Letzte Ehre in 4819 Metern Tiefe
Gedenkstein für Professor Dr. Erwin Suess im Aleutengraben vor Alaska abgesetzt
Professor Dr. Erwin Suess ist am 28. September 2023 in Corvallis, Oregon verstorben. Er hatte die marinen Geowissenschaften in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika maßgeblich geprägt. In Kiel baute er das damalige Zentrum für Marine Geowissenschaften (GEOMAR) mit auf und bereitete als Direktor die Fusion mit dem Institut für Meereswissenschaften (IfM) vor, welche schließlich zur Gründung des IFM-GEOMAR führte, dem heutigen GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Nun haben ehemalige Wegbegleiter:innen einen Gedenkstein für Prof. Dr. Suess in 4819 Metern Tiefe im Aleutengraben vor Alaska abgesetzt. Sie befinden sich auf einer Expedition mit dem amerikanischen Forschungsschiff ATLANTIS, bei der auch das Tauchboot ALVIN zum Einsatz kommt, um Methanquellen zu untersuchen. Professor Suess hatte diese Methanquellen im Jahre 1994 während einer GEOMAR-Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE entdeckt.
Der Gedenkstein wurde von der ehemaligen GEOMAR-Wissenschaftlerin Dr. Tina Treude, Professorin an der University of California, Los Angeles (UCLA), im Namen der Methanquellen-Forschungsgemeinschaft abgelegt. Für Prof. Treude war dieser Moment historisch: „Die von Prof. Suess initiierte Forschung zu Methanquellen hat meinen eigenen wissenschaftlichen Werdegang und den vieler anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler maßgeblich geprägt. Auch auf unserer aktuellen Expedition zum Aleutengraben, 30 Jahre später, nutzen wir immer noch die Expeditionsberichte und Veröffentlichungen aus der Arbeitsgruppe von Professor Suess als Leitfaden für unsere Forschung.“
Prof. Erwin Suess war der erste, der entdeckte, dass es an den aktiven Kontinentalrändern kalte und methanreiche Quellen am Meeresboden gibt, die durch das Abtauchen der ozeanischen Kruste unter die Kontinente angetrieben werden. Diese Quellen sind das Gegenstück zu heißen Hydrothermalquellen. Das kalte Wasser und das Methangas, das an den Quellen austritt, stammen meist aus großen Tiefen unter dem Meeresboden.
Dr. Klaus Wallmann, Professor für Marine Umweltgeologie am GEOMAR, erinnert sich noch gut an die Entdeckung dieser kalten Quellen im Aleutengraben: „Es war die erste Ausfahrt, an der ich als junger GEOMAR-Wissenschaftler teilnehmen durfte. Ich fand es sehr spannend, in der dunklen Tiefsee diese Oasen mit ihren komplexen Ökosystemen zu erforschen und zu verstehen, wie das Wasser und Erdgas aus dem tiefen Untergrund bis zum Meeresboden aufsteigen kann.“ Wallmann leitet heute die von Erwin Suess am GEOMAR gegründete Forschungseinheit Marine Geosysteme. Er nutzt das Wissen zu den kalten Quellen am Meeresboden, um besser zu verstehen, inwiefern im Kampf gegen den Klimawandel Kohlendioxid unter dem Meeresboden gespeichert werden kann.
Die aktuelle Expedition mit dem amerikanischen Tauchboot ALVIN in den Aleutengraben untersucht die Bedeutung von Methanquellen für Lebensgemeinschaften in der Tiefsee. Die Expeditionsleiterin Professorin Dr. Lisa Levin vom Scripps Institute of Oceanography in San Diego sagt: „Wir nehmen an, dass Methan als Nahrungsquelle für die Tiefseegemeinschaften mit zunehmender Wassertiefe an Bedeutung gewinnt. Um unsere Hypothese zu testen, vergleichen wir Methanquellen in geringen und großen Wassertiefen. Die Entdeckung der Methanquellen im Aleutengraben durch Professor Suess ist eine wichtige Grundlage für unsere Untersuchungen.“
Es ist die erste rein wissenschaftliche Expedition, die die erweiterte Tauchfähigkeit des amerikanischen Tauchboots ALVIN nutzt. Vor dem Ausbau des Tauchboots vor zwei Jahren betrug die maximale Tauchtiefe 4500 Meter. Inzwischen ist ALVIN für Tauchtiefen bis zu 6500 Meter zugelassen. Diese Erweiterung erlaubte es dem amerikanischen Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Levin, erstmals selbst zu den von Prof. Suess entdeckten Methanquellen zu tauchen, die in Wassertiefen zwischen 4800 und 5000 Metern liegen – und in diesem Zuge den Gedenkstein abzulegen.