Meeresdaten in der Anwendung: Hackathon auf São Vicente
MarDATA-Projektwoche erarbeitet digitale Innovationen für Cabo Verde
Wilde Küsten, kristallklares Wasser und eine faszinierende Unterwasserwelt – dafür sind die Kapverdischen Inseln bei Reisenden, die gerne tauchen, wandern oder den Urlaub am Strand verbringen bekannt. Aber auch für viele Forschende ist der Archipel westlich des Senegal von großer Bedeutung: Das Ökosystem, das vom Küstenauftrieb vor Westafrika genährt wird, zählt zu den produktivsten und wirtschaftlich bedeutendsten der Welt. Seit vielen Jahren versuchen Wissenschaftler:innen hier dem Ozean seine Geheimnisse zu entlocken und Lösungen für Herausforderungen wie den Klimawandel zu finden. Eines der wichtigsten Produkte ihrer Arbeit sind Meeresdaten.
Um das enorme Potenzial dieser Datensätze zu erkunden, hat die Helmholtz School for Marine Data Science (MarDATA) eine Projektwoche auf der kapverdischen Insel São Vicente organisiert. Vom 10. bis 18. März trafen sich zwölf MarDATA-Doktorand:innen mit Studierenden des lokalen WASCAL-Masterstudiengangs „Climate Change and Marine Sciences“ und lokalen Wissenschaftler:innen am Ocean Science Centre Mindelo, das vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gemeinsam mit dem kapverdischen Partner Instituto do Mar (IMar) betrieben wird. Das Ziel der Projektwoche: gemeinsam Ansätze und Lösungen in einem so genannten Hackathon (Wortschöpfung aus „to hack“ und „Marathon“) zu entwickeln, die den Wert von Meeresdaten sowohl für lokale Interessengruppen als auch für die wissenschaftliche Gemeinschaft hervorheben.
Dr. Enno Prigge, wissenschaftlicher Koordinator der MarDATA am GEOMAR, hat die Projektwoche initiiert und ist begeistert von den Ergebnissen: „Wir hatten drei herausfordernde Aufgaben vorbereitet, und was die Teams hier nach intensiven Arbeitstagen präsentiert haben, kann sich wirklich sehen lassen!“
Eine Aufgabe bestand darin, eine App für die lokale Fischerei zu verbessern, die es erleichtern soll, zum Beispiel Fangdaten mit dem Smartphone zu erfassen und in das lokale Fischereimanagement einfließen zu lassen. Bei einem Besuch in der kleinen Gemeinde Calhau im Osten der Insel erfuhren die jungen Datenwissenschaftler:innen, dass sich die Fischenden neben der Erfassung von Fangdaten auch eine Notruffunktion wünschen würden. Bis zum Ende der Projektwoche hatten sie die Datenverarbeitung der Smartphone-App automatisiert und zusätzlich um die gewünschte Notruffunktion erweitert.
Die zweite Herausforderung betraf die Nährstoffversorgung der reichen Meeresbiologie rund um die Kapverdischen Inseln. Zwei der wichtigsten Quellen sind der Küstenauftrieb und der Eintrag von Staub, hauptsächlich aus der Sahara. Während ein Team eine interaktive Visualisierung entwickelte, die Staub-, Plankton- und andere Umweltdaten kombiniert, arbeitete ein anderes Team an der Erkennung und Vorhersage von Auftriebsereignissen mit Hilfe von maschinellem Lernen.
Aufgabe Nummer drei baute auf den vorherigen auf: Es sollte ein Konzept für einen „Digitalen Zwilling Cabo Verde“ entwickelt werden. Digitale Zwillinge des Ozeans bestehen aus Simulationen des Ozeans, die den realen Ozean abbilden. Der Ozean und seine Simulation sind dabei im Digitalen Zwilling durch Informationsaustausch verknüpft: Im realen Ozean wird beobachtet und gemessen – aus dem simulierten Ozean werden Handlungsempfehlungen für einen Ozean der Zukunft abgeleitet. Bei der Entwicklung des Konzepts sollten insbesondere lokale Interessen berücksichtigt werden sowie die Möglichkeit für Nutzer:innen geschaffen werden, ausgewählte Datensätze zu erkunden und eigene Daten hochzuladen.
„Während der Projektwoche konnten die Teilnehmenden ihr Verständnis für grundlegende meereswissenschaftliche Prozesse sowie die vorhandenen Datenanalyse-Fähigkeiten in einem neuen, unbekannten und interdisziplinären Umfeld austesten,“ fasst Arne Biastoch, Professor für Ozeandynamik und Sprecher der MarDATA am GEOMAR die Veranstaltung zusammen. „Die Nähe zur Anwendung sowie die Zusammenarbeit mit dem WASCAL-Masterprogramm und den lokalen Stakeholdern ist für beide Seiten ein enormer Gewinn – für die MarDATA-Promovierenden und die lokalen Partner.“
Auch die Teilnehmenden sind mit der Woche hochzufrieden. Neben dem spannenden wissenschaftlichen Austausch ist es vor allem die enge Zusammenarbeit über Statusgruppen und kulturelle Unterschiede hinweg, die in Erinnerung bleiben wird. Schon jetzt freuen sich Alle auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr, wenn die Studierenden des WASCAL-Programms im Rahmen ihrer Ausbildung mit dem Forschungsschiff POLARSTERN als „Floating University“ in Deutschland anlegen werden.
Hintergrund MarDATA
Die „Helmholtz School for Marine Data Science“ (MarDATA) bildet Meeresdaten-Wissenschaftler:innen aus. Nachwuchsforschende aus Computerwissenschaft, Informatik und Mathematik arbeiten gemeinsam an marinen Themen, von der Modellierung auf Supercomputern, (Bio-) Informatik und Robotik bis hin zu Statistik und Big-Data-Methoden. Betreut werden sie von Wissenschaftler:innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Zusammenarbeit mit den Universitäten Kiel und Bremen. Die breite interdisziplinäre Ausbildung in Blockkursen, Sommerschulen und Kolloquien soll den innovativen Umgang mit meereswissenschaftlichen Daten fördern.
Hintergrund WASCAL
Das WASCAL (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use) ist ein Forschungszentrum in Westafrika, das dabei helfen soll, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen und die Widerstandsfähigkeit von Menschen und Ökosystemen zu verbessern. WASCAL stärkt die regionale Forschungsinfrastruktur zum Thema Klimawandel. Dafür arbeiten zwölf westafrikanische Länder und Deutschland zusammen. Das Zentrum wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert und von westafrikanischen und deutschen Partnern umgesetzt.
Der WASCAL-Masterstudiengang „Climate Change and Marine Sciences“ an der kapverdischen Universidade Técnica do Atlantico (UTA) wird vom Nationalen Institut für Fischereientwicklung (Instituto Nacional de Desenvolvimento das Pescas, INDP) von Cabo Verde in Zusammenarbeit mit deutschen Partnern wie dem GEOMAR, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Thünen-Institut durchgeführt. Die Kooperation vermittelt wissenschaftliche und akademische Fähigkeiten im Bereich Klima, Meereswissenschaften und Management auf internationaler und regionaler Ebene in Westafrika im Kontext des Klimawandels.