Vom Zuckerhut an die Kieler Förde
04.06.2009/Kiel. Meeresforschung funktioniert nur in internationaler Zusammenarbeit. Damit angehende Wissenschaftler schon früh über ihre Landesgrenzen hinaus Netzwerke bilden können, rief das Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) das Trainings- und Forschungsprogramm GAME ins Leben. Deutsche und ausländische Studenten führen in Zweier-Teams rund um den Globus meeresbiologische Experimente durch und werten die Ergebnisse gemeinsam in Kiel aus. Mit dem Brasilianer Eduardo de Almeida Xavier arbeitet zurzeit der 100. Teilnehmer am IFM-GEOMAR.
Nicht nur das Kieler Wetter war gewöhnungsbedürftig. Neue Kollegen, neues Projekt, neue Umgebung – all das erwartete den 25-jährigen Biologiestudenten Eduardo de Almeida Xavier aus Niterói (Brasilien), als er im Oktober 2008 ans Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) kam. „Und die Arbeit hier war von Anfang an sehr intensiv, man musste in kurzer Zeit unheimlich viel lernen. Ich wusste zunächst nicht, ob ich das schaffe“, erinnert er sich an seine ersten Eindrücke.
De Almeida Xavier ist der insgesamt 100. Teilnehmer des GAME-Programms (Globaler Ansatz durch modulare Experimente). Es soll angehende Meereswissenschaftler genau auf diese Situation vorbereiten: Wechselnde Arbeitsumstände und neue Herausforderungen. „Meeresforschung ist international. Man muss sich oft auf unterschiedliche Mentalitäten einstellen“, erklärt GAME-Koordinator Dr. Mark Lenz vom IFM-GEOMAR.
Das Prinzip des Programms: Je ein Student einer deutschen Universität bildet ein Team mit einem Studenten einer ausländischen Partneruniversität. Alle Teams eines Jahrgangs arbeiten an denselben Fragestellungen. Dazu erarbeiten alle Teilnehmer in Kiel gemeinsam Arbeitsmethoden und Experimente. Anschließend führen die Teams diese Experimente im jeweiligen Partnerland durch. Am Ende treffen sich alle wieder in Kiel am IFM-GEOMAR, um mit Unterstützung erfahrener Meeresforscher die Ergebnisse auszuwerten. „Auf diese Weise lernen die Studenten, international zu arbeiten. Außerdem schaffen wir ein globales Forschungsnetzwerk, um Untersuchungen zu aktuellen ökologischen Problemen weltweit durchführen zu können“, sagt Dr. Lenz.
Im laufenden Kurs geht es beispielsweise um die Frage, ob lange etablierte oder neu eingeschleppte Arten in einem Ökosystem empfindlicher gegenüber Umweltveränderungen sind. „Das ist von weltweiter Bedeutung, denn überall beobachten Biologen die Invasion fremder Arten“ so Dr. Lenz. Die amerikanische Rippenqualle in der Ostsee ist nur ein Beispiel. Die Muschel Isognomon bicolor in brasilianischen Küstengewässern ein anderes. In den 1980er Jahren erschien sie dort erstmals. Nach den intensiven Vorbereitungen in Kiel untersuchte Eduardo de Almeida Xavier fünfeinhalb Monate lang, wie sie auf Änderungen der Temperatur oder des Salzgehaltes im Wasser reagiert – und ob sie diese Veränderungen besser verträgt als die in Brasilien einheimische Miesmuschel Perna perna.
Dabei arbeitete de Almeida Xavier eng mit seiner Team-Partnerin Corinna Mummelthei aus Freiburg zusammen. Auch sie musste sich erst an die Arbeitsbedingungen im fremden Land gewöhnen. „Manches war anfangs schwierig, aber dadurch habe ich gelernt, mich an die Situation anzupassen und notfalls zu improvisieren. Außerdem waren die Brasilianer unheimlich nett und haben uns immer geholfen“, erinnert sich die 28-Jährige.
Jetzt sind beide wieder in Kiel und werten gemeinsam mit anderen GAME-Teilnehmern die Ergebnisse der Experimente aus. Im Herbst werden sie darüber an den jeweiligen Heimat-Universitäten Freiburg und Niterói ihre Abschlussarbeiten schreiben. Die anfänglichen Schwierigkeiten und Bedenken sind längst der Begeisterung für die Arbeit im GAME-Programm gewichen. „Ich habe persönlich und wissenschaftlich unheimlich viel gelernt. Es war eine tolle Zeit“, resümiert Eduardo de Almeida Xavier. Sogar dem Kieler Wetter kann er mittlerweile etwas abgewinnen: „Ich finde es faszinierend, wie deutlich man hier den Unterschied der Jahreszeiten spürt.“
Hintergrundinformationen:
Das internationale Trainings- und Forschungsprogramm GAME (Globaler Ansatz durch Modulare Experimente) wurde im Jahr 2002 von Prof. Martin Wahl (IFM-GEOMAR) mit Unterstützung der Stiftung Mercator ins Leben gerufen. Es kooperiert mit 28 Universitäten und Meeresforschungseinrichtungen in 22 Länden auf fünf Kontinenten. Zielgruppe sind Studenten der Biologie, der Ökologie und der Umweltwissenschaften, die kurz vor ihrem Abschluss stehen. Bis zu 18 Stipendien können pro Jahr vergeben werden. Wegen der umfassenden Betreuung erreichen die Abschlussarbeiten der Teilnehmer ein überdurchschnittlich hohes Niveau. Zudem wurden die Ergebnisse der globalen Forschung in über 20 wissenschaftlichen Artikeln in angesehenen internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht.
Ansprechpartner:
Jan Steffen (Öffentlichkeitsarbeit), Tel.: 0431 600-2811, jsteffen@geomar.de