Weltkriegserbe endlich beseitigen
Meeresforscher verstärken Aktivitäten zur Munitionserkennung und -beseitigung unter Wasser
Immer wieder kommt es durch die Kampfmittel im Meer zu Zwischenfällen. Dabei ist nicht nur die Explosionsgefahr, die von Altlasten ausgeht von Bedeutung. Durch Korrosion gelangen zunehmend giftige und krebserregende Stoffe ins Meer, die das marine Ökosystem belasten. Schon die Suche und Erkennung der zum Teil wahllos im Meer versenkten Kampfmittel stellt eine besondere Herausforderung dar. In den letzten Jahren unternimmt die Meeresforschung mit politischem Rückenwind zunehmend Anstrengungen, um neue Methoden zur Erkennung und Beseitigung der Stoffe zu entwickeln. Am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel trafen sich jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Vertreterinnen und Vertreter von Behörden und aus der Politik, um mit ihnen auf einer zweitägigen Informationsveranstaltung den Stand der Forschung zu diskutieren, aber vor Ort auch einen direkten Einblick in die Problematik zu bieten.
„Mit dieser Veranstaltung betreten wir Neuland“, erläutert Prof. Dr. Jens Greinert, Leiter der Arbeitsgruppe Tiefseemonitoring vom GEOMAR. „Wir bieten den Entscheidungsträgern nicht nur fundierte Informationen, sondern demonstrieren Ihnen im Rahmen einer Ausfahrt mit einem Forschungsschiff in munitionsbelastete Gebiete auch hautnah die Problematik und die derzeitigen technischen Möglichkeiten“, so Greinert weiter.
Mit dem Forschungsschiff ALKOR des GEOMAR geht es in das mit Altmunition belastetes Versenkungsgebiet „Kolberger Heide“ in der Kieler Bucht. Dort setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem autonome Roboter ein, die zur systematischen Detektion der Kampfmittel dienen. „Kampfmittelaltlasten im Meer stellen europaweit eine Herausforderung dar. Daher führen wir die Arbeiten gemeinsam mit vielen nationalen und internationalen Partnern durch“, erläutert Torsten Frey, Projektwissenschaftler am GEOMAR. Er arbeitet im vom GEOMAR koordinierten Forschungsprojekt BASTA (Boost Applied munition detection through Smart data inTegration and AI workflows) mit Beteiligung des Marine Institut Flandern (VLIZ), des Softwareentwicklers EGEOS GmbH und des belgischen Vermessungsdienstleister G-Tec SA. Ziel dieses Vorhabens ist die Optimierung der Erkennung von Munition durch smarte Datenintegration und den Einsatz künstlicher Intelligenz. Im Rahmen weiterer Aktivitäten sind lokale Partner wie die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die K.U.M Umwelt- und Meerestechnik GmbH und das Ministerium für Energie, Landwirtschaft, Umwelt und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein (MELUND) eingebunden.
„Schleswig-Holstein engagiert sich bereits seit einigen Jahren, um das Problem der Altmunition in den Meeren vor unserer Haustür effektiv anzugehen“, sagt Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht, bei einem Besuch der Veranstaltung am GEOMAR. „Wir müssen endlich aufhören, tatenlos zuzusehen, wie die Munitionsreste vor unserer Haustür zu einem immer größeren Umweltproblem werden“, so der Minister weiter. „Deswegen unterstütze ich Initiativen die Kompetenz hier im Land auszubauen und zu bündeln nachdrücklich“.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Informationsveranstaltung zeigten sich beeindruckt vom Ausmaß und Auswirkungen des Problems. Wenn man am Strand auf die Ostsee blickt, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, was wenige Kilometer vor der Küste dort auf dem Meeresgrund liegt. Dies einmal live zu sehen, ist schon beeindruckend und unterstreicht den Handlungsbedarf noch einmal nachdrücklich, do die Parlamentarier unisono.
Dies sieht auch Steffi Lemke, Bundestagsabgeordnete der Grünen, so. „Wir müssen hier schneller handeln, bevor durch die fortschreitende Korrosion die Meeresumwelt aber auch Fischbestände massiv gefährdet werden. Der erste Schritt ist eine umfassende Bestandsaufnahme und die regelmäßige Überwachung der Belastungsschwerpunkte“, so Lemke. Bereits im vergangenen Jahr legte das GEOMAR einen Leitfaden für das Monitoring von Versenkungsgebieten vor. Olaf in der Beek, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion drängt darauf mit der Räumung zu beginnen: „Wir haben am Standort Norddeutschland eine weltweit einmalige Industrie mit gewaltigen Kompetenzen in der Kampfmittelräumung im Meer. Die Unternehmen stehen quasi in den Startlöchern und warten auf Räumaufträge.“
Der Leiter der Delegation der Ostseeparlamentarierkonferenz Johannes Schraps, SPD: „Wir haben das Thema in den letzten Jahren immer wieder auf die Agenda gesetzt. Das Thema Munition im Meer ist keines, wo man die Augen vor verschließen darf, sondern die Zeit drängt. Da es ein grenzüberschreitendes Thema ist, ist hier europäische Koordination notwendig“.
„Durch die Beantragung weiterer Forschungsgelder, gemeinsam mit Partnern aus anderen norddeutschen Meeresforschungseinrichtungen unter anderem über die Deutsche Allianz Meeresforschung, wollen wir in den kommenden Jahren unsere Bemühungen intensivieren, effiziente Methoden zur Überwachung, Detektion und Entsorgung dieser Altlasten im Meer zu entwickeln“, fasst Prof. Greinert zusammen. „Ob der riesigen Mengen wird uns das Thema noch lange beschäftigen, wobei uns die Zeit aufgrund der fortschreitenden Korrosion davonläuft“, so Greinert abschließend.
Links:
https://www.schleswig-holstein.de/DE/UXO/EN/EN_node.html Munitionsbelastung Deutscher Gewässer
https://www.geomar.de/ GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
https://basta-munition.eu/ Projektwebsite des Forschungsvorhabens BASTA