Vom Atlantik zu FYORD
Netzwerktreffen beendet das Programm der diesjährigen „Schwimmenden Universität“
„Das ist Ozeanographie: Jahre der Planung, Wochen der Schiffszeit und Tage der Seekrankheit gipfeln in stundenlangen, sorgfältigen Messungen für einige wenige, wertvolle Datenpunkte. So etwas lernt man nicht im Labor“, schwärmt Amadou Biteye aus dem Senegal. „Wenn ich den ganzen Prozess der Entnahme und Analyse einer einzigen Probe durchlaufe, verstehe ich jetzt wirklich, woher die Daten kommen, und weiß zu schätzen, was in den globalen Datensätzen für jede Messung steckt.“
Der 24-Jährige ist einer von elf jungen Meeresforschenden, die an der diesjährigen „Schwimmenden Universität“ auf der POLARSTERN unter Leitung von Dr. Björn Fiedler vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel teilnahmen. Die Ausbildungsphase auf See ist Teil des internationalen Masterstudiengangs „Klimawandel und Meereswissenschaften“ im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenzzentrums WASCAL (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use).
Auf ihrer Fahrt von Mindelo, Cabo Verde, nach Bremerhaven, Deutschland lernten in diesem Jahr sieben Studentinnen und vier Studenten aus neun westafrikanischen Ländern klassische Methoden der Meeresforschung kennen. Sie führten Messungen zum Kohlendioxidgehalt im Ozean und der Atmosphäre durch und sammelten Daten zu biogeochemischen und ökologischen Veränderungen im tropischen und subtropischen Atlantik. Dabei erfassten sie auch die Biomasse an Zooplankton und Fischen sowie die Struktur des Nahrungsnetzes in verschiedenen Meeresregionen. Außerdem gehörte die Dokumentation und Kommunikation der wissenschaftlichen Arbeiten zum Ausbildungsprogramm der Studierenden. Neun erfahrene Wissenschaftler:innen des GEOMAR, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), der Universidade Técnica do Atlântico Mindelo (UTA) und der Universität Oslo begleiteten die Gruppe.
„Ich habe viel gelernt, was ich an Land nicht hätte lernen können, auch, was es bedeutet, auf Station zu sein und Proben auf einem fahrenden Schiff zu nehmen“, sagt Osvaldina Julião Fernandes Soares aus Cabo Verde.
Amie Ndure aus Gambia stimmt zu: „Im Masterstudiengang haben wir theoretisches Wissen erworben, aber die Anwendung bei Messungen und Beobachtungen auf See ist eine unschätzbare Erfahrung.“
„Der Ozean spielt eine wichtige Rolle für unser Klima, und an Bord haben wir gelernt, wie die Datensammlung in das große Bild der Klimaforschung hineinpasst“, erklärt Christelle Akonde aus Benin.
Nach Abschluss der Expedition verbrachte die Gruppe eine Woche in Kiel, um die während der Fahrt erhobenen Daten auszuwerten und das GEOMAR näher kennenzulernen. Dort tauschten sie sich auch mit Masterstudierenden und Promovierenden des Nachwuchsförderungsprogramms Foster Young Ocean Researcher Development (FYORD) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des GEOMAR aus.
"Nachdem die Vernetzung zwischen Masterstudierenden aus Kiel und Westafrika ein gelungenes Beispiel für einen fruchtbaren, fachübergreifenden und interkulturellen Austausch geliefert hatte, sollen internationale Studierende und junge Wissenschaftler:innen zukünftig noch gezielter in FYORD eingebunden werden", sagt FYORD-Koordinatorin Dr. Christine Haunhorst, die im Forschungsschwerpunkt Kiel Marine Science (KMS) an der CAU für die Nachwuchsförderung verantwortlich ist.
„Um den Ozean zu erforschen, reicht eine Ausbildung im Hörsaal und im Labor allein nicht aus. Forschung auf See ist sehr anspruchsvoll und herausfordernd. Dies kann man nur unter authentischen Bedingungen erlernen“, fasst Dr. Björn Fiedler zusammen. „Der anschließende Austausch zwischen den FYORD- und WASCAL-Studierenden am GEOMAR bot zusätzlich eine hervorragende Gelegenheit, die verschiedenen Sichtweisen der Studierenden auf meereswissenschaftliche Themen und deren Relevanz für die Gesellschaft gemeinsam zu erörtern. Solch ein interkultureller Austausch lässt sich nur in persönlichen Treffen erreichen.“
Während einige der Studierenden direkt an ihre Universität in Mindelo auf Cabo Verde zurückkehren, setzen andere ihre Analysen und Arbeiten im Rahmen ihrer Masterarbeiten noch in Deutschland und Frankreich fort. So werden unter anderem mitgebrachte Proben zur Verteilung und Vorkommen von Mikroplastik im Ozean sowie in Fischen im Labor am GEOMAR untersucht.
Hintergrund: WASCAL-Masterprogramm „Klimawandel und Meereswissenschaften“
Im Masterstudiengang „Klimawandel und Meereswissenschaften“ im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenzzentrums „West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use“ (WASCAL) erlernen Studierende aus Westafrika wissenschaftliche und akademische Fähigkeiten in den Bereichen Klima, Meereswissenschaften und Management sowohl auf internationaler als auch auf regionaler Ebene. So bereiten sie sich auf ein anschließendes Postgraduiertenstudium oder eine berufliche Laufbahn beispielsweise im Umwelt-Management oder in der Industrie, in Beratungsunternehmen oder Regierungsbehörden vor. 2021 wurde das WASCAL-Masterprogramm auf Cabo Verde als Aktion der Dekade der Ozeanforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ausgewählt. An der Premiere der „Schwimmenden Universität“ an Bord des Forschungsschiffs MARIA S. MERIAN nahmen im Jahr 2022 14 Master-Studierende teil. 2023 fand die „Schwimmende Universität“ während der Reise PS135-2 mit dem Forschungsschiff POLARSTERN statt, das vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI) betrieben wird.
Hintergrund: Nachwuchsprogramm FYORD
Mit dem Programm Foster Young Ocean Researcher Development (FYORD) fördern Kiel Marine Science (KMS) und das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel die Entwicklung junger Meeresforschender über alle Statusgruppen von Masterstudierenden, Promovierenden bis hin zu Postdoktorand:innen. Ziel des gemeinsam organisierten, inter-institutionellen und interdisziplinären Programms ist es, eine erfolgreiche Karriere in marinen Themen zu ermöglichen und ein lebendiges, übergreifendes wissenschaftliches Netzwerk zum Thema Meeresforschung in Kiel aufzubauen. Alle Zielgruppen sollen nicht nur von unterschiedlichen Erfahrungen profitieren, sondern besonders auch neue und förderfähige Forschungsfragen entwickeln und Impulse für ihre eigenen Karrierewege erhalten.