Überraschung am Lava-Plateau
Kieler Meeresforscher widerlegen bisherige Einordnung von Gesteinstypen
Der französische Romanautor Jules Verne war ein Visionär. Doch in einer seiner Geschichten lag er weit daneben. Eine „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ ist und bleibt unmöglich. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das ein Problem, denn tief im Erdinneren verbergen sich die Ursachen von Erdplattenbewegungen und Vulkanausbrüchen. Wenn Forscherinnen und Forscher wissen wollen, warum sich Erdplatten wie verschieben, oder wann große vulkanische Ereignisse die Erde heimsuchten, dann müssen sie Spuren dieser Ereignisse an der Erdoberfläche finden, analysieren und schließlich mit Hilfe der Ergebnisse Rückschlüsse auf Vorgänge in hunderten Kilometern Tiefe ziehen. Oft erweisen sich die Zusammenhänge bei näherem Hinsehen dann als komplizierter als zunächst gedacht.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel veröffentlicht jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications eine Studie, die zeigt, dass bestimmte Gesteine, die bisher ausschließlich an sogenannten Subduktionszonen gefunden worden sind, auch in einem anderen tektonischen Zusammenhang mit ähnlicher Zusammensetzung auftreten können. „In Zukunft müssen wir bei der Zuordnung von bestimmten Gesteinen also vorsichtiger sein“, erklärt Erstautor Roman Golowin vom GEOMAR.
Der Begriff Subduktionszonen beschreibt die Grenze zwischen zwei Erdplatten, bei der die eine Erdplatte unter die andere geschoben wird. Dieser Vorgang kann nicht nur zu starken Erdbeben führen. Auf der oben liegenden Platte bilden sich zusätzlich immer Vulkane. Umstritten ist aber noch, wie lange es diesen Prozess auf der Erde schon gibt und wie sich Subduktionszonen genau bilden.
Eine zweite Art von Vulkanismus tritt dagegen mitten in Erdplatten auf. Die gängigen Theorien gehen davon aus, dass dort besonders viel heißes Material des Erdmantels in Form von Mantel-Plumes aus dem Inneren des Erdmantels in Richtung Erdoberfläche transportiert wird. Das Aufschmelzen von aufsteigenden Mantel-Plumes führt hierbei zu vulkanischer Aktivität auf der Erdkruste.
Im Laufe der Erdgeschichte muss es mehrere gewaltige vulkanische Ereignisse der zweiten Art gegeben haben, die kilometerdicke Plateaus aus Lava innerhalb weniger Millionen Jahre gebildet haben. „Diese Plateaus nennt man Flutbasaltprovinzen“, erklärt Koautor Prof. Dr. Kaj Hoernle vom GEOMAR. Eine davon ist das Manihiki-Plateau nördlich von Neuseeland im Westpazifik. Im Jahr 2007 und 2012 führten Expeditionen von Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit dem Forschungsschiff SONNE in das Gebiet. Ziel war es den genauen Aufbau, die Zusammensetzung und den zeitlichen Ablauf dieser gewaltigen vulkanischen Ereignisse zu rekonstruieren.
Die jetzt in Nature Communications veröffentlichte Studie beruht auf der Analyse von Gesteinsproben, die während dieser Expeditionen vom Meeresboden gewonnen werden konnten. Einige Gesteine vom Manihiki-Plateau weisen eine ähnliche Zusammensetzung auf, wie man sie eigentlich nur an Subduktionszonen erwartet. „Je nachdem welche Mantelquelle unter welchen Bedingungen, zum Beispiel in Kontakt mit Wasser oder unter hohen Temperaturen schmilzt, wird eine charakteristische Signatur verschiedener Elemente mit unterschiedlichen Anreicherungen in den Lavaablagerungen an der Oberfläche erzeugt“, erklärt Zweitautor Dr. Maxim Portnyagin vom GEOMAR die Analysen der Geologen.
Dass nun aber Gesteine, die so ähnlich als typische Spuren für das Entstehen von Subduktionszonen galten, an einer Flutbasaltprovinz gefunden wurden, deren Entstehung eindeutig auf Mantel-Plume-bezogene Prozesse zurückzuführen ist, hat zwei Konsequenzen. „Einmal müssen wir unsere Vorstellungen überdenken, wir sich die großen Lavaplateaus gebildet haben“, erklärt Roman Golowin, „andererseits müssen wir in Zukunft auch vorsichtiger sein bei der Zuordnung von vulkanischen Spuren auf der Suche nach vergangenen Subduktionszonen und der plattentektonischen Rekonstruktionen in der Erdgeschichte. Weitere Analysen in vergleichbaren Regionen der Erde bringen uns hoffentlich weiter auf die Spur der Prozesse im Erdinneren“.
Hinweis:
Die Expedition SO225 wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Projekts Manihiki II.
Originalarbeit:
Golowin, R., M. Portnyagin, K. Hoernle. F. Hauff, A. Gurenko, D. Garbe-Schönberg, R. Werner, S. Turner (2017): Boninite-like intraplate magmas from Manihiki Plateau require ultra-depleted and enriched source components. Nature Communications, http://dx.doi.org/10.1038/ncomms14322
Bildmaterial in höherer Auflösung:
Das Manihiki-Plateau liegt nordöstlich der Pazifikstaaten Fidschi und Samoa. Image reproduced from the GEBCO world map 2014, www.gebco.net
In den Jahren 2007 und 2012 führten Expeditionen mit dem Forschungsschiff SONNE zum Manihiki-Plateau. Foto: Bernd Grundmann/GEOMAR
Kontakt:
Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811, presse(at)geomar.de