Weltweite Vergleichsstudie zur Alkalinitätserhöhung im Ozean startet in Kiel
GEOMAR untersucht die Reaktion von Plankton aus der Ostsee
Die Erhöhung der Alkalinität über die Zugabe einer alkalischen Substanz ist eine vielversprechende Klimaschutzmaßnahme. Die Methode, im Englischen ocean alkalinity enhancement (OAE) genannt, soll das Speichervermögen des Ozeans für Kohlendioxid (CO2) erhöhen und dabei gleichzeitig lokal der Versauerung entgegenwirken. OAE ahmt den natürlichen Prozess der Gesteinsverwitterung nach. Eine weltweite Vergleichsstudie untersucht nun, wie Plankton – die winzigen Lebewesen im Meer an der Basis des Nahrungsnetzes – auf diese Maßnahme reagieren.
Experimente an 19 Standorten rund um die Welt
Das „Ocean Alkalinity Enhancement Pelagic Impact Intercomparison Project (OAEPIIP)“ – auf Deutsch „Vergleichsprojekt zu den Auswirkungen der Alkalinitätserhöhung im Ozean auf im freien Wasser schwimmende Organismen“ – wird von Prof. Dr. Lennart Bach, Meeresbiologe an der Universität von Tasmanien (Australien) koordiniert. 19 Forschungsgruppen aus verschiedenen Teilen der Welt werden in diesem Jahr standardisierte Experimente in abgeschlossenen 55-Liter-Behältern durchführen. Diese so genannten Mikrokosmen sind Experimentiersysteme, in denen die Forschenden Veränderungen in der Zusammensetzung von Planktongemeinschaften und biogeochemischen Parametern infolge der Alkalinitätserhöhung beobachten können.
Untersuchung der Planktonreaktion in der Ostsee und in tropischen Gewässern
Das GEOMAR beteiligt sich mit zwei Untersuchungen in ganz verschiedenen Umgebungen: Dr. Giulia Faucher, Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Biogeochemische Prozesse, untersucht die Auswirkungen der OAE auf Planktongemeinschaften in gemäßigten Breiten. Dafür begann sie am Freitag mit der Befüllung der Mikrokosmen von Bord des Forschungskutters LITTORINA aus an der Zeitserienstation Boknis Eck (Eckernförder Bucht). „Die verwendeten Behälter, die Art und Weise, wie sie befüllt werden, wie die Alkalinität hinzugefügt wird und welche Messungen gemacht werden – all das ist standardisiert, um die Vergleichbarkeit der Studien zu gewährleisten“, sagt Giulia Faucher.
Ihre Kollegin aus der gleichen Arbeitsgruppe, Dr. Leila Kittu, wird dasselbe Experiment ab Mai in tropischen Gewässern vor Kenia durchführen. Dafür hat sie eine neue Kooperation zwischen dem GEOMAR, dem Kenya Marine Fisheries Research Institute (KMFRI) und der Technischen Universität Mombasa (TUM) aufgebaut.
Standardisierung für Vergleichbarkeit weltweit
OAEPIIP ist die erste weltweit koordinierte Vergleichsstudie zur Alkalinitätserhöhung im Ozean. „Diese standardisierten Experimente ermöglichen es uns, die ökologischen Auswirkungen unter verschiedenen Umweltbedingungen zu vergleichen – von gemäßigten Breiten bis zu tropischen Gewässern, von nährstoffarmen bis nährstoffreichen Regionen“, sagt Giulia Faucher.
Die Ergebnisse fließen in eine umfassende Meta-Analyse ein, die neue Erkenntnisse zu den potenziellen Auswirkungen der OAE liefert – entscheidende Informationen für politische Entscheidungstragende, die eine großflächige Anwendung dieser Methode als Maßnahme gegen den Klimawandel in Betracht ziehen.
Hintergrund: Alkalinitätserhöhung im Ozean
Die Methode der Alkalinitätserhöhung im Ozean (auf Englisch ocean alkalinity enhancement, OAE) ahmt die natürliche Gesteinsverwitterung nach, die über geologische Zeiträume die Alkalinität des Ozeans erhöht. Da jedoch der menschengemachte CO2-Eintrag etwa hundertmal schneller erfolgt als dieser natürliche Prozess, beschleunigt OAE diesen Mechanismus durch die direkte Zugabe von alkalischen Mineralien ins Meerwasser. Diese Zugabe erhöht den pH-Wert und die Konzentration von Karbonat-Ionen, wodurch das Wasser mehr CO2 chemisch binden kann. Gleichzeitig kann die Steigerung des pH-Wertes eine lokal puffernde Wirkung gegen Ozeanversauerung entfalten.

Jan Hennke vom Ocean Research Technology Centre (ORTC) des GEOMAR an Bord der LITTORINA beim Befüllen der Mikrokosmen mit Ostseewasser: Daran kann untersucht werden, wie Plankton-Gemeinschaften in gemäßigten Breiten auf eine Erhöhung der Alkalinität reagieren.
Foto: Michael Sswat, GEOMAR

Die verwendeten Behälter, die Art und Weise, wie sie befüllt werden, wie die Alkalinität hinzugefügt wird und welche Messungen gemacht werden – all das ist standardisiert, um die Vergleichbarkeit der weltweit durchgeführten Experimente zu gewährleisten.
Foto: Michael Sswat, Geomar

Dr. Giulia Faucher, Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Biogeochemische Prozesse am GEOMAR, gibt alkalische Mineralienlösung zu dem gewonnenen Ostseewasser hinzu. Sie betreut den deutschen Beitrag zu der ersten international koordinierten Vergleichsstudie zur Alkalinitätserhöhung im Ozean.
Foto: Michael Sswat, GEOMAR

Der erste Schritt des Experiments ist geschafft: Die befüllten Mikrokosmen stehen in der Klimakammer. Hier können nun mögliche Veränderungen in der Zusammensetzung der Plankton-Gemeinschaften oder bei den biogeochemischen Parametern beobachtet werden.
Vordere Reihe: Dr. Leila Kittu (l.), Leiterin des OAEPIIP-Experiments in Kenia und Jana Meyer, Technikerin aus der Gruppe Biogeochemische Prozesse. Obere Reihe (v.l.n.r.): Torge Willrodt, Mara Fant, Dr. Jan Taucher und Dr. Giulia Faucher. Foto: Michael Sswat, GEOMAR