Spurensicherung am Erdbeben-Tatort
GEOMAR-Forscher nimmt an Expedition zum Ursprung des Tohoku-Bebens in Japan teil
Vor einem Jahr bebte vor der Küste Japans die Erde. Ein gewaltiger Tsunami überrollte die Westküste der Insel Honshu, tötete mindestens 15.000 Menschen und löste die nukleare Katastrophe von Fukushima aus. Gleichzeitig erschütterte das Beben auch einige Grundannahmen der Geowissenschaften. Sie hatten ein Megabeben wie das vom 11. März 2011 viel weiter im Süden Honshus erwartet. „Die betroffene Region Tohoku war bekannt für häufige Erdstöße, die aber nur leicht bis mittelschwer ausfielen“, erklärt Professor Jan Behrmann vom GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Um zu untersuchen, was an den bisherigen Annahmen falsch war und um eine bessere Risikoabschätzung für die Zukunft zu ermöglichen, startet jetzt das japanische Bohrschiff CHIKYU mit einer internationalen Wissenschaftler-Crew zu einer Expedition in die Ursprungsregion des Bebens. Professor Behrmann aus Kiel ist einer von zwei deutschen Teilnehmern.
Die CHIKYU ist das größte und modernste Bohrschiff der Welt. Es wird vor allem für das internationale Forschungsprogramm IODP (Integrated Ocean Drilling Program) eingesetzt. Ziel des Programms ist es, durch den Ozeanboden tief in den Erdkruste zu bohren, unter anderem, um mehr über die tektonischen Prozesse dort zu erfahren. Forschungsfahrten mit der CHIKYU benötigen normalerweise mindestens zwei Jahre Planungsvorlauf. „Dass schon ein Jahr nach dem Beben eine Expedition zu dessen Ursprung starten kann, ist außergewöhnlich“, sagt Jan Behrmann, „aber allen Beteiligten war wichtig, die Spuren zu sichern, so lange sie noch frisch sind.“ Nicht umsonst trage die Expedition den Namen „Japan Trench Fast Drilling Project“.
Mit ihr haben die Wissenschaftler jetzt eine der seltenen Gelegenheiten, die unmittelbaren Folgen eines Erdbebens direkt zu beproben. Die beim Beben freigesetzte Energie hat nicht nur den gewaltigen Tsunami ausgelöst und eine Deformation der Erdkruste verursacht, ein Teil der Energie ist in Form von Wärme im Gestein geblieben. „Wenn wir dieses vor einem Jahr erhitzte Gestein jetzt erbohren, haben wir eine Chance, die Reibungsmechanismen zu verstehen, die dort wirken und fundamentale Aussagen über die Energiefreisetzung bei großen Erdbeben zu machen“, erklärt Behrmann.
Am 1. April ist die CHIKYU aus dem Hafen von Shimizu südlich von Tokio ausgelaufen. Im Zielgebiet seewärts der nordjapanischen Hafenstadt Sendai angekommen, müssen die Techniker an Bord das Bohrgestänge zunächst durch 7000 Meter Wasser ablassen, bevor die eigentliche Bohrarbeit beginnen kann. Dabei wird technisches Neuland betreten, denn dieser Wassertiefe ist noch niemals eine Bohrung in den Ozeanboden unternommen worden. Wenn alles gut läuft, wird der Bohrer dann rund 1000 Meter in den Meeresboden vordringen. „Wir wollen unter anderem die Frage beantworten, in wieweit das Mega-Beben vor einem Jahr die Spannung zwischen den Erdplatten abgebaut oder ob es vielleicht sogar neue Spannungen hervorgerufen hat“, sagt Professor Behrmann.
Am 24. Mai soll die CHIKYU planmäßig wieder in Shimizu einlaufen. Dann beginnt die spannende Auswertung der gesammelten Daten und die Arbeit an den Bohrkernen. „Wir hoffen, mit den gewonnenen Daten einen weiteren Mosaikstein zum Verständnis schwerer Erdbeben zu erlagen. Bis zu einer Vorhersage solcher Ereignisse ist es aber noch ein sehr weiter Weg“, resümiert Professor Behrmann.
Links:
http://www.jamstec.go.jp/chikyu/exp343/e/index.html Das „Japan Trench Fast Drilling Project“
www.iodp.org Das Integrated Ocean Drilling Program
www.geomar.de Das GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Bilder in höherer Auflösung:
Das japanische Bohrschiff CHIKYU. Foto: JAMSTEC.
Prof. Jan. Behrmann. Foto: GEOMAR
Ansprechpartner:
Jan Steffen (Kommunikation & Medien), Tel. 0431/600-2811, jsteffen(at)geomar.de
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