Weltraumforschung auf dem Meeresboden
Spuren eines Asteroideneinschlags in marinen Sedimenten nachgewiesen
In der 4,5 Milliarden Jahre alten Erdgeschichte haben Einschläge außerirdischer Körper immer wieder katastrophale Ereignisse ausgelöst. Vor etwa 35 Millionen Jahren traf ein Asteroid oder Komet den Ozean vor der Ostküste Nordamerikas. Der Einschlag formte einen Krater mit einem Durchmesser von etwa 40 Kilometern in der Chesapeake Bay im heutigen Virginia, USA, und verformte Gesteine in einem Umkreis von bis zu 85 Kilometern. Die Region, zum Beispiel der 200 Kilometer entfernte Ort des heutigen Washington, D.C., war von einem Feuersturm betroffen. Erdbeben bis zu einer Stärke von 8,7 Magnituden, herabregnende geschmolzene Glaströpfchen (Tektite), eine Druckwelle mit Windgeschwindigkeiten über 1000 Kilometer pro Stunde und ein verheerender Tsunami waren weitere Folgen. Auswurf-Material aus dem Einschlagskrater lagerte sich auf einer Fläche von mindestens sieben Millionen Quadratkilometern ab. Das ist fast zwanzigmal so groß wie Deutschland.
Basierend auf marinen Sedimenten, die während der Bohrungen im Rahmen des International Ocean Drilling Program gewonnen wurden, konnte ein internationales Team von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen jetzt von diesem Einschlagereignis betroffenen Mineralien identifizieren und erstmals mit Hilfe der Uran-Thorium-Helium-Technik das Alter einzelner Zirkonkristalle bestimmen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der internationalen Zeitschrift Meteoritics & Planetary Science veröffentlicht.
Die datierten Kristalle waren nur etwa 0,1 Millimeter groß. Die relativ neue Datierungstechnik wurde noch nie zuvor bei der Datierung von Einschlagskratern angewendet. Die Studie war Teil eines größeren Projekts, um den Einsatz dieser Tieftemperatur-Datierungsmethode an 20 der 190 bekannten Einschlagskratern auf der Erde zu untersuchen.
„Der Schlüssel zu unserer Untersuchung waren Zirkone, oder genauer gesagt Zirkoniumsilikat-Kristalle, die wir in den ozeanischen Sedimenten eines Bohrlochs gefunden haben, das sich fast 400 Kilometer nordöstlich der Einschlagsstelle im Atlantik befindet“, sagt die Projektleiterin und Co-Autorin Dr. Jo-Anne Wartho, die die Studie an der Arizona State University begonnen hat und nun am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel arbeitet.
Wenn hohe Temperaturen und Drücke im Zusammenhang mit Einschlagsereignissen auf Zirkone einwirken, hinterlassen sie charakteristische Spuren. Dazu gehören parallele Reihen von multiplen, sehr schmalen Schmelzebenen, die sich in den schockartig veränderten Kristallen bilden, und der Abbau von Zirkon zu Zirkonoxid und Siliziumdioxid, der bei Temperaturen von etwa 1680 Grad Celsius und Drücken, die 900.000 mal höher sind als der atmosphärische Druck auf Meeresspiegelniveau, geschieht. Zusammen mit Tektiten (Schmelztropfen) wurden die derart veränderten Zirkonkristalle aus dem Aufprallbereich geschleudert. Bei Kontakt mit dem Meerwasser kühlten sie dann sofort ab und sanken auf den Meeresboden.
„35 Millionen Jahre später fanden wir diese geschockten und ausgeschleuderten Zirkonkristalle und konnten mit der neuen Datierungs-Technik ihr Alter bestimmen“, erklärt Dr. Wartho.
Der Krater der Chesapeake Bay ist heute vollständig von jüngeren Sedimenten bedeckt, wurde aber Anfang der 1990er Jahre durch marin-geophysikalische Untersuchungen und anschließende Bohrungen entdeckt. Mit einem Kraterdurchmesser von 40 Kilometern und einer Tiefe von ca. 1,3 Kilometern ist er der größte bekannte Einschlagkrater in den USA und der fünzehntgrößte auf der Erde.
Originalarbeit:
Biren, M. B., J.‐A. Wartho, M. C. VAN Soest, K. V. Hodges, H. Cathey, B. P. Glass , C. Koeberl, J. W. Horton Jr, W. Hale (2019): (U‐Th)/He zircon dating of Chesapeake Bay distal impact ejecta from ODP site 1073. Meteoritics & Planetary Science, https://doi.org/10.1111/maps.13316
Bildmaterial: