Ozon und Jetstream: Eine komplexe Beziehung
Aufwendigere Modelle haben bei der Darstellung atmosphärischer Veränderungen die Nase vorn
Obwohl sich die Stratosphäre in einer Höhe von zehn bis 50 Kilometern befindet, beeinflusst sie doch direkt oder indirekt das Leben auf der Erdoberfläche. Extremereignisse in der Stratosphäre können beispielsweise bis in die unteren Atmosphärenschichten vordringen und dort das tägliche Wetter beeinflussen. Außerdem befindet sich dort die Ozonschicht, die vor allem dafür bekannt ist, dass sie Schutz vor schädlicher UV-Strahlung aus dem All bietet. Weniger bekannt, aber nicht weniger bedeutsam ist, dass das Ozon in der Stratosphäre auch einen Einfluss auf die Dynamik in der Atmosphäre hat. So können Schwankungen der Ozonkonzentrationen die Lage des Jetstreams beeinflussen. So wirken sie sich auch auf die Temperaturen auf der Erdoberfläche und Ozeanströmungen aus.
Um die Auswirkungen solcher Ozon-Schwankungen besser einschätzen zu können, nutzt die Wissenschaft äußerst komplexe Computermodelle der Atmosphäre und des Ozeans. Dabei ist es üblich, das Ozon aus Beobachtungsdaten oder vorberechneten Modellfeldern vorzugeben, damit sich der Rechenaufwand in Grenzen hält. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben nun diese Art der Modellrechnung mit einer anderen verglichen, bei der das Ozon interaktiv aus dem Modell selbst berechnet wird. „Unser Vergleich zeigt, dass die interaktive Darstellung des Ozons im Modell schon beobachtete Veränderungen in der Stratosphäre auf der Südhalbkugel besser darstellen kann als ein Modell mit vorgegeben Ozon-Werten“, sagt Dr. Sabine Haase vom GEOMAR. Sie ist Erstautorin der Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Atmospheric Chemistry and Physics erschienen ist.
Es ist bekannt, dass der Abbau der Ozonschicht in der unteren Stratosphäre über der südlichen Erdhalbkugel dazu führte, dass sich der sogenannte Jetstream in der Troposphäre während des Südsommers Richtung Pol verlagert. „Das wiederum hat direkte Einflüsse auf das Wettergeschehen und den Ozean dort. So wie Veränderungen des Jetstreams auf der Nordhalbkugel ja auch das Wetter bei uns beeinflussen können“, erklärt Dr. Haase.
Der Versuch, diese Veränderungen in Modellen nachzuvollziehen, erbrachten aber je nach Konfiguration der Modelle bislang stark abweichende Ergebnisse. „Das ist natürlich nicht befriedigend, wenn man das Gesamtsystem verstehen will“, betont die Kieler Atmosphärenforscherin.
Beim Vergleich der beiden genannten Modell-Arten stellte das Team fest, dass die interaktive Berechnung der Atmosphären-Chemie zu einem stärkeren Einfluss des Ozonabbaus auf den Jetstream in der Stratosphäre (Polarwirbel) führt, welcher wiederum entscheidend für den Einfluss der Stratosphäre auf die Troposphäre, im Besonderen auf die polwärts gerichtete Verschiebung des troposphärischen Jetstreams, sein kann.
Der Nachteil der interaktiven Atmosphären-Chemie im Modell ist allerdings etwa vier Mal mehr Rechenzeit. Letztendlich zeigt die Studie aber, dass die zusätzliche Rechenzeit gut investiert ist. „Eine interaktive Berechnung der chemischen Prozesse ist wichtig, um Veränderungen des troposphärischen Jetstreams über der Südhalbkugel im Zusammenhang mit Ozonschwankungen zu verstehen“, fasst Dr. Haase zusammen.
Originalarbeit:
Haase, S., J. Fricke, T. Kruschke, S. Wahl, and Katja Matthes (2020): Sensitivity of the southern hemisphere tropospheric jet response to Antarctic ozone depletion: prescribed versus interactive chemistry. Atmospheric Chemistry and Physics, https://doi.org/10.5194/acp-20-14043-2020