Trauer um Professor Dr. Erwin Suess
"Ohne Erwin Suess würde es das GEOMAR in seiner heutigen Form nicht geben."
Professor Dr. Erwin Suess verstarb am 28. September 2023 nach langer Krankheit in seinem Haus in Corvallis, Oregon. Er prägte die marinen Geowissenschaften in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika maßgeblich. Seine Arbeiten waren sehr breit angelegt und stets darauf ausgerichtet, unbekannten Phänomen auf die Spur zu kommen und neue Wege in der Forschung zu gehen.
Professor Suess' Karriere verbindet Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika: Nach seinem Geologie-Vordiplom an der Universität Gießen, ging er im Jahr 1964 mit einem Fulbright Stipendium an die Kansas State University in die Vereinigten Staaten, um dort sein Studium fortzusetzen. Nach seinem Masterabschluss im Jahr 1966, nahm er eine Doktorandenstelle an der Lehigh University, Pennsylvania an. Bereits im Jahr 1968 wurde er dort promoviert und ging anschließend als Postdoc an die University of Hawaii. Im Jahr 1970 kehrte er nach Deutschland zurück und trat dort eine Stelle als Assistenz-Professor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) an. Anschließend zog es ihn wieder in die Staaten wo er von 1976 bis 1988 als Professor an der Oregon State University, Corvallis forschte.
Im Jahr 1989 kehrte Professor Suess nach Kiel zurück, um dort gemeinsam mit Jörn Thiede, Roland von Huene und Hans-Ulrich Schmincke das neu gegründete Forschungszentrum GEOMAR aufzubauen. Von 1995 bis 1999 bereitete er als Direktor die Fusion mit dem Institut für Meereswissenschaften in Kiel vor, die schließend zur Gründung des IFM-GEOMAR führte, dem heutigen GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Nach seiner Pensionierung im Jahr 2004 kehrt er nach Corvallis zurück und setzt dort seine Forschungsarbeiten fort. Ohne Erwin Suess würde es GEOMAR in seiner heutigen Form nicht geben.
Schon während seines Masterstudiums an der Kansas State University veröffentlichte Erwin Suess eine Arbeit zur Klassifizierung von Opalmineralen, die von Gräsern gebildet werden und als Archiv für Umweltveränderungen genutzt werden können. Diese bis heute vielzitierte Publikation lieferte die Grundlage für zahlreiche paläoklimatische und physiologische Studien. Während seiner Doktorarbeit an der Lehigh University und seiner Postdoc-Zeit in Hawaii untersuchte er vor allem die Reaktionen zwischen Karbonaten und gelösten organischen Substanzen im Meerwasser. Er entdeckte dabei unter anderem, dass viele organische Substanzen an der Oberfläche von Karbonat-Partikeln adsorbieren wodurch einerseits die Löslichkeit von Karbonaten und andererseits die Reaktivität der organischen Substanzen verändert werden. Er veröffentlichte dazu eine Reihe von Arbeiten, die bis heute wichtige Grundlagen für das Verständnis des marinen Kohlenstoffkreislaufs liefern.
Als Assistenz-Professor in der Kieler Arbeitsgruppe von Eugen Seibold untersuchte er Sedimente, die in der Ostsee abgelagert werden. Er zeigte, wie die Stoffkreisläufe in der Ostsee durch mikrobielle und geochemische Prozesse im Sediment beeinflusst werden und entdeckte eine Reihe von neuen Mineralen, die in diesen Sedimenten entstehen und zur Rekonstruktion von Umweltbedingungen genutzt werden können.
An der Oregon State University fokussierte er seine Forschung zunächst auf den marinen Kohlenstoffkreis. Er veröffentlichte dazu unter anderem eine klassische Arbeit zur Exportproduktion im Weltozean und Funktionsweise der biologischen Kohlenstoffpumpe, die bis heute mehr als 1000 Mal zitiert wurde, sowie mehrere grundlegende Arbeiten zum Kohlenstoffumsatz in Auftriebsgebieten und marinen Sedimenten. Zudem entwickelte er neue Ansätze, um die Veränderung der Ozeanproduktivität mit Hilfe sedimentärer Archive und chemischer Parameter zu rekonstruieren. Im Laufe der Zeit interessierte er sich zunehmend für die heißen und kalten Quellen am Meeresboden. Er entdeckte die ersten kalten Quellen in Subduktionszonen und konnte zeigen, dass dort ähnliche Lebensgemeinschaften und Minerale entstehen, wie an den heißen Hydrothermalquellen der mittelozeanischen Spreizungszentren.
Am GEOMAR setzte er seine Arbeiten zu den Entwässerungsprozessen an aktiven Kontinentalrändern fort und entdeckte dabei eher zufällig, dass dort große Mengen an Methanhydraten gebildet werden. Dies führte dann zu einer Reihe von Forschungsprojekten, in denen er die Rolle der Methanhydrate im Klimasystem und die Nutzung von Methanhydraten als Rohstoff für die Energiegewinnung untersuchte. Zudem baute er einen Sonderforschungsbereich am GEOMAR auf, in dem der Stoffumsatz in Subduktionszonen erstmals umfassend untersucht wurde.
Erwin Suess bildete im Laufe seiner Karriere zahlreiche Studierende aus, die heute wichtige Rollen in der deutschen und internationalen Meeresforschung einnehmen. Er war für viel von uns ein Vorbild und wir sind ihm von Herzen dankbar, für die Chancen, die er uns eröffnet hat. Er hat uns durch seine persönliche Integrität, sein profundes Wissen, seine Kreativität und nie erlöschende Energie und Neugier inspiriert und ermutigt neue Wege in der Forschung zu gehen. Wir vermissen ihn sehr und werden immer an ihn denken.