Ausgezeichnet: Von der Korallenforschung zur Osteoporose-Erkennung
GEOMAR-Ausgründung Osteolabs erhält Innovationspreis 2023 der Landeshauptstadt Kiel
Seit 2001 zeichnet die Landeshauptstadt Kiel mit dem Wissenschaftspreis hervorragende wissenschaftliche Leistungen von Personen, Personengruppen oder Institutionen aus, deren Wirken in besonderer Beziehung zur Landeshauptstadt Kiel oder zum Land Schleswig-Holstein steht und die sich hervorragende Verdienste, auch über das Land hinaus, erworben haben. In diesem Jahr wurde er zum zwölften Mal verliehen. Zudem wird seit 2017 der Innovationspreis der Landeshauptstadt Kiel vergeben für herausragende Erfindungen, innovative Ideen, technologische Entwicklungen und wissenschaftlich basierte Startup-Geschäftsmodelle.
Stadtpräsidentin Bettina Aust und Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer überreichten den mit 10.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis an den Evolutionsökologen und Genetiker Professor Dr. Hinrich Schulenburg von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Den ebenfalls mit 10.000 Euro dotierten Innovationspreis der Landeshauptstadt Kiel erhielten Professor Dr. Anton Eisenhauer und RNDr. Stefan Kloth von der osteolabs GmbH, einem aus dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ausgegründeten Startup-Unternehmen.
Osteoporose ist eine weit verbreitete Knochenkrankheit, die starke Schmerzen verursacht und die Mobilität von Menschen – insbesondere im Alter – massiv einschränkt. Das 2018 aus dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum, für Ozeanforschung Kiel ausgegründete Startup osteolabs GmbH vertreibt einen innovativen nicht-invasiven Früherkennungstest für Osteoporose, der ausschließlich Blut und Urin zur Untersuchung benötigt. Die Grundlage der Tests stammt aus der Korallenforschung des GEOMAR und wurde ursprünglich zur Bestimmung des Einflusses der durch den Menschen verursachten Erwärmung des Meerwassers auf das Korallenwachstum entwickelt. Das Verfahren wurde in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in verschiedenen Studien national und international getestet und verifiziert. Aufgrund der hohen Sensitivität des Tests kann ein osteoporotisches Geschehen jetzt Jahre früher erkannt und behandelt werden, als es mit den gängigen Standardverfahren möglich ist. Darüber hinaus ermöglicht der Test eine Therapiekontrolle und gibt den Ärzt:innen damit ganz neue Möglichkeiten bei der Behandlung.
Hinter der osteolabs GmbH stehen die beiden Gründer Professor Dr. Anton Eisenhauer und RNDr. Stefan Kloth. Der aus Franken stammende Physiker Professor Eisenhauer kannte das GEOMAR schon lange bevor er 1998 den Ruf an die Kieler Universität und das GEOMAR auf die Professur für Marine Geochemie erhielt. Er ist stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Marine Biogeochemie und der Forschungseinheit Marine Geosysteme am GEOMAR. Als Kaufmann und Physiker hat RNDr. Kloth schon mehrere Technologie- und E‑Commerce-Unternehmen gegründet, die erste Gründung war der Kieler Kontaktlinsenversand Lenscare. Als „Business Angel“ ist er im norddeutschen Raum gut vernetzt.
In ihrer Laudatio auf die beiden Preisträger verwies GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes darauf, dass die osteolabs-Innovation aus einer Zusammenarbeit von mariner Geologie und Medizin entstand, zwei wissenschaftlichen Fachrichtungen, „denen man auf den ersten Blick nachsagt, eher wenig gemeinsam zu haben.“ Matthes unterstrich, dass Technologietransfer aus wissenschaftlich nur wenig überlappenden Gebieten eine große Herausforderung sei. So gelte es zum Beispiel, eine gemeinsame Sprache und Herangehensweise zu finden. „Den beiden Preisträgern ist dies sowohl im Hinblick auf den Technologietransfer von der marinen Geologie in die Medizin als auch im Hinblick auf die Kommerzialisierung von Grundlagenforschung sehr gut gelungen.“
„Die disziplin-übergreifende Zusammenarbeit hervorragender medizinischer und meereswissenschaftlicher Institutionen zum Wohl des Menschen ist ein Kieler Alleinstellungsmerkmal“, erklärte die GEOMAR-Direktorin. „Ich freue mich auf weitere innovative Anwendungen der Meeresforschung und sehe an dieser Stelle auch eine Chance für die nachhaltige Entwicklung Kiels hin zur Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungsangebote für die Medizin der Zukunft.“
Den Wissenschaftspreis 2023 erhielt Professor Dr. Hinrich Schulenburg. Er ist seit 2008 Professor für Zoologie an der CAU und leitet am Zoologischen Institut die Arbeitsgruppe „Evolutionsökologie und Genetik“. Auf diesem Gebiet gehört er zu den zentralen Expert:innen, sein Ruf reicht weit über Deutschland hinaus. Schulenburgs Forschungsinteresse gilt dem Prozess der Evolution, einschließlich der zugrundeliegenden ökologischen und genetischen Mechanismen. Dabei konzentriert er sich auf die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Mikroben, die bakterielle Anpassung an Antibiotika und die Evolution der Wirtsimmunität. Seine Beobachtungen sind zahlreich in den renommiertesten Fachzeitschriften veröffentlicht worden
Die hohe wissenschaftliche Reputation Schulenburgs zeigt sich auch in den Funktionen, die er in Gremien übernommen hat: An der CAU leitet er das Kiel Evolution Center und das Graduiertenkolleg Angewandte Evolutionsforschung, er ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs Herkunft und Funktion von Metaorganismen und des Leibniz Science Campus Evolutionary Medicine of the Lung und nicht zuletzt Max-Planck-Fellow am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön. Ein besonderes Anliegen ist Schulenburg die Wissenschaftskommunikation und der Dialog mit der Gesellschaft.
Professor Dr. Dr. h.c. Thomas Bosch, Direktor des Zoologischen Instituts an der CAU, beschrieb in seiner Laudatio auf den Wissenschaftspreisträger wesentliche Eigenschaften von Prof. Dr. Hinrich Schulenburg: „Er will alles und bekommt viel. Und er schuf schon völlig Neues und Bleibendes. Seine Forschung ist bahnbrechend und disruptiv.“ In der Laudatio sagte Bosch außerdem: „Grundlegend neue Erkenntnisse oder gar Paradigmenwechsel kommen oft von Außenseitern oder von etablierten Forschern und Forscherinnen, die aus ihrer ursprünglichen Disziplin ausbrechen. Zu diesen innovativen, interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftlern gehört auch Hinrich Schulenburg.“
Der Wissenschaftspreisträger, so Professor Bosch, verstehe es Brücken zu bauen und mit Gespür Menschen unterschiedlicher Herkunft zu vereinen und somit Grenzen zu überwinden. Prof. Dr. Hinrich Schulenburg sei durchsetzungsstark und gut darin, Netzwerke aufzubauen und zu vermitteln, welchen Wert seine wissenschaftlichen Forschungen für die Gesellschaft haben.
Stadtpräsidentin Bettina Aust lobte die Preisträger als „großartige Beispiele für die hohe Qualität der Wissenschaft, Forschung und Innovation in Kiel.“ Staatssekretär Guido Wendt aus dem Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur unterstrich, dass die Preisträger „zu Schleswig-Holstein passen wie Wasser und Wind“.
CAU-Präsidentin Prof. Dr. Simone Fulda sagte als Vorsitzende des Kultur- und Wissenschaftssenats der Stadt: „Ich freue mich außerordentlich, dass die Kieler Ratsversammlung bei der Vergabe der diesjährigen Preise für Wissenschaft und Innovation dem Vorschlag des Kultur- und Wissenschaftssenats gefolgt ist. Die Preistragenden stehen für herausragende Forschung und innovativen forschungsbasierten Transfer aus der Wissenschaftsstadt Kiel in die Welt. Und sie machen die wichtige Rolle der Wissenschaft bei der Gestaltung unserer Welt in Gegenwart und Zukunft noch sichtbarer. Ich gratuliere Prof. Dr. Hinrich Schulenburg und der osteolabs GmbH ganz herzlich.“