Die Ver­tei­lung von Sau­er­stoff in der Was­ser­säu­le wird in ers­ter Li­nie durch die ver­ti­ka­le Zir­ku­la­ti­on be­stimmt. Foto: T. Klein, MARUM

Schwä­che­re Oze­an­zir­ku­la­ti­on führ­te zu mehr Koh­len­stoffspei­che­rung

Neue Stu­die zum Sau­er­stoff­ge­halt im Tie­fen­was­ser des Oze­ans wäh­rend der letz­ten Eis­zeit

Die Be­we­gung der Was­ser­mas­sen im Oze­an, sei­ne Zir­ku­la­ti­on, ist ein we­sent­li­cher Bau­stein des glo­ba­len Kli­ma­sys­tems. In ei­ner Stu­die, die ak­tu­ell im Jour­nal Proceedings of the National Academy of Science (PNAS) er­schie­nen ist, konn­ten For­schen­de nach­wei­sen, dass die Zir­ku­la­ti­on im tie­fen Oze­an wäh­rend kal­ter Pha­sen in der Erd­ge­schich­te deut­lich ver­lang­samt war. Ana­ly­sen von Se­di­ment­pro­ben zei­gen, dass der Ab­bau or­ga­ni­schen Koh­len­stoffs in den Was­ser­mas­sen der Tief­see den dort ver­füg­ba­ren Sau­er­stoff auf­zehr­te. Be­tei­ligt sind Wis­sen­schaft­le­r*in­nen der Okla­ho­ma Sta­te Uni­ver­si­ty (USA), des GEO­MAR Helm­holtz-Zen­trum für Oze­an­for­schung Kiel und des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men.

Als na­tür­li­che Sen­ke für Koh­len­stoff ist der Oze­an ein zen­tra­ler Bau­stein des Kli­ma­sys­tems auf der Erde. Wie viel Koh­len­stoff dem Sys­tem für lan­ge Zeit ent­zo­gen wird, hängt da­von ab, wie viel koh­len­stoff­hal­ti­ge Par­ti­kel im Mee­res­bo­den er­hal­ten blei­ben. Hier­bei ist die Ver­füg­bar­keit von ge­lös­tem Sau­er­stoff von zen­tra­ler Be­deu­tung, da die­ser beim mi­kro­bi­el­len Ab­bau zu­vor ge­bil­de­ter Bio­mas­se ver­braucht wird. Die Ver­tei­lung von Sau­er­stoff in der Was­ser­säu­le wird in ers­ter Li­nie durch die ver­ti­ka­le Zir­ku­la­ti­on be­stimmt. Zur Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob die ent­spre­chen­den Be­din­gun­gen im tie­fen Oze­an in der jün­ge­ren Erd­ge­schich­te Ver­än­de­run­gen un­ter­la­gen, ha­ben die Au­to­ren der neu­en Stu­die Se­di­ment­pro­ben un­ter­sucht. Da­bei wur­den che­mi­sche Ele­men­te ana­ly­siert, die sich als An­zei­ger sau­er­stoff­frei­er Be­din­gun­gen eig­nen und de­ren Si­gna­le sich über Jahr­tau­sen­de bis Jahr­mil­lio­nen im Se­di­ment er­hal­ten kön­nen.

Sedimentkerne aus biologisch hochproduktivem Gebiet analysiert

Die Se­di­ment­ker­ne, die dem Team zur Ver­fü­gung stan­den, stam­men aus dem Kap­be­cken vor der West­küs­te des süd­li­chen Afri­kas, aus Was­ser­tie­fen zwi­schen 1.000 und 2.500 Me­tern. Hier liegt auf­grund der Strö­mungs­ver­hält­nis­se ei­nes der bio­lo­gisch pro­duk­tivs­ten Ge­bie­te: Kal­tes, nähr­stoff­rei­ches Was­ser aus der Tie­fe er­höht die Pro­duk­ti­vi­tät pflanz­li­chen Plank­tons. Stirbt or­ga­ni­sches Ma­te­ri­al ab, wer­den dies Par­ti­kel wäh­rend ih­res Ab­sin­kens durch die Was­ser­säu­le und am Mee­res­bo­den durch Mi­kro­or­ga­nis­men ab­ge­baut. Bei die­sem Pro­zess wird vor­zugs­wei­se Sau­er­stoff ver­braucht. Sin­ken gro­ße Men­gen or­ga­ni­schen Ma­te­ri­als ab, kann dies dazu füh­ren, dass mehr Sau­er­stoff be­nö­tigt wird als durch Strö­mun­gen nach­ge­lie­fert wer­den kann. Die Was­ser­säu­le wird „an­oxisch“, also sau­er­stoff­frei.

Sauerstoffmangel während Eiszeit auch in der Tiefsee nachgewiesen

An­hand von geo­che­mi­schen Si­gna­tu­ren in den Se­di­men­ten konn­ten For­schen­de nun nach­wei­sen, dass wäh­rend der letz­ten Kalt­zeit sehr viel we­ni­ger Sau­er­stoff im tie­fen Oze­an ver­füg­bar ge­we­sen sein muss als in den wär­me­ren Pha­sen. Bis­lang wuss­te man, dass wäh­rend kal­ter Pe­ri­oden der stär­ke­re Tem­pe­ra­tur­gra­di­ent zwi­schen den Po­len und dem Äqua­tor mit ei­ner Ver­stär­kung der Wind­zir­ku­la­ti­on, da­mit ei­nem stär­ke­ren Auf­trieb nähr­stoff­rei­chen Was­sers und da­mit wie­der­um ei­ner in­ten­si­ve­ren bio­lo­gi­schen Pro­duk­ti­on in di­rek­ten Zu­sam­men­hang steht. Auch war be­kannt, dass sich auf­grund der Bil­dung po­la­rer Eis­kap­pen und des sich da­mit ein­her­ge­hen­den tie­fe­ren Mee­res­spie­gels in kal­ten Pe­ri­oden der küs­ten­na­he Auf­trieb in Rich­tung des Kon­ti­nen­tal­hangs, also über tie­fe­re Be­rei­che des Oze­ans ver­scho­ben hat. „Neu an der ak­tu­el­len Stu­die ist, dass die Ver­ar­mung an Sau­er­stoff sich nicht auf Was­ser­tie­fen von we­ni­gen hun­dert bis tau­send Me­ter be­schränkt, son­dern jetzt auch am Grund des Oze­ans nach­ge­wie­sen wer­den konn­te“, sagt Co-Au­tor Dr. Mat­thi­as Za­bel vom MARUM. Dies lässt sich im We­sent­li­chen auf zwei Ur­sa­chen zu­rück­füh­ren.

Mehr organischer Kohlenstoff in der Tiefe gespeichert

In­ten­si­ve Zer­set­zungs­pro­zes­se, der in Kalt­zei­ten ver­mehrt pro­du­zier­ten Bio­mas­se, ha­ben sehr viel Sau­er­stoff ver­braucht. Der er­höh­te Ge­halt or­ga­ni­schen Koh­len­stoffs in den un­ter­such­ten Se­di­men­ten kann als kla­res In­diz da­für an­ge­se­hen wer­den, dass zeit­gleich die Ver­füg­bar­keit von Sau­er­stoff stark ein­ge­schränkt ge­we­sen sein muss. „Heu­te fin­det man sau­er­stoff­freie Zo­nen auf dem we­ni­ge hun­dert Me­ter fla­chen Schelf, also dem Über­gang des Fest­lands­so­ckels zum Meer. In der Eis­zeit hin­ge­gen war das Was­ser des of­fe­nen Oze­ans in grö­ße­ren Tie­fen an­oxisch,“ be­tont Dr. Flo­ri­an Scholz. Der Bio­geo­che­mi­ker des GEO­MAR ist Mit­au­tor der Stu­die und Lei­ter der Emmy Noe­ther-For­schungs­grup­pe ICON­OX – Iron cy­cling in con­ti­nen­tal mar­gin se­di­ments and the nut­ri­ent and oxy­gen ba­lan­ce of the oce­an (Ein­fluss des Ei­sen­kreis­laufs in Kon­ti­nen­tal­rand­se­di­men­ten auf den Nähr­stoff‐ und Sau­er­stoff­haus­halt des Oze­ans).

Auswirkungen auf den globalen Kohlenstoffkreislauf

„Aus den Se­di­ment­pro­ben kön­nen wir ab­le­sen, dass in Kalt­zei­ten im tie­fen Oze­an or­ga­ni­sches Ma­te­ri­al we­ni­ger ef­fek­tiv ab­ge­baut und dem­zu­fol­ge mehr or­ga­ni­scher Koh­len­stoff in der Sen­ke Mee­res­bo­den ver­gra­ben wur­de“, so Dr. Scholz. „In­dem wir die­se Pro­zes­se aus der Erd­ge­schich­te ge­nau­er ana­ly­sie­ren, kön­nen wir bes­ser ab­schät­zen, ob auch in der Zu­kunft eine ver­lang­sam­te Zir­ku­la­ti­on zu ei­ner er­höh­ten Spei­che­rung des vom Men­schen frei­ge­setz­ten Koh­len­stoffs in Tief­see­se­di­men­ten füh­ren könn­te“, fasst Dr. Za­bel die Be­deu­tung der neu­en Stu­die für die For­schung zu­sam­men. „Vor dem Hin­ter­grund des von Men­schen ver­ur­sach­ten An­stiegs der Koh­len­di­oxid-Kon­zen­tra­tio­nen in der At­mo­sphä­re und des fort­schrei­ten­den Kli­ma­wan­dels ist es von ent­schei­den­der Be­deu­tung, Pro­zes­se und Me­cha­nis­men zu be­stim­men und zu be­wer­ten, die den Sau­er­stoff­ge­halt des ozea­ni­schen Bo­den­was­sers be­ein­flus­sen“, heißt es in dem Fach­ar­ti­kel.

Originalpublikation:

Na­ta­scha Rie­din­ger, Flo­ri­an Scholz, Mi­chel­le L. Abshire, Mat­thi­as Za­bel: Per­sis­tent deep wa­ter an­oxia in the eas­tern South At­lan­tic du­ring the last ice age. PNAS 2021. DOI: 10.1073/pnas.2107034118

 

Luftblasen unter Wasser
Die Ver­tei­lung von Sau­er­stoff in der Was­ser­säu­le wird in ers­ter Li­nie durch die ver­ti­ka­le Zir­ku­la­ti­on be­stimmt. Foto: T. Klein, MARUM