Das Forschungsschiff "JOIDES Resolution", mit dem rund 30 internationale Fachleute im Rahmen der IODP-Expedition vor der norwegischen Küste Bohrungen vorgenommen haben. Foto: Peter Betlem (IODP)

An Bord der "JOIDES Resolution": Fahrtleiter Professor Dr. Christian Berndt vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (links) bespricht den Bohrprozess mit dem Betriebsleiter Steve Midgley (IODP JRSO). Foto: Sandra Herrmann (IODP/JRSO)

An Deck der "JOIDES Resolution": Die beiden Fahrtleiter, Professor Dr. Sverre Planke von der Universität Oslo (links) und Professor Dr. Christian Berndt vom GEOMAR (rechts) mit den Wissenschaftlern Carlos Alvarez Zarikian vom IODP (2. von rechts) und Reed Scherer von der Northern Illinois University (2. von links). Foto: Sayantani Chatterjee (IODP)

Das Bohrschiff "JOIDES Resolution" bei Sonnenaufgang. Foto: Peter Betlem (IODP) 

Ein Bohrkern wird für die wissenschaftliche Auswertung an Deck der "JOIDES Resolution" gebracht. Foto: Sandra Herrmann (IODP/JRSO) 

Jeder Abschnitt der Bohrkerne sieht anders aus und enthält Informationen, aus den Fachleute lesen können wie in einem tagebuch der Erdgeschichte. Foto: Sandra Herrmann (IODP/JRSO)

Unterwasservulkane helfen, prähistorische Klimaerwärmung zu erklären

Neue Studie zeigt: Vulkanismus vor 56 Millionen Jahren setzte mehr Methan frei als angenommen

03.08.2023/Kiel. Eine internationale Expedition mit dem Bohrschiff „JOIDES Resolution“ unter der Leitung von Professor Dr. Christian Berndt vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Professor Dr. Sverre Planke von der Universität Oslo bestätigt die Theorie, dass Hydrothermalschlote mit ihrem Methanausstoß für die globale Erwärmung vor rund 55 Millionen Jahren verantwortlich waren. Die Studie, die heute im Fachmagazin Nature Geoscience erscheint, zeigt, dass die unterseeischen Vulkanschlote damals so knapp unter der Wasseroberfläche lagen oder sogar aus dem Wasser ragten, dass das von ihnen ausgestoßene Methan direkt in die Atmosphäre gelangen konnte.

Vor rund 55 Millionen Jahren wurde der Atlantik geboren. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Europa und Amerika miteinander verbunden. Als die beiden riesigen Kontinente begannen, sich auseinander zu bewegen, riss die immer dünner werdende Erdkruste zwischen ihnen auf und setzte Massen von glühendem Magma frei. Geolog:innen nennen diese Form des Vulkanismus „Riftvulkanismus“. Dieser hat an mehreren Stellen auf der Erde zur Bildung der so genannten „Flutbasalt-Provinzen“ geführt. Zwischen Grönland und Europa entstand eine solche magmatische Großprovinz, die heute kilometertief unter Wasser liegt. Eine internationale Expedition mit dem Bohrschiff „JOIDES Resolution“ unter der Leitung von Professor Dr. Christian Berndt vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Professor Dr. Sverre Planke von der Universität Oslo konnte dort umfangreiches Probenmaterial gewinnen, das nun ausgewertet wurde.

In ihrer Studie, die heute im Fachmagazin Nature Geoscience erscheint, können die Forschenden zeigen, dass Hydrothermalschlote damals so knapp unter der Wasseroberfläche lagen oder sogar aus dem Wasser ragten, dass viel größere Mengen der von ihnen ausgestoßenen Treibhausgase direkt in die Atmosphäre gelangen konnten, als bislang angenommen.

„Mehr als eine Million Jahre lang fanden damals einige der gewaltigsten Vulkanausbrüche der Erdgeschichte statt“, sagt der Geophysiker Christian Berndt über die Zeit an der Grenze vom Paläozän zum Eozän. Nach heutigen Erkenntnissen habe dieser Vulkanismus das Weltklima um mindestens fünf Grad erwärmt und ein Massenaussterben verursacht – die letzte dramatische Klimaerwärmung vor unserer Zeit, genannt Paläozän-Eozän-Temperatur-Maximum (PETM). Aber genau erklären konnten Geolog:innen den Zusammenhang bislang nicht, zumal Vulkanausbrüche eher dafür bekannt sind, das Klima abzukühlen, indem sie vermehrt Aerosole in die Stratosphäre abgeben und dadurch die Sonneneinstrahlung vermindert wird.

Seit 2004 aber gibt es eine Theorie, die vor allem dem Treibhausgas Methan, das aus Hydrothermalschloten am Rande der Flutbasalt-Provinzen austritt, eine entscheidende Rolle zuschreibt. „Als damals unsere norwegischen Kollegen Henrik Svensen und Sverre Planke ihre Ergebnisse veröffentlichten, wären wir am liebsten sofort losgefahren und hätten wissenschaftliche Bohrungen an den hydrothermalen Schlotsystemen im Nordatlantik vorgenommen, um die Hypothese zu überprüfen“, sagt Berndt. Doch so einfach war es nicht. Das Integrated Ocean Drilling Program (IODP), ein internationales Wissenschaftsprojekt zur Erforschung der Meeresböden durch Tiefseebohrungen, bei dem der Antrag eingereicht wurde, war zwar von der Wichtigkeit dieser Arbeiten überzeugt, aber ein Spezial-Bohrschiff, mit dem die damals bekannten Schlote erreicht werden konnten, stand nicht zur Verfügung. Doch die Forschung schritt voran, und in den folgenden Jahren wurden hydrothermale Schlotsysteme im Nordatlantik entdeckt, die auch für herkömmliche Bohrtechnik zugänglich sind. So wurde der Bohrvorschlag erneut eingereicht, und im Herbst 2021 – 17 Jahre nach der ersten Antragstellung – konnte die Expedition beginnen.

Rund 30 Wissenschaftler:innen aus zwölf Nationen nutzten die Forschungsfahrt des IODP (heute International Ocean Discovery Program) mit dem Bohrschiff „JOIDES Resolution“ zum Vøring-Plateau vor der Küste Norwegens. Fünf von insgesamt 20 Bohrungen wurden direkt in einen von tausenden längst erkalteten Hydrothermalschloten vorgenommen. Die gewonnenen Bohrkerne können Wissenschaftler:innen lesen wie ein Tagebuch der Erdgeschichte. Und was steht darin in Bezug auf das Paläozän-Eozän-Temperatur-Maximum?

Wie für den Fall erwartet, dass die damalige Klimaerwärmung tatsächlich durch hydrothermale Aktivität ausgelöst wurde, zeigte sich, dass der Schlot kurz vor dem Paläozän-Eozän-Temperatur-Maximum aktiv war und zwar nur sehr kurz: Der entstandene Krater wurde in kürzester Zeit wieder verfüllt, genau zu dem Zeitpunkt, als die Klimaerwärmung begann. Eher überrascht hat die Forschenden hingegen das Ergebnis, dass der Schlot in einer sehr geringen Wassertiefe von wahrscheinlich weniger als 100 Metern aktiv war. Dies hat weitreichende Folgen für die potenziellen Auswirkungen auf das Klima, erklärt Christian Berndt: „Das meiste Methan, das aus heute in der Tiefsee aus aktiven hydrothermalen Quellen in die Wassersäule gelangt, wird durch Oxidation schnell in klimatisch weit weniger wirksames Kohlendioxid umgewandelt. Da der untersuchte Schlot in der Mitte des Grabenbruchs liegt, wo die Wassertiefe am größten sein sollte, ist anzunehmen, dass andere Schlote noch dichter unter der Wasseroberfläche lagen oder sogar aus dem Wasser herausragten. Hierdurch konnten viel größere Mengen an Methan direkt in die Atmosphäre gelangen, als wenn die Schlote in tiefem Wasser aktiv gewesen wären.“

In Bezug auf die heutige Klimaerwärmung zieht der Geophysiker vor allem zwei Schlüsse aus den neuen Erkenntnissen: „Zum einen bestätigen sie nicht, dass die damalige Klimaerwärmung durch Gashydrat-Auflösung hervorgerufen wurde – eine Gefahr, die immer wieder diskutiert wird. Zum anderen zeigen sie aber auch, dass es viele Jahrtausende dauerte, bis sich das Klima auf natürliche Weise wieder abkühlte. Das Erdsystem war also im Stande sich selbst zu regulieren, aber nicht auf Zeitskalen, die für die heutige Klimakrise von Relevanz wären.“

Publikation:

Berndt, C., Planke, S., Alvarez Zarikian, C.A. et al. Shallow-water hydrothermal venting linked to the Palaeocene–Eocene Thermal Maximum. Nat. Geosci. (2023). https://doi.org/10.1038/s41561-023-01246-8

Hintergrund: IODP

Das International Ocean Discovery Program (IODP), das die Expedition gefördert hat, ist ein auf zehn Jahre angelegtes internationales Vorhaben zur Erkundung von Bereichen des Meeresbodens durch Tiefbohrungen. Es hat 2013 begonnen und baut auf früheren wissenschaftlichen Ozean-Bohrprogrammen, namentlich dem Deep Sea Drilling Project (DSDP, 1968-1983), dem Ocean Drilling Program (ODP, 1983-2003) und dem Integrated Ocean Drilling Program (IODP, 2003-2013), auf. Finanziert wird das Programm von Einrichtungen, die zusammen 21 Nationen repräsentieren.

Ein Bohrschiff auf offener See

Das Forschungsschiff "JOIDES Resolution", mit dem rund 30 internationale Fachleute im Rahmen der IODP-Expedition vor der norwegischen Küste Bohrungen vorgenommen haben. Foto: Peter Betlem (IODP)

Zwei Männer mit Sicherheitshelmen stehen vor einer Arbeitsplatte in einer Werkstatt, über der ein großer Monitor hängt.

An Bord der "JOIDES Resolution": Fahrtleiter Professor Dr. Christian Berndt vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (links) bespricht den Bohrprozess mit dem Betriebsleiter Steve Midgley (IODP JRSO). Foto: Sandra Herrmann (IODP/JRSO)

Vier Männer stehen an Bord eines Bohrschiffes.

An Deck der "JOIDES Resolution": Die beiden Fahrtleiter, Professor Dr. Sverre Planke von der Universität Oslo (links) und Professor Dr. Christian Berndt vom GEOMAR (rechts) mit den Wissenschaftlern Carlos Alvarez Zarikian vom IODP (2. von rechts) und Reed Scherer von der Northern Illinois University (2. von links). Foto: Sayantani Chatterjee (IODP)

Ein Schiff auf dem Meer bei Sonnenaufgang

Das Bohrschiff "JOIDES Resolution" bei Sonnenaufgang. Foto: Peter Betlem (IODP) 

Ein langes Rohr, das einen Bohrkern enthält, wird ins Bild gehalten

Ein Bohrkern wird für die wissenschaftliche Auswertung an Deck der "JOIDES Resolution" gebracht. Foto: Sandra Herrmann (IODP/JRSO) 

Bruchstücke von Bohrkernen verschiedener Färbung liegen in Rinnen

Jeder Abschnitt der Bohrkerne sieht anders aus und enthält Informationen, aus den Fachleute lesen können wie in einem tagebuch der Erdgeschichte. Foto: Sandra Herrmann (IODP/JRSO)