Spitzenforscherin der Kieler Meereswissenschaften
Mit ihrer Forschung zum Mikrobiom von Meeresschwämmen ist Professorin Ute Hentschel Humeida von der Kieler Universität 2022 erneut „Highly Cited Researcher“.
- Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) -
Ute Hentschel Humeida ist seit 2015 Professorin für marine Mikrobiologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und leitet die Forschungseinheit „Marine Symbiosen“ am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Nach 2021 ist sie zum zweiten Mal im Ranking der "Highly Cited Researchers" vertreten und zählt damit zu den meistzitierten 6.938 Forscher:innen weltweit. Seit rund 20 Jahren forscht sie über Mikroorganismen im Meer und wie diese sich auf ihre tierischen Wirte auswirken. Ihre Arbeitsgruppe konzentriert sich insbesondere auf marine Schwämme und ihre mikrobiellen symbiontischen Konsortien („Lebensgemeinschaften“).
Schwämme besitzen einen einfachen Körperbau, in dem weder Organe noch Nerven-, Sinnes- oder Muskelzellen enthalten sind. Das Besondere an ihnen ist ihr Filtersystem. Der gesamte Körper ist nach dieser Funktion ausgerichtet, sodass ein Kilogramm Schwamm am Tag bis zu einer Tonne Wasser filtrieren kann. Professorin Hentschel Humeidas Arbeiten sind unter anderem wichtiger Bestandteil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ an der CAU, der sich der Untersuchung der funktionellen Konsequenzen des Zusammenspiels von mikrobiellen Symbionten mit einem vielzelligen Wirtsorganismus widmet.
„Schwämme sind nach wie vor komplett unteruntersucht. Man weiß immer noch viel zu wenig über diese spannenden Tiere, die eine wichtige Rolle im Ökosystem haben“, erklärt Professorin Hentschel Humeida, die zehn Jahre in Kalifornien/USA geforscht hat, unter anderem an der Scripps-Institution of Oceanography in Kalifornien, USA, einem der ältesten, größten und bedeutendsten Forschungszentren für Meeresforschung der Welt. Schwämme gibt es seit rund 600 Millionen Jahren, sie gehören zu den ältesten Tieren überhaupt und sind weit verbreitet.
So sind zum Beispiel 90 Prozent der am Tiefseeboden lebendenden Organismen Schwämme. Diese Tiefsee-Schwammgründe und insbesondere das Mikrobiom der Tiere, also die Bakteriengemeinschaften im Gewebe der Schwämme, hat die marine Mikrobiologin vor kurzem gemeinsam mit ihrer ehemaligen Doktorandin Dr. Kathrin Busch als Erstautorin dieser Studie sowie internationalen Kooperationspartnern großflächig und detailliert untersucht. „Wir haben erstmalig großskalig von dem höchsten Punkt in der Arktis bis hin zu den Azoren Schwämme und deren Mikrobiome untersucht“, so Professorin Hentschel Humeida. Hierfür wurden in 21 Schiffsexpeditionen 52 unterschiedliche Schwammgründe beprobt und in aufwendiger Form Daten zu den Schwämmen und ihrem Lebensraum erhoben.
Um die Schwämme und Bakterien zu bestimmen, wurden genomische Sequenzierungen durchgeführt. Von den 169 erforschten Schwammarten waren viele zum Zeitpunkt der Untersuchung noch unbekannt. Diese Studie hat gezeigt, dass das Mikrobiom der Schwämme vielfältiger und einzigartiger ist als bisher bekannt. „Jeder hat seine eigene mikrobielle Signatur, so wie man das auch vom Darmmikrobiom des Menschen kennt. Und wir haben uns angeschaut, welche Faktoren die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen.“
Als Hauptumweltfaktoren wurden vor allem die Lage der Schwammgründe, die Einflüsse von Temperatur, Salzgehalt, Tiefe, sowie Sauerstoff- und Nährstoffvorkommen auf das jeweilige Schwamm-Mikrobiom identifiziert. „Da die mikrobiellen Gemeinschaften auch als Indikator für die Gesundheit von Schwämmen stehen, sind diese grundlegenden Daten zur Überwachung der Intaktheit und Widerstandsfähigkeit von Schwammgründen in der Tiefsee wertvoll“, sagt die marine Mikrobiologin. „Wir haben hier eine wissenschaftliche Basis erarbeitet, die dabei mitwirken kann, Schutz- und Management-Strategien von gefährdeten Schwammgründen in der Tiefsee zu verbessern.“
Neben dieser Freilandforschung sind experimentelle Modelle ein weiteres Arbeitsfeld ihrer Arbeitsgruppe. Hierfür dient der an Nord- und Ostseeküsten verbreitete Brotkrumenschwamm (Halichondria panicea). „Wir versuchen diesen Schwamm als Modellorganismus zu etablieren, um so experimentelle Forschungsfragen zu untersuchen. Durch Wegnahme einzelner Symbionten etwa mit Hilfe von Antibiotika versuchen wir zu verstehen, wie die einzelnen Bakterien zum Wohlergehen des Wirtes beitragen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Die Wirt-Bakterien-Interaktionen können sowohl gutartig als auch schädigend (pathogen) sein. Wie Schwämme sich vor pathogenen Bakterien schützen und wie die sich verändernden Umweltbedingungen durch den Klimawandel das Gleichgewicht zwischen Wirt und Mikroorganismen beeinflussen wird, sind zentrale Forschungsfragen für die Zukunft.
Über „Highly Cited Researchers“
Grundlage der Auswertung ist die Datenbank „Web of Science Core Collection“. Diese listet wissenschaftliche Artikel aus rund 21.000 Fachzeitschriften auf. Für die diesjährige Liste der „Highly Cited Researchers“ wurde der Zeitraum 2011 bis 2021 analysiert. Das Ranking listet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im letzten Jahrzehnt an mehreren der Top-ein-Prozent der meistzitierten Publikationen ihres Fachgebiets beteiligt waren und ist ein wichtiger Indikator für den Einfluss wissenschaftlicher Publikationen. 2022 standen 6.938 der weltweit Forschenden aus 21 Forschungsfeldern auf der Liste. Zwei Kieler Wissenschaftler wurden in der Kategorie „Cross-Field“ ausgezeichnet. Sie berücksichtigt interdisziplinäre Arbeiten und den Einfluss der Forschenden auf mehrere Bereiche während des letzten Jahrzehnts.