Einsatz innovativer Technologien für die Ozeanbeobachtung: Die Meereswissenschaftler:innen fordern unter anderem den verstärkten Einsatz von autonomen Technologien. Foto: Sarah Uphoff, GEOMAR

Messungen im offenen Ozean: Nach wie vor sind Forschungsschiffe die wichtigsten Plattformen für die Ozeanbeobachtung - ob ferngesteuerte Unter­wasserfahrzeuge, autonome Tiefseedrohnen, oder am Meeresboden verankerte Systeme zur Langzeit­erfassung - sie alle werden von Forschungsschiffen aus eingesetzt. Foto: Mario Müller, GEOMAR

Wissenschaftliche Mitarbeiter lassen einen Glider zu Wasser, der autonom Daten zur Temperatur, zum Salzgehalt und zu anderen Ozeanparametern sammelt und wichtige Informationen zur Überwachung des Ozeans bereitstellt. Foto: Michael Schneider, GEOMAR

Verankerungen für eine langfristige Ozeanüberwachung: Mit am Meeresboden verankerten Messgeräten können Stationen für kontinuierliche Langzeitbeobachtungen installiert werden, die zum Beispiel Daten zu klimarelevanten Prozessen liefern. Foto: Toste Tanhua, GEOMAR

Lücken in der Ozeanbeobachtung schließen

Empfehlungen der europäischen Meeresforschungsgemeinschaft

11.11.2024/Kiel/Baku. Die europäischen Meeresforscher:innen plädieren dringend für eine Verbesserung und Vereinheitlichung der Ozeanüberwachung. Ein Appell, der sich auch an die internationale Gemeinschaft richtet, die sich von heute an in Baku zur Weltklimakonferenz COP29 trifft. Um den Ozean als wichtigen Partner im Kampf gegen den Klimawandel zu erhalten, sei es dringend notwendig, seinen Zustand umfassend zu überwachen. Darauf weisen die Forschenden in zwei kürzlich veröffentlichten Berichten hin, in denen die zentralen Lücken und Herausforderungen in Europa beschrieben, aber auch Lösungen aufgezeigt werden, wie Überwachung und Schutz europäischer Gewässer verbessert werden können. Die Positionspapiere sind aus dem EU-Projekt EuroSea hervorgegangen, das am GEOMAR-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wurde.

Ein gesunder Ozean bildet die Grundlage für vieles, was unser Leben prägt. Er versorgt uns mit Sauerstoff und Nahrung und bietet Lebensraum für unzählige Arten – vor allem aber wirkt er wie ein Puffer gegen den Klimawandel, indem er große Mengen CO2 und überschüssige Wärme absorbiert. Doch dem Ozean geht es schlecht. Verschmutzung, Versauerung, Überfischung und die zunehmende Erwärmung setzen ihm zu und beeinträchtigen seine Fähigkeit, das Klima zu stabilisieren. Um den Ozean als Klimapartner zu erhalten, ist es daher wichtig, seinen Zustand möglichst umfassend und gut koordiniert zu überwachen.

Lücken in der Ozeanbeobachtung: Technologische und finanzielle Defizite

Die Mitglieder des EU-Projekts EuroSea haben die Ozeanbeobachtung in Europa unter die Lupe genommen. In ihren beiden kürzlich erschienenen Berichten „Urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade“ und „Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system“ werden die gravierendsten Lücken in der Überwachung von mariner Biodiversität, invasiven Arten und Ozeanphänomenen wie der Erwärmung und dem Anstieg des Meeresspiegels identifiziert. Viele dieser Lücken entstehen demnach durch technologische Defizite oder durch unzureichende Finanzierung.

„Wir brauchen dringend eine nachhaltigere und effektivere Ozeanbeobachtung, um Veränderungen im Zustand der Ozeane zu verfolgen und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern“, sagt Dr. Toste Tanhua, Chemischer Ozeanograph am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Leiter des nun abgeschlossenen Projekts EuroSea, aus dem die beiden Berichte hervorgegangen sind. Er nimmt selbst an der heute beginnenden UN-Weltklimakonferenz COP29 in Baku teil und wird dort dem Thema Ozeanbeobachtung auf internationaler Ebene seine Stimme leihen. Im Ocean Pavilion, an dem sich das GEOMAR in diesem Jahr als Partner beteiligt, diskutiert er auf einem Panel über die Beteiligung von nicht-wissenschaftlichen Akteur:innen, wie etwa Segler:innen, an der Ozeanbeobachtung.

In ihren Positionspapieren unterstreichen die Wissenschaftler:innen die Notwendigkeit, die Datensammlung zu verbessern, innovative Technologien wie Umwelt-DNA und mehr autonome Geräte einzusetzen sowie die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Besonders hervorgehoben wird die Förderung der langfristigen Finanzierung und die Schaffung zentraler Koordinationsstellen, um die Effektivität der Meeresbeobachtung langfristig zu sichern.

„Die Empfehlungen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, richten sich sowohl an die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch an politische Entscheidungsträger und die Industrie“, sagt Dr. Tanhua. „Die Herausforderungen sind groß, aber die Lösungen, die wir vorschlagen, bieten klare Handlungsansätze. Wir müssen möglichst umfassende Informationen generieren, um marine Ökosysteme besser zu verstehen und besser schützen zu können. Das ist ein ganz wichtiger Baustein in den Bemühungen, die Klimakrise abzumildern. Zwar reduziert die Beobachtung allein nicht die Auswirkungen des Klimawandels, doch sie ermöglicht uns, zu verstehen und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. Denn: Man kann nur managen, was man auch messen kann.“

Empfohlene Maßnahmen zur Verbesserung der Ozeanbeobachtung

Beispielswiese wird empfohlen, umfassende Programme zur Überwachung der marinen Biodiversität zu entwickeln. Insbesondere der Einsatz innovativer Technologien wie Umwelt-DNA (eDNA) könnte dazu beitragen, invasive Arten frühzeitig zu identifizieren und die Datensammlung zu verbessern.

Der Einsatz autonomer Geräte (z.B. Argo-Floats und Sensoren) sollte erhöht werden, um die Daten von Satelliten zu validieren und die Beobachtung des tiefen Ozeans zu verbessern. Dies ist besonders wichtig für schwer zugängliche extrem kalte Regionen.

Weiterhin sollten einheitliche Verfahren zur Überwachung von Eutrophierungsindikatoren wie Nährstoffkonzentrationen und Sauerstoffgehalt entwickelt werden, um die negativen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Meeresumwelt besser zu überwachen und zu reduzieren.

Gerade in Gebieten mit hohem Nährstoffeintrag sollte der Einsatz von autonomen Sensoren gefördert werden. Diese Systeme ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung von Algenblüten und der Versauerung der Ozeane.

Empfehlungen für die Koordination und das Management der Ozeanbeobachtung

Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern und Akteuren wird empfohlen, um die Überwachungsstrategien zu harmonisieren und den Austausch von Daten zu erleichtern. Für die Koordination braucht es eine verantwortliche Stelle, die für das Management und die strategische Planung der Ozeanbeobachtungsaktivitäten verantwortlich ist. Diese Struktur würde die Effizienz fördern und länder- und disziplinenübergreifende Kooperationen erleichtern.

Um sicherzustellen, dass die Ozeanbeobachtungssysteme nachhaltig arbeiten und kontinuierlich aktualisiert werden können, sollte vor allem eine Finanzierungsstrategie für langfristige Beobachtungsprogramme entwickelt werden. „Unsere Forschungs­förderungs­strukturen unterstützen – völlig zu Recht – die Generierung von Wissen, nicht aber das Monitoring“, erklärt Dr. Abed El Rahman Hassoun, Erstautor des ersten Positionspapiers. „Um diese Lücke zu schließen, bräuchte es eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Kofinanzierung zwischen verschiedenen Ministerien. Dies ist ein Problem, das wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der EU sehen.“

 

Hintergrund: EuroSea-Projekt

Das EU-Projekt EuroSea brachte von 2019 bis 2023 unter der Leitung von Dr. Toste Tanhua vom GEOMAR mehr als 150 Expert:innen von 53 Partnerinstitutionen aus 16 Ländern zusammen, um die bestehenden Systeme der Ozeanbeobachtung besser zu integrieren und die Bereitstellung von Ozeaninformationen zu verbessern. Der Fokus lag auf der gesamten Wertschöpfungskette der Ozeanbeobachtung, von den Messungen bis zu den Nutzern der Daten. Die Europäische Union förderte das Projekt mit 12,6 Millionen Euro.

Originalpublikationen:

Hassoun A.E.R., Tanhua T., Lips I., Heslop E., Petihakis G. and Karstensen J. (2024) The European Ocean Observing Community: urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade. Frontiers in Marine Sciences. 11:1394984.

https://doi.org/10.3389/fmars.2024.1394984

Tanhua T , Le Traon P-Y , Köstner N et al. (2024) Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system Frontiers in Marine Science. 11:1394549.

https://doi.org/10.3389/fmars.2024.1394549

Zwei Mitarbeiter auf einem Forschungsschiff lassen ein Messgerät zu Wasser

Einsatz innovativer Technologien für die Ozeanbeobachtung: Die Meereswissenschaftler:innen fordern unter anderem den verstärkten Einsatz von autonomen Technologien. Foto: Sarah Uphoff, GEOMAR

Eine gelbe Messboje im Wasser, am Horizont ein Forschungsschiff

Messungen im offenen Ozean: Nach wie vor sind Forschungsschiffe die wichtigsten Plattformen für die Ozeanbeobachtung - ob ferngesteuerte Unter­wasserfahrzeuge, autonome Tiefseedrohnen, oder am Meeresboden verankerte Systeme zur Langzeit­erfassung - sie alle werden von Forschungsschiffen aus eingesetzt. Foto: Mario Müller, GEOMAR

Von einem roten Schlauchboot aus wird ein gelbes torpedoförmiges Unterwassermessgerät zu Wasser gelassen

Wissenschaftliche Mitarbeiter lassen einen Glider zu Wasser, der autonom Daten zur Temperatur, zum Salzgehalt und zu anderen Ozeanparametern sammelt und wichtige Informationen zur Überwachung des Ozeans bereitstellt. Foto: Michael Schneider, GEOMAR

Zwei Mitarbeiter auf einem Forschungsschiff lassen eine Kette mit großen gelben Kugeln ins Wasser

Verankerungen für eine langfristige Ozeanüberwachung: Mit am Meeresboden verankerten Messgeräten können Stationen für kontinuierliche Langzeitbeobachtungen installiert werden, die zum Beispiel Daten zu klimarelevanten Prozessen liefern. Foto: Toste Tanhua, GEOMAR