Relief des Tiefseegrabens vor Chile mit den Epizentren des aktuellen und des bisher stärksten Bebens aus dem Jahr 1960. Abbildung: W. Weinrebe, IFM-GEOMAR.

Megabeben vor Chile wirft Fragen auf

Kieler Meeresforscher untersuchen Erdbebengebiet vor der Küste Chiles

01.03.2010/Kiel – Das ungewöhnlich starke Erdbeben, dass am 27. Februar Chile erschütterte, wirft für die Kieler Meeresforscher des Sonderforschungsbereichs 574 „Fluide und Volatile in Subduktionszonen“ viele Fragen auf. Antworten darauf könnte bereits Ende September eine lange geplante Expedition mit dem Forschungsschiff SONNE bringen. In ihrem Verlauf wird das Entstehungsgebiet des Bebens vor der Küste des südamerikanischen Landes genau untersucht.

Ungewöhnlich starke Erdstöße erschütterten am frühen Morgen des 27. Februar 2010 den Meeresboden und die angrenzenden Küstengebiete im Süden von Chile. Mit einer Stärke von 8.8 auf der nach oben offenen Richterskala gehört es zu den stärksten jemals registrierten Erdbeben.

Das Beben wurde von plötzlichen Bewegungen auf der Grenzfläche zwischen der sogenannten Nazca-Platte, die Teil des Pazifiks ist, und der Südamerikanischen Platte ausgelöst. „Die Herdtiefe von etwa 35 Kilometern weist darauf hin, dass das Beben nahe der chilenischen Küste seinen Ursprung am unteren, tiefer gelegenen Ende der sogenannten ‚Seismogenen Zone’ hatte“, erläutet Prof. Dr. Jan Behrmann, Professor für Marine Geodynamik am Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR). Die Seismogene Zone ist der Bereich zwischen zwei sich gegeneinander bewegenden Erdplatten, der durch Auslösung aufgebauter Spannungen immer wieder Erdbeben erzeugt. Die Bewegungen breiteten sich dann westwärts in Richtung auf den offenen Pazifik aus. „Der durch das Beben ausgelöste Tsunami ist wahrscheinlich entweder durch Brüche am Meeresboden auf dem Kontinentalabhang oder durch Auslösung eines untermeerischen Erdrutsches verursacht worden“, so Behrmann weiter.

Für die Meeresforscher, die sich im Sonderforschungsbereich 574 „Fluide und Volatile in Subduktionszonen“, der an der Kieler Christian-Albrechts-Universität und am IFM-GEOMAR angesiedelt ist, mit genau solchen Erdplattenverschiebungen beschäftigen, wirft dieses Ereignis jedoch noch einige Fragen auf. Da ist zunächst einmal die sehr große Stärke des Erdbebens. Der Rand Südamerikas rund um die Stadt Concepcion ist bekannt für sich im Abstand von mehreren Jahrzehnten wiederholende Beben mit Magnituden bis etwa 7,5. Die jetzt registrierte Magnitude von 8,8 ist jedoch außergewöhnlich und bedeutet eine gegenüber dem Normalfall wenigstens zehnfach höhere Entladung seismischer Energie. „Dieses Ereignis ist daher sehr ungewöhnlich und muss durch eine besonders große Verschiebung ausgelöst worden sein“, vermutet Prof. Behrmann.

Klärung könnte eine schon lange geplante Expedition bringen, die die Kieler Geowissenschaftler Ende September mit dem Forschungsschiff SONNE in das Entstehungsgebiet des Bebens führen wird. Dabei wird unter anderem auch der Tiefseeroboter KIEL6000 sowie ein videogestützter Großgreifer zum Einsatz kommen. „Auf dieser Expedition wird es Gelegenheit geben, eventuell durch das Erdbeben ausgelöste Veränderungen der tektonischen Struktur und des Meeresbodens zu dokumentieren“, schaut Prof. Behrmann voraus. Bereits im Frühjahr 2008 haben Geologen und Geophysiker des SFBs mit dem britischen Forschungsschiff James Cook detaillierte Kartierungsarbeiten und seismische Untersuchungen durchgeführt, die durch das aufgetretene Beben für die anstehende Expedition eine traurige Aktualität erhalten haben.

Hintergrundinformation SFB 574:
Der Sonderforschungsbereich 574 „Fluide und Volatile in Subduktionszonen:  Klima-Rückkopplungen und Auslösemechanismen von Naturkatastrophen“, der im Jahr 2001 an der Christian-Albrechts Universität zu Kiel und dem IFM-GEOMAR eingerichtet wurde, hat zum Ziel, die Prozesse beim Abtauchen von Erdplatten besser zu verstehen und zu quantifizieren, um auf dieser Basis bessere Risikoabschätzungen für die damit verbundenen Naturgefahren sowie den Einfluss auf unser Klima zu ermöglichen. Der SFB wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und ist in seiner dritten Phase von 2008 bis 2012 bewilligt. 

 

Ansprechpartner
Dr. Andreas Villwock (Kommunikation & Medien), Tel: 0431-600-2802
avillwock@geomar.de

 

Relief des Tiefseegrabens vor Chile mit den Epizentren des aktuellen und des bisher stärksten  Bebens aus dem Jahr 1960. Abbildung: W. Weinrebe, IFM-GEOMAR.
Relief des Tiefseegrabens vor Chile mit den Epizentren des aktuellen und des bisher stärksten Bebens aus dem Jahr 1960. Abbildung: W. Weinrebe, IFM-GEOMAR.