Neue Teile für das Erdbeben-Puzzle
12.05.2011/Kiel. Gut gekühlt und sicher verpackt erreichte jetzt wertvolles Probenmaterial von der Subduktionszone vor Costa Rica das Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR). Geologen des Instituts erhoffen sich davon neue Erkenntnisse über Erdbeben und Vulkanausbrüche in Zonen, in denen ozeanische Kruste unter kontinentale Kruste gleitet. Die Proben waren während der 334. Expedition des internationalen „Integrated Ocean Drilling Program“ (IODP) vom 13. März bis 13. April 2011 mit Hilfe des amerikanischen Bohrschiffes „Joides Resolution“ gewonnen worden. Gleich drei Kieler Geologen, Dr. Yvonne Arroyo, Dr. Steffen Kutterolf und Dr. Michael Stipp, wurden zu dieser international besetzten wissenschaftlichen Bohrexpedition eingeladen. Insgesamt waren 31 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 11 Ländern dabei vertreten. „Da weltweit nur zwei große Bohrschiffe für das IODP zur Verfügung stehen, ist eine Teilnahme an einer der Expedition für einen Geologen immer etwas besonderes“, sagt Steffen Kutterolf.
Das Projekt, für das er und seine Kollegen während der Ausfahrt Proben gewinnen konnten, heißt CRISP. Das steht für „Costa Rica Seismogenesis Project“. Ziel ist es, die Zone zu erbohren, in der 2002 vor Costa Rica ein großes Erdbeben stattfand. Diese seismogene Zone beginnt hier ca. fünf Kilometer unter dem Meeresboden. „Das ist verhältnismäßig flach. Deshalb besteht tatsächlich einmal die Chance, eine aktive seismische Zone direkt zu beproben und dadurch die dort ablaufenden Prozesse besser zu untersuchen“, erklärt Michael Stipp. Normalerweise liegen die Erdbebenzonen in so großer Tiefe, dass sie nur mit indirekten Methoden erforscht werden können. Zudem ist Costa Rica durch die Arbeiten des Kieler Sonderforschungsbereichs 574 „Fluide und Volatile in Subduktionszonen“ sehr gut vorerkundet. Bei der dortigen Subduktionszone handelt es sich um einen sogenannten „Erosiven Kontinentalrand“, das heißt die unter den Kontinent abtauchende ozeanischen Platte hobelt die Unterseite der Kontinentalplatte ab und nimmt von dort Material mit in die Tiefe des Erdmantels.
In der aktuellen ersten Projektphase wurden zunächst vier Kernbohrungen bis in maximal 949 Meter Tiefe unter dem Meeresboden durchgeführt, um die Oberplatte zu untersuchen. Dabei fanden die Geologen auch Spuren zahlreicher Vulkanausbrüche des Costa Ricanischen Vulkanbogens. „Wir haben Aschelagen von 170 großen Ausbrüchen in den Bohrkernen gefunden – das ist schon beeindruckend“, sagt Kutterolf. In einer weiteren Phase von CRISP ist geplant, mindestens 6000 Meter tief unter dem Meeresboden zu bohren und dabei die seismisch aktive Plattengrenze zu durchstoßen. Dramatische Aktualität hat das Projekt durch das Japan-Beben vom 11. März diesen Jahres erlangt. Es trat an einem vergleichbaren Erosiven Kontinentalrand auf. „Das war überraschend, denn bisher ist nie ein Mega-Beben an einem solchen Kontinentalrand dokumentiert worden“, erklärt Stipp. Er und seine Kollegen beginnen nun, das Probenmaterial aufzubereiten und zu analysieren, um dem noch sehr lückenhaften Wissen über die Entstehung von Erdbeben und Vulkanausbrüchen an Subduktionszonen ein paar neue Puzzlestücke hinzuzufügen.
Hintergrundinformation: Integrated Ocean Drilling Program (IODP)
Erdbeben, Vulkanismus, Plattentektonik – der Planet, auf dem wir leben, ist äußerst aktiv und ein extrem komplexes System. Um mehr über die Dynamik der Erdkruste unter den Ozeanen und ihre Funktionsweise herauszufinden, haben sich 2003 über 20 Nationen unter Führung der USA, Japans und eines europäischen Konsortiums zum Integrated Ocean Drilling Program (IODP) zusammengeschlossen. Mit Hilfe von tiefen Bohrungen in die ozeanische Erdkruste wollen die Wissenschaftler einige grundlegende Geheimnisse der Erde entschlüsseln. Hauptforschungsgeräte sind das 143 Meter lange amerikanische Bohrschiff JOIDES RESOLUTION sowie das 210 Meter lange japanische Bohrschiff CHIKYU. Letzteres wurde während des Tsunamis am 11. März 2011 leicht beschädigt und musste geplante Expeditionen absagen.