahrungskette. Zeichnung: Alexandra Hahn, GEOMAR